Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.10.2019

(Axel Boer) #1

SEITE 18·DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019·NR. 245 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


joja.DÜSSELDORF, 21. Oktober. Die
Nachfrage nach Lebensmittellieferungen
ist in Deutschland immer noch recht zu-
rückhaltend. Doch heißt das nicht, dass
sich die Händler davon zurückziehen. Die
Kölner Rewe-Gruppe etwa experimen-
tiert seit 2011 mit ihrem Online-Shop
und liefert inzwischen in 75 Städten ihre
frischen Produkte aus. Laut Branchenver-
band BEVH machte der Versand von Le-
bensmitteln mit 414 Millionen Euro im
dritten Quartal dieses Jahres zwar noch
weniger als 2,5 Prozent des gesamten On-
line-Handels aus, doch wächst dieses Seg-
ment stark.
Geld verdient kaum ein Unternehmen
mit dem Online-Lebensmittelhandel,
aber auch die Fleischtheke im Super-
markt ist nicht der größte Umsatzbringer
und gehört trotzdem zum Einkauf dazu.
Damit der Lieferservice von Rewe im Kon-
kurrenzkampf mit Online-Schwergewich-
ten wie Amazon bestehen kann, setzt der
Händler mit Commercetools auf eine digi-
tale Plattform, auf der die App und die Sei-

te des Lieferdienstes aufgebaut ist. Entwi-
ckelt wurde Commercetools in München
vor 13 Jahren, Rewe hat mit seiner Digital-
tochtergesellschaft das Start-up im Jahr
2014 komplett gekauft. Denn was für die
eigene Plattform funktioniert, kann auch
als Geschäftsmodell für andere taugen.
Der Online-Handel nimmt schließlich in
allen Branchen stark zu.
Inzwischen zählen Unternehmen wie
Audi, Carhartt oder Hasbro zu den Kun-
den von Commercetools. Das lockt nam-
hafte Investoren an. So verkündete Rewe
am Montag, dass der Risikokapitalgeber
Insight Partners 130 Millionen Euro in
Commercetools steckt. Insight Partners
hat schon in den Kochboxenversender
Hello Fresh investiert und ist außerdem
an der E-Commerce-Plattform Shopify
und an dem Essenslieferdienst Delivery
Hero beteiligt.
130 Millionen Euro sind als Invest-
ment in Deutschland noch selten, wenn-
gleich die investierten Summen auch in
der hiesigen Start-up-Welt im Schnitt im-

mer größer werden. So hatte die japani-
sche Softbank-Gruppe mit einem Invest-
ment von 460 Millionen Euro für die Ge-
brauchtwagenplattform Auto1 vor knapp
zwei Jahren eine Schallgrenze durchbro-
chen. Das frische Kapital für Commerce-
tools ist aber auch deshalb bemerkens-
wert, weil die Tochtergesellschaft von
Rewe durch die Investition deutlich wert-
voller werden dürfte. Das wiederum ist in
der deutschen Handels-Branche eher sel-
ten.
Rewe hatte laut dem Geschäftsbericht
von 2014 mit 6,5 Millionen Euro eine aus
heutigem Blick recht übersichtliche Sum-
me für das Münchener Start-up gezahlt.
Später schoss Rewe Digital noch einmal
weitere 17 Millionen Euro für das Wachs-
tum nach. Doch nun macht die Plattform
mit dem Einstieg der Amerikaner von In-
sight Partners einen großen Schritt nach
vorne. Wie groß der Anteil von Rewe
nach dieser Investition ist, will das Unter-
nehmen auf Nachfrage nicht verraten. Im
Handelsregister ist die neue Gesellschaf-

terstruktur auch noch nicht hinterlegt.
Klar ist, dass Rewe Digital Gesellschafter
und Investor bleiben soll, Insidern zufol-
ge könnte der Anteil weiterhin bei etwa
40 Prozent liegen. Die Bewertung von
Commercetools soll nach der Finanzie-
rungsrunde nach Angaben des Fachpor-
tals Techcrunch etwa bei 300 Millionen
Dollar liegen.
„Die Höhe dieser Finanzierung bringt
uns unserem Ziel, eine weltweit führende
Commerce-Plattform zu werden, einen
entscheidenden Schritt näher“, lässt sich
Dirk Hoerig, der Vorstandsvorsitzende
und Mitgründer von Commercetools, in
einer Mitteilung zitieren. Durch die Inves-
tition könne nun vor allem das Wachstum
in Nordamerika und im Asien-Pazifik-
Raum beschleunigt werden. In Singapur
hat das Unternehmen zuletzt ein Büro er-
öffnet, neben den klassischen Standorten
München und Berlin ist Commercetools
in Deutschland aber auch in Jena zu fin-
den. Insgesamt arbeiten gut 190 Mitarbei-
ter für das Unternehmen.

WOLFSBURG, 21. Oktober


V


olkswagen-Vorstand Christian
Senger hat große Probleme. Im
März ist er mit Mitte 40 erster
Vorstand in einem deutschen Au-
tomobilunternehmen geworden, der al-
lein die Vernetzung des Autos und die
Software verantwortet. Er begann im Vor-
stand der Marke VW in Wolfsburg als „Kö-
nig ohne Land“ und ohne konkrete Zu-
ständigkeiten. Das ändert sich nun ra-
sant. „Die Organisation übernimmt be-
reits jetzt immer mehr Projektverantwor-
tung“, sagte Softwarevorstand Senger im
Gespräch mit der F.A.Z. über die Soft-
ware-Einheit „Sie wird mit einem eige-
nen Budget ausgestattet und eine eigene
Produkt-Roadmap führen.“
Perspektivisch sieht er die Software-
Einheit im Volkswagen-Konzern als eige-
ne Marke, auf Augenhöhe mit den ande-
ren Konzernmarken VW, Audi, Porsche,
Skoda oder Seat. „Für die Software-Orga-
nisation streben wir eine größtmögliche
Eigenständigkeit an“, sagte Senger. „Per-
spektivisch wollen wir sie zum Technolo-
giepartner unserer Marken aufbauen.“
Mit rund 500 Software-Fachleuten in ei-
ner, wie es bei VW heißt, „agilen Soft-
ware-Einheit“ hat Senger im Frühjahr be-
gonnen, bis 2025 will der Wolfsburger
Konzern mehr als 5000 Digital-Fachleute
unter seiner Führung bündeln.
Als Software-Vorstand gehört er zur
Führung der Kernmarke VW, soll das ver-
netzte Auto aber für den ganzen Konzern
entwickeln. Im Sommer hat das Unterneh-
men am Berliner Alexanderplatz seinen
„We Campus“ eröffnet – die Keimzelle
der Einheit. 900 Fachleute sollen hier am
vernetzen Auto arbeiten. „Ein bisschen Si-
licon Valley können wir hier auch“, sagte
Senger zur Eröffnung. „Wir machen Soft-
ware zur weiteren Kernkompetenz von
Volkswagen“, sagt er heute. „Das ist ein
Kernprodukt, das werden wir nicht länger
in dem Maße wie bislang an Zulieferer
vergeben.“ Das Bild vom Auto als Smart-
phone auf vier Rädern eigne sich deswe-
gen gut als Verbildlichung der rasanten
Veränderung und des Anspruchs, den Sen-
ger und VW sich setzen.
In seinen Premiumfahrzeugen hat der
Konzern derzeit bis zu 70 Steuergeräte,
die mit Software von rund 200 Zuliefe-
rern laufen. „Wir wollen das radikal ver-
schlanken, hin zu einer Architektur mit
nur noch drei leistungsfähigen Rechnern
im Fahrzeug.“ Und die sollen – wie heute
die Smartphones mit ihren Betriebssyste-
men iOS oder Android – mit einem ein-
heitlichen Betriebssystem bespielt wer-
den. Das heißt „vw.os“, und mit dem ers-
ten reinen Elektromodell, dem VW ID.3,

das im kommenden Jahr auf den Markt
kommen soll, beginnt dieses neue Soft-
ware-Zeitalter für Volkswagen.
Mit „vw.os“ will der Konzern ein ein-
heitliches Betriebssystem für alle Kon-
zernfahrzeuge schaffen. Es bildet die tech-
nische Basis in allen Autos, im VW, im
Audi, im Porsche und allen anderen Mar-
ken. So wie der Konzern sich Skalenvor-
teile durch sein Baukastenprinzip in der
Antriebstechnik geschaffen hat, will Kon-
zernchef Herbert Diess auch in der Soft-
ware die Skalenvorteile des Unterneh-
mens nutzen. Für die Wolfsburger ist das
ein Bruch mit der bislang geübten Praxis.
„Es gab im Konzern eine Phase, in der die
Marken zu einem Wettbewerb um die bes-
te Lösung angehalten wurden“, berichtet
Senger. Dahinter habe der Gedanke ge-
steckt, dass sich letztlich im konzerninter-
nen Wettbewerb die beste Lösung durch-
setze, von der am Ende alle profitierten.
Der Haken an der Sache: Bestimmte
Projekte werden mehrfach vorangetrie-
ben, mit hohen Kosten von mehreren Mar-
ken gleichzeitig. „Wir haben heute im Kon-
zern acht unterschiedliche Softwarearchi-

tekturen – verteilt auf fast 11 Millionen
Neufahrzeuge im Jahr“, sagt Senger. „Da-
mit sind sie in der digitalen Welt ein Ni-
schenanbieter.“ Die Konsequenz, die der
Vorstand daraus zog, hat VW-Chef Diess
zum Jahresbeginn auf dem Weltwirt-
schaftsforum in Davos angekündigt: Es
gibt nun einen Software-Vorstand. „Wir
müssen Hardware und Software entkop-
peln und brauchen für alle Konzernmar-
ken eine einheitliche Architektur“, sagt
Senger. Die Größe des Konzern hilft VW
bei den Plänen, digital relevant zu werden.
Software hat keine Stückzahlen. „Mit der
Vereinheitlichung der Software für alle
Marken schaffen wir höchst attraktive Kos-
tenstrukturen“, sagt Senger.
Bis 2025 wollen Diess und Senger
Volkswagen so zu einem „softwaregetrie-
benen Mobilitätsanbieter“ umbauen. Das
Unternehmen hat dabei aber noch einen
langen Weg vor sich. Den Anteil der
selbst entwickelten Software bezifferte
VW im Sommer auf weniger als 10 Pro-
zent. „Das ist deutlich zu wenig.“ VW
strebt an, den Eigenanteil an der Soft-
ware-Entwicklung bis 2025 auf mehr als

60 Prozent zu erhöhen. Obwohl das Unter-
nehmen Fachleute in großer Zahl ein-
stellt und die neue Unternehmenseinheit
mit 50 Prozent der Mitarbeiter in Europa,
rund 30 Prozent in China und 10 Prozent
in den Vereinigten Staaten global auf-
baut, kann Volkswagen allein die ehrgeizi-
gen Ziele nicht erreichen. „Der Schlüssel
des Erfolgs liegt in starken Kooperatio-
nen“, sagt Senger.
Volkswagen und der amerikanische In-
ternetkonzern Microsoft haben für die
Vernetzung des Autos und die Online-An-
gebote für die Kunden Anfang des Jahres
eine enge Zusammenarbeit bei Cloud und
Software vereinbart. Im neuen Entwick-
lungszentrum von VW im amerikani-
schen Seattle arbeiten die Teams beider
Unternehmen schon seit Ende 2018 zu-
sammen. Der ID.3 soll als Erstes von An-
fang an vernetztes Modell die Automo-
tive Cloud von Microsoft nutzen.
Senger zeigt sich zufrieden mit der Zu-
sammenarbeit. „Ich kann eine positive Bi-
lanz ziehen“, sagt er, „wir kommen gut
voran.“ Er räumt ein, dass die großen ame-
rikanischen IT-Plattformen einen enor-
men Vorsprung in der Entwicklung eines
Dienste-Ökosystems haben. Zur Wahr-
heit gehöre aber auch, „dass kein Unter-
nehmen aus der Tech-Branche bislang ein
komplettes Betriebssystem für das Auto
entwickelt hat.“ Das Auto sei doch sehr
komplex. „Versucht wurde es, aber die Un-
ternehmen haben sich dann recht schnell
auf Teilfunktionen wie das Infotainment
zurückgezogen“, sagt Senger.
Autos sind heute fahrende Großrech-
ner. Der VW-Vorstand für Software
macht das anhand einiger Zahlen deut-
lich. Ein VW Touareg habe heute schon
100 Millionen Code-Zeilen, das seien
10-mal so viel wie ein Smartphone und
immer noch fünfmal mehr als ein moder-
ner Düsenjet. „Wir rechnen damit, dass
wir in einigen Jahren einen Umfang von
200 bis 300 Millionen Code-Zeilen haben
werden.“ Software und digitale Funktio-
nalitäten rückten zudem immer stärker in
den Fokus der Kunden. „Das Kundener-
lebnis im Auto wird immer stärker durch
sie bestimmt“, sagt Senger. „Das wird un-
sere Branche deutlich verändern.“
In den Modellen, die in den nächsten
Jahren auf den Markt kommen, werde es
immer mehr Online-Funktionen geben.
„Fragen des Alltags, zum Beispiel die Su-
che nach einem freien Parkplatz oder
eine Ladesäule, werden besser, wenn
man das Fahrzeug explizit kennt“, sagt
Senger. „Solche Funktionen können wir
besser anbieten und ins Fahrzeug und
Smartphone integrieren als der freie
App-Markt.“ 70 bis 80 Prozent der Soft-
ware seien Basisfunktionalitäten wie zum
Beispiel die Abrechnung von Diensten.
Die Software kenne dabei keine Klassen-
unterschiede. Wie in Smartphones werde
im niedrigen Preissegment das gleiche Be-
triebssystem genutzt wie in den Premi-
um-Preisklassen. Darauf aufbauend aber
könnten – ebenfalls wie beim Smart-
phone – die Marken „differenzieren, wo
es möglich und sinnvoll ist“. Das Marken-
erlebnis könne deswegen auf der Basis
der einheitlichen Software-Basis sogar
noch differenzierter werden.

cmu./kön. HAMBURG/MÜNCHEN,



  1. Oktober. Die Verhandlungen haben
    länger gedauert als erwartet. Aber jetzt
    sind sich Senvion und Siemens Gamesa
    einig geworden. Wie beide Windrad-
    unternehmen mitteilten, übernimmt Sie-
    mens Gamesa für 200 Millionen Euro
    das europäische Onshore-Servicege-
    schäft und die Rotorblattfertigung in
    Portugal des insolventen Rivalen. Auch
    Patente für Windtechnik gehören zum
    Paket. Der Vorstandsvorsitzende von
    Senvion, Yves Rannou, zeigte sich er-
    leichtert. „Es war ein langer und steini-
    ger Weg, den wir in einem herausfor-
    dernden Umfeld und mit viel Gegen-
    wind gehen mussten“, sagte er. Der Ver-
    trag mit Siemens Gamesa sei für alle Be-
    teiligten die beste Lösung.
    Senvion hatte nach langem Kampf im
    Frühjahr Insolvenz angemeldet. Für das
    Unternehmen arbeiten global noch
    3500 Mitarbeiter, von denen wohl 2000
    ihre Stelle behalten können. In Deutsch-
    land übernimmt Siemens Gamesa aller-
    dings nur 500 von 1450 Beschäftigten.
    Das sei besser als nichts, lautete am
    Montag das Urteil der IG Metall. „Trotz-
    dem ist es schmerzhaft zu sehen, wie
    mit Senvion ein Pionier der Windkraft-
    branche mit eigener Konstruktion und
    Produktion in Deutschland vom Markt
    verschwindet und Hunderte Beschäftig-
    te ihre Arbeitsplätze verlieren“, sagte
    Bezirksleiter Meinhard Geiken. Für eini-
    ge Sparten, darunter Geschäfte in In-
    dien, laufen noch Gespräche mit Interes-
    senten. Der Rest wird abgewickelt.
    Anfang Oktober waren schon etwa
    270 vom Stellenabbau betroffene Mitar-
    beiter in Transfergesellschaften gewech-
    selt. In den nächsten Monaten sollen
    weitere 600 dazukommen, darunter Be-
    schäftigte aus dem Turbinenwerk in Bre-
    merhaven, das geschlossen wird. Ihr
    Wechsel in die mit Mitteln der Arbeits-
    agentur und des Unternehmens ausge-
    stattete Transfergesellschaft stehe zwar
    noch unter Finanzierungsvorbehalt, sag-


te Geiken. Dieser könne aber durch die
Einigung mit Siemens Gamesa bald fal-
len. Um die Lage der Betroffenen weiter
zu verbessern, spreche die Gewerk-
schaft mit Bremen, Hamburg und Schles-
wig-Holstein darüber, die Laufzeit der
Transfergesellschaft von aktuell vier Mo-
naten zu verlängern.
Siemens Gamesa kann mit dem Zu-
kauf sein Servicegeschäft um Anlagen,
die das Unternehmen wartet, mit einer
Leistung von 8,9 Gigawatt auf nahezu
69 Gigawatt ausbauen. Das Werk in Por-
tugal helfe, die Abhängigkeit von Liefe-
ranten in Asien zu senken, sagte der Vor-
standsvorsitzende Markus Tacke. Damit
reduziere der Konzern, der im April
2017 aus einer Fusion von Siemens
Wind Power und Gamesa hervorgegan-
gen war und zu 59 Prozent Siemens ge-
hört, auch „die Auswirkungen aktuell vo-
latiler Handelsbedingungen“. Überdies
habe Siemens Gamesa das Recht erhal-
ten, die Marke Senvion zu nutzen. Ob
und in welchen Geschäftsteilen das eine
Option sei, ließ Tacke am Montag offen.
Siemens Gamesa beschäftigt rund
25 000 Mitarbeiter und hat zuletzt
9,1 Milliarden Euro umgesetzt, befindet
sich aber selbst in einer schwierigen
Lage. Die vor zweieinhalb Jahren gestar-
tete Integration der Windenergiege-
schäfte des deutschen Technologiekon-
zerns mit der spanischen Gamesa ist
noch in vollem Gange. Hinzu kommt Ge-
genwind in vielen Märkten, der alle Her-
steller trifft. Dass der Konzern in die-
sem Umfeld trotzdem einen Zukauf
wagt, dürfte neben dem niedrigen Preis
auch daran liegen, dass sich vor allem
die Aufträge für Dienstleistungen, War-
tung und Ersatzteile ohne Schwierigkei-
ten in die Länderorganisation einbinden
lassen. Vor allem aber sind die Services
hoch attraktiv und werfen hohe Rendi-
ten ab. So hatte Siemens Gamesa 2018
im Servicegeschäft eine Marge von
knapp 24 Prozent erreicht.(Kommentar
Seite 22.)

joja.DÜSSELDORF, 21. Oktober. In der
geplanten Übernahme von Lekkerland
hat der HandelskonzernRewein Öster-
reich einen Rückschlag erlitten. Die öster-
reichische Bundeswettbewerbsbehörde
hat die Übernahme des dortigen Ge-
schäfts untersagt. In einem Markttest hat-
ten die Wettbewerbshüter Tankstellen-
shops, Lebensmittelhersteller, Mitbewer-
ber und Verbände zur Wettbewerbssitua-
tion befragt.
Anders als das Bundeskartellamt, das
vor zwei Wochen der Übernahme in
Deutschland zugestimmt hatte, kamen
die Österreicher zum Schluss, dass die
Wettbewerbssituation durch die Übernah-
me gefährdet würde. Deshalb wird das Ge-
schäft in Österreich aus dem Zusammen-
schluss ausgegliedert und verbleibt bei
den bisherigen Anteilseignern. Das sei
auch deshalb möglich, weil Lekkerland
Österreich „weitestgehend autark und ins-

besondere unabhängig von Lekkerland
Deutschland geführt wurde“, teilte die
österreichische Wettbewerbsbehörde mit.
„Wir respektieren die Entscheidung der
Bundeswettbewerbsbehörde“, teilte ein
Rewe-Sprecher auf Anfrage mit, das Unter-
nehmen strebe nun an, die Übernahme
bis zum Ende des Jahres abzuschließen.
Für den Handelskonzern war die Absage
von Österreich nur ein kleiner Wermuts-
tropfen, in allen anderen Ländern hatten
die Kölner die Zustimmung der Kartell-
wächter erhalten. Lekkerland hat seinen
Hauptsitz in Frechen nahe Köln und
macht in Deutschland rund 3 Milliarden,
in Europa rund 5 Milliarden Euro Umsatz.
Die 4900 Mitarbeiter sind in sieben Län-
dern unterwegs und beliefern etwa 91 000
Tankstellen, Fast-Food-Restaurants und
andere Abnehmer mit Lebensmitteln und
Tabakwaren. Auch Rewe beliefert seit
2016 Hunderte Aral-Tankstellen.

Ermittlungen gegen Fresenius
Wegen Schmiergeldzahlungen in zahlrei-
chen Ländern müssen sich Verantwortli-
che des Medizintechnikherstellers Frese-
nius Medical Care (FMC) strafrechtli-
chen Ermittlungen stellen. Die Staatsan-
waltschaft Frankfurt bestätigte am Mon-
tag, dass sie gegen mehrere Mitarbeiter
des Dax-Konzerns und gegen Personen
aus dem Umfeld ermittelt. Zu den genau-
en Vorwürfen gab es keine Informatio-
nen. Grundlage ist ein Bericht der ameri-
kanischen Börsenaufsicht, der zahlrei-
che Bestechungsfälle bei der Einrich-
tung von Behandlungszentren für Nieren-
kranke dokumentiert. Zuvor hatten „Süd-
deutsche Zeitung“, NDR und WDR be-
richtet. In Amerika hat FMC sich mit
den Behörden außergerichtlich geeinigt
und 231,7 Millionen Dollar gezahlt. In
Deutschland arbeite man ebenfalls mit
der Justiz zusammen, sagte ein Unterneh-
menssprecher. dpa-AFX

Bauer kauft in Australien zu
Das Medienhaus Bauer Media Group
baut seine Marktposition in Australien
im Magazinbereich aus. Der Konzern
übernimmt für 40 Millionen australische
Dollar (rund 24,5 Millionen Euro) die
Magazinsparte Pacific Magazines des Me-
dienunternehmens Seven West Media
mit Titeln in Australien und Neuseeland,
wie die Unternehmen am Montag mit-
teilten. Dazu gehören zum Beispiel die
Frauenzeitschrift „Marie Claire“ und das
Männermagazin „Men‘s Health“. Das
Geschäft unterliegt noch der kartellbe-
hördlichen Zustimmung. dpa

Just Eat verliert Tempo
Der britische Essens-Lieferdienst Just
Eat wächst deutlich langsamer. Nach-
dem das Unternehmen im Vorjahreszeit-

raum seinen Umsatz um 41 Prozent ge-
steigert hatte, waren es im dritten Quar-
tal dieses Jahres plus 25 Prozent. Damit
lag der Erlös zwischen Juli und Septem-
ber bei knapp 248 Millionen Pfund (
Mio Euro), wie das Unternehmen am
Montag in London mitteilte. Am Aus-
blick für 2019 halten die Briten fest: Sie
erwarten einen Umsatz zwischen 1 Milli-
arde und 1,1 Milliarden Pfund. Das berei-
nigte operative Ergebnis soll auf 185 bis
205 Millionen Pfund steigen. dpa

Deutsche Bahn behält Arriva
Die Deutsche Bahn wird Konzernkrei-
sen zufolge ihre britische Nahverkehrs-
tochter Arriva in diesem Jahr nicht
mehr verkaufen. „Weder ein Börsen-
gang noch der Verkauf an Investoren
wird dieses Jahr noch umzusetzen sein“,
sagten mit den Plänen Vertraute am
Montag. Sowohl das Ringen um den Bre-
xit als auch die vertiefte Prüfung der Ar-
riva-Bücher wirke sich auf den Zeitplan
aus. Zudem sei durch die Ausgabe soge-
nannter Hybrid-Anleihen im Volumen
von zwei Milliarden Euro der Druck auf
die Bahn gesunken, schnell Erlöse einzu-
streichen. Arriva mit Sitz in Großbritan-
nien war im Jahr 2010 von der Bahn ge-
kauft worden. Reuters

BNP steigt bei Allfunds ein
Die französische Bank BNP Paribas will
22,5 Prozent an der Fondsvertriebsplatt-
form Allfunds übernehmen. Die Ver-
tragsvereinbarungen sehen unter ande-
rem vor, dass BNP Allfunds mit der Ver-
waltung von Vertriebsverträgen für
Dritt-Investmentfonds für mehrere Un-
ternehmen der BNP-Gruppe betrauen
wird. Allfunds muss wie andere Vermö-
gensverwalter wegen der steigenden re-
gulatorischen Kosten und des Drucks
auf die Gebühren die Betriebskosten sen-
ken. Reuters

tag.MAINZ, 21. Oktober. Nur fünf Jah-
re nach der spektakulären Übernahme
bereitet die Milliardärsfamilie Rei-
manns wieder die Trennung von der
deutschen Traditionsmarke Wella vor.
Der angeschlagene amerikanische Kos-
metikkonzern Coty – zu 60 Prozent im
Besitz der Reimanns – kündigte am
Montag an, sich im Zuge seines Umbaus
von Geschäftsaktivitäten zu trennen
und so seine Kassen wieder zu füllen
und Schulden abzubauen. Für das soge-
nannte professionelle Beauty-Geschäft
mit den Marken Wella, Clairol und OPI
soll die Investmentbank Credit Suisse
Optionen prüfen, eine Formulierung,
die in aller Regel bedeutet: das Geschäft
steht zum Verkauf. Coty will sich auf Par-
füm, Kosmetik und Hautpflege konzen-
trieren. Die Familienholding JAB stehe
als Mehrheitseigner hinter den Plänen.
Coty hatte vor fünf Jahren dem Dax-
Konzern Henkel die Traditionsmarke
Wella vor der Nase weggeschnappt. Hen-
kel und die bis dato in der Öffentlichkeit
kaum bekannte JAB hatten beide für ein
illustres Portfolio an Kosmetik- und
Haarpflegeprodukten geboten, das der
amerikanische Konsumgüterkonzern
Procter&Gamble damals zum Verkauf

gestellt hatte. In diesem Paket enthalten
war auch die von P&G Jahre zuvor über-
nommene Darmstädter Wella.
Der 12 Milliarden Euro umfassende
Zukauf brachte Coty allerdings kein
Glück. Die Führung der Kosmetikhol-
ding der erfolgsverwöhnten Milliardärs-
familie war nicht in der Lage, die zuge-
kauften Marken zu integrieren. Der Ak-
tienkurs der in New York notierten Coty
fiel über Monate. Zum Jahreswechsel
musste der langjährige Familienvertrau-
te und ehemals von Börsianern hochge-
schätzte Reckitt-Benckiser-Chef Bart
Becht gehen, erst ersetzte ihn die Fami-
lie durch ihren Intimus Peter Harf, weni-
ge Wochen später verließ Becht auch die
Führung der Dachgesellschaft JAB, über
die die Familie fast alle ihre Geschäfte
abwickelt. Im Juli folgte dann das bislang
letzte Kapitel: das neue Coty-Manage-
ment schrieb 3 Milliarden Dollar ab und
kündigte eine umfassende Sanierung an.
Coty beliefert mit seinem „professio-
nelle Beauty-Geschäft“ samt Wella nach
eigenen Angaben etwa 250 000 Friseur-
und Schönheitssalons auf der Welt. Im
vergangen Jahr kam die Sparte auf einen
Umsatz von 2,7 Milliarden Dollar, knapp
30 Prozent der Konzernerlöse.

wvp.WASHINGTON,21. Oktober. Die
juristische Aufarbeitung der Opioid-Kri-
se in den Vereinigten Staaten schreitet
nur langsam voran: Der Pharma-Kon-
zern Teva und drei große Pharmahändler
haben nach übereinstimmenden Medien-
meldungen einen Vergleich geschlossen
mit zwei Landkreisen in Ohio, der zum
Muster für einen überregionalen Ver-
gleich werden könnte. Die Unternehmen
zahlen nach Angaben der Washington
Post an die beiden Landkreise 250 Millio-
nen Dollar.
Ein Versuch des Bundesrichters Dan
Polster allerdings, am Wochenende eine
Einigung zwischen allen Klägern und den
Unternehmen herbeizuführen, scheiterte.
Nahezu alle Bundesstaaten, mehr als
2000 Kommunen, Landkreise, Indianer-
stämme und Hospitäler haben Unterneh-
men verklagt wegen ihrer Mitwirkung an
der Opioid-Krise, der nach offiziellen An-

gaben seit 1999 rund 400 000 Menschen
in Amerika zum Opfer gefallen sind.
Den am lokalen Vergleich teilnehmen-
den Pharmahändlern McKesson, Cardi-
nal Health und AmerisourceBergen, die
90 Prozent der Medikamenten-Distributi-
on in Amerika beherrschen, wird vorge-
worfen, auffällig große Bestellungen der
süchtig machenden Opioide einfach
durchgewunken zu haben. Den Produzen-
ten wird generell vorgehalten, die Sucht-
wirkung des Schmerzmittels systematisch
verschwiegen und damit Patienten in die
tödliche Abhängigkeit gelotst zu haben.
Der Hersteller Purdue Pharma, der im
Zentrum der Krise steht, wirkte nicht an
diesem Vergleich mit. Er hat vor wenigen
Wochen Gläubigerschutz beantragt. Das
Unternehmen soll als Beteiligung einer
öffentlichen Stiftung wiederaufleben und
seine Erträge komplett den Klägern über-
lassen.

Software soll für VW zur eigenen Marke werden


Siemens Gamesa kauft


Teile von Senvion


Rest des insolventen Windradherstellers verschwindet


Digitalplattform von Rewe bekommt 130 Millionen Euro


Commercetools aus München hilft im Online-Handel / Das lockt nun amerikanische Investoren


Rewe scheitert in Österreich


Lekkerland bleibt dort bei den ursprünglichen Eigentümern


Kurze Meldungen


Coty soll sich verkleinern


Reimanns stellen Wella zum Verkauf


Lokaler Vergleich in Opioid-Krise


250 Millionen Dollar für zwei Landkreise


Die Wolfsburger sehen im
vernetzten Auto die Zukunft.
Mit Christian Senger gibt es
einen eigenen Vorstand für
Software. Der weiß, dass er
die ehrgeizigen Pläne nur mit
Partnern umsetzen kann.

Von Carsten Germis


Für das Digitale im Volkswagen:Software-Vorstand Christian Senger Foto Carsten Germis

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