Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.10.2019

(Axel Boer) #1

SEITE 20·DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019·NR. 245 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


N


och hält Katrin Lompscher sich
mit Jubelmeldungen zurück.
Auf dem Nachrichtendienst
Twitter hat sie sich am Freitag
zum letzten Mal zu Wort gemeldet, da hat-
ten sich die Spitzen der rot-rot-grünen
Berliner Landesregierung gerade auf die
Details des geplanten Mietendeckels geei-
nigt. „In den nächsten fünf Jahren muss
kein*e Mieter*in mehr fürchten, wegen
exorbitanter Mietsteigerungen oder ho-
hen Modernisierungsumlagen das Dach
über dem Kopf zu verlieren“, schrieb
Lompscher, die seit drei Jahren für die
Linke Bausenatorin in der Hauptstadt ist.
Den Sturm der Entrüstung, der am Wo-
chenende von Seiten der CDU, FDP und
der Immobilienwirtschaft über den Berli-
ner Senat hinwegfegte, ließ sie unkom-
mentiert, ebenso die schon kursierenden
Beispielrechnungen, welche Miete künf-
tig wo maximal erlaubt sein soll. Alles
Weitere erst an diesem Dienstag, wenn
der Senat das umstrittene Gesetzesvorha-
ben tatsächlich wie geplant beschlossen
hat, hieß es aus Lompschers Büro. Das in-
formierte am Montag lieber über den Bau
der neuen Stadtmission am Zoo.
Die 57 Jahre alte Lompscher erhitzt
wie kein anderes Mitglied der Berliner
Landesregierung die Gemüter. Für Ver-
mieter- und Immobilienverbände ist sie
die Reizfigur Nummer eins. Schließlich
können Wohnungseigentümer in den
kommenden fünf Jahren nur noch in weni-
gen Ausnahmefällen die Miete erhöhen.
Bei einem Mieterwechsel droht ihnen so-
gar, dass sie künftig weniger als die Vor-
miete bekommen. Denn dann gelten die
staatlich festgelegten Obergrenzen.
Mietervertreter dagegen loben Lomp-
scher für ihren Einsatz, wenngleich in ih-
ren Äußerungen immer noch etwas Skep-
sis mitschwingt: Kann das wirklich gelin-
gen, den enormen Anstieg der Mieten in
den vergangenen Jahren zumindest teil-
weise wieder zurückzudrehen? Innerhalb
eines Jahrzehnts haben sich die Neuver-
tragsmieten in der Hauptstadt verdop-
pelt. Mit dieser Steigerungsrate ist Berlin
bundesweit der Spitzenreiter.
Lompscher kennt diese Entwicklung
nur zu gut. Zum einen, weil sie Berlinerin
durch und durch ist, zum anderen, weil
sie sich seit Beginn ihres Berufslebens
mit dem Thema Wohnen beschäftigt.
Lompscher wurde 1962 in Ost-Berlin ge-
boren, wo sie auch aufwuchs. Ende der
siebziger Jahre machte sie eine Ausbil-

dung zur Baufacharbeiterin. Danach stu-
dierte sie an der Hochschule in Weimar
Architektur und Bauwesen. Nach der Ge-
burt ihres Sohnes arbeitete sie als Inge-
nieurin mit Schwerpunkt Städtebau für
die Bauakademie der DDR. Im Zuge der
Wiedervereinigung dann für das Nachfol-
geinstitut für Regionalentwicklung und
Strukturplanung in Berlin.
Lompscher ist nie als Kritikerin des
DDR-Regimes aufgefallen, im Gegenteil:
Damals war sie Mitglied der SED, nach
dem Fall der Mauer engagierte sie sich in
deren Nachfolgepartei PDS. Nach den
Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus
2006 stieg Lompscher zum ersten Mal, in-
zwischen für die Linkspartei, in die Lan-
desregierung auf – damals allerdings fach-
fremd als Senatorin für Gesundheit, Um-
welt und Verbraucherschutz.
Das war womöglich nicht ihre beste be-
rufliche Entscheidung. In Erinnerung ge-
blieben ist aus jener Zeit vor allem ihre
Ankündigung, dass der Besitz von kleine-
ren Mengen Haschisch und Marihuana
straffrei bleiben sollte, was in den Reihen
des Koalitionspartners SPD auf Unver-
ständnis stieß. Mit der Wahl 2011 und der
daraus folgenden Koalition aus SPD und
CDU endete Lompschers erster Ausflug
in die Landesregierung. Sie nutzte den
Schnitt, um sich wieder mehr den The-
men Stadtentwicklung und Bauen zu wid-
men, im entsprechenden Ausschuss des
Abgeordnetenhauses.
Fünf Jahre später dann die Rückkehr
auf die Regierungsbank: Lompscher wur-
de in der seitdem regierenden Koalition
aus SPD, Linken und Grünen Senatorin
für Wohnen und Stadtentwicklung. Ihre
Arbeit in diesem Amt begann allerdings
sogleich mit einem Eklat, einem Macht-
kampf mit dem Regierenden Bürgermeis-
ter Michael Müller (SPD). Grund war,
dass Lompscher den parteilosen Andrej
Holm zu ihrem Staatssekretär gemacht
hatte. Dieser hatte jedoch gegenüber sei-
nem bisherigen Arbeitgeber, der Hum-
boldt-Universität, falsche Angaben zu ei-
ner Tätigkeit für die Staatssicherheit der
DDR gemacht. Lompscher verteidigte
Holm, Müller drängte auf seine Entlas-
sung, wozu es im Januar 2017 dann auch
kam. Die Affäre lastet bis heute auf der
Koalition.
Auch die Diskussion über den Mieten-
deckel brachte die rot-rot-grüne Regie-
rung wieder an den Rand eines Zerwürf-
nisses. Auch wenn der Deckel ursprüng-

lich eine Idee der SPD war, konnte die
sich mit Lompschers Ausgestaltung so
gar nicht anfreunden. Vor allem die ge-
planten Mietsenkungen gelten juristisch
als heikel. Lompscher argumentiert mit
Verweis auf entsprechende Rechtsgutach-
ten, die Berliner Landesregierung könne
das so festlegen. Immobilienverbände ha-
ben Gutachter angeheuert, die genau das
Gegenteil sagen. Sicher ist nur: Es wird
ein juristisches Tauziehen bis vor das Bun-
desverfassungsgericht geben.
Mit 250 neuen Mitarbeitern will Lomp-
scher die Einhaltung des Mietendeckels
kontrollieren. Allein diese hohe Zahl
bringt ihre Kritiker auch schon wieder in

Rage. Ob man diese Mitarbeiter nicht
besser einstellen sollte, um den Neubau
voranzutreiben? Schon seit längerem
wird in der Stadt gespottet, Lompscher
sei eher eine „Bauverhinderungs-Senato-
rin“ als eine Bausenatorin. Die Zahl der
Baugenehmigungen stieg 2018 nicht, son-
dern sank. Auch die im Koalitionsvertrag
vereinbarten Neubauziele der städti-
schen Wohnungsbaugesellschaften sind
in weite Ferne gerückt. So setzt sich der
Eindruck fest, dass Lompscher in ihrem
Amt vor allem die Interessen der alteinge-
sessenen Berliner vertritt, nicht aber die
derer, die auch gern in der Hauptstadt le-
ben würden.^ JULIA LÖHR

Eine Reizfigur


für Vermieter


E


s ist einer dieser Scherze aus der Welt
des Donald Trump, wo die Männer
reich sind und die Frauen das Geld ausge-
ben. „Louis Vuitton hat mich über die Jah-
re viel Geld gekostet“, juxte der amerikani-
sche Präsident vor einigen Tagen über Me-
lanias Vorliebe für die französische Luxus-
marke. Trump sprach zur Eröffnung eines
neuen amerikanischen Produktionsstand-
ortes von Louis Vuitton, neben ihm stand
ein Franzose, der die Klage gerne hörte:
Bernard Arnault, Großaktionär und Vor-
standsvorsitzender des größten Luxuswa-
renkonzerns der Welt,LVMH. Am vergan-
genen Donnerstag war Arnault nach Te-
xas gereist, um in der Nähe von Dallas ein
neues Werk einzuweihen. Der 70 Jahre
alte Arnault, der durch den 190 Milliarden
Euro schweren LVMH-Konzern laut
Bloomberg nach Amazon-Gründer Jeff
Bezos inzwischen der zweitreichste
Mensch der Erde ist, reiste nicht irgend-
wie, sondern in Trumps „Air Force One“.
Auf den ersten Blick verbindet die bei-
den wenig: Hier der polternde und unge-

schliffene Amerikaner, dort der wortkar-
ge, distinguierte Franzose, ausgebildet auf
der französischen Eliteschule Polytechni-
que, der mit einer Konzertpianistin verhei-
ratet und selbst ein talentierter Klavier-
spieler ist. Doch Arnault ist auch ein knall-
harter Geschäftsmann. So wie Trump war
Arnault einst in New York ein Immobilien-
entwickler. Vor der sozialistischen Regie-
rung von François Mitterrand floh er in
den frühen achtziger Jahren in die Verei-
nigten Staaten. Auch wenn er dort nie rich-
tig Tritt fasste, lief er Trump über den
Weg. Als dieser in die Politik einstieg,
nahm Arnault den Kontakt schnell wieder
auf und wurde sogar noch vor dessen
Amtseinführung von ihm empfangen.
Die Nähe zahlt sich aus. Im transatlanti-
schen Streit um die Airbus- und Boeing-
Subventionen haben die Vereinigten Staa-
ten Milliardenzölle für Europa verhängt.
Doch aus dem LVMH-Reich verteuerten
sie nur die Weineinfuhren aus Frankreich


  • ein Randgeschäft des Konzerns. Die
    Amerikaner hätten auch Handtaschen,


Champagner und Cognac treffen können
und damit das Herz von LVMH, genau da-
von sahen sie ab. „Ich habe ihn nicht mit
Zöllen belegt, weil er hier in den Vereinig-
ten Staaten ist“, sagte Trump auf Fragen
der Journalisten und fügte hinzu, dass er
Arnault nicht nur für einen großartigen
Geschäftsmann halte, sondern auch für
„einen Visionär“ und „einen Künstler“.
Mit „Hier sein“ meint Trump die Schaf-
fung amerikanischer Arbeitsplätze.
LVMH fügt seinen zwei Werken in Kalifor-
nien nun einen dritten Standort hinzu.
Derzeit fertigen dort 150 Beschäftigte
sechs Handtaschenmodelle. Leder, Garn
und Nadeln kommen zwar aus Frankreich.
Doch für die Verarbeitung soll die ameri-
kanische Belegschaft in fünf Jahren auf
1000 Personen anwachsen. 50 Millionen
Euro investiert LVMH dafür – keine riesi-
ge Investition, doch sie sichert gute Schlag-
zeilen, nicht zuletzt in Frankreich. Die re-
nommierte französische Wirtschaftszei-
tung „Les Echos“ feierte die Werkseröff-
nung am Freitag auf Seite eins und dann

noch mal an diesem Montag mit einem
großen Foto. Kein Wunder: Dem Multimil-
liardär gehört in seiner Heimat die führen-
de Wirtschaftszeitung und vieles mehr.
Für die transatlantische Expansion
wird Arnaults Beziehungsgeflecht inzwi-
schen auch von den Kindern mitgetragen.
Der 27 Jahre alte Sohn Alexandre, drittäl-
testes seiner fünf Kinder und im LVMH-
Reich unter anderem Chef des deutschen
Kofferherstellers Rimowa, soll Jared
Kushner und Ivanka Trump nahestehen.
Da wurde Trumps Tochter auch verzie-
hen, dass sie in Texas mit einer Handta-
sche vom Konkurrenten Chanel auftauch-
te. In der LVMH-Familie waren indes
nicht alle glücklich über die Trump-Con-
nection. Der Modemacher Nicolas Ghes-
quière, der die Frauenmode von Louis
Vuitton verantwortet, twitterte: „Ich bin
ein Modemacher, der gegen jede politi-
sche Aktion ist und diese Gesellschaft ab-
lehnt. Und er fügte einen Hashtag hinzu:
„Trumpisajoke“, Trump ist ein Witz.
CHRISTIAN SCHUBERT

D


er angeschlagene Modekonzern
Tom Tailortrennt sich von seinem
Vorstandschef Heiko Schäfer und hat
den Nachfolger bei einem Konkurrenten
gefunden. Gernot Lenz, der Tom Tailor
vom 1. November an führen soll, war im
vergangenen Jahr Vorstandschef von
S.Oliver, davor leitete er das operative
Geschäft von Tommy Hilfiger. Lenz kün-
digte in einer Mitteilung an, dass es nun
darum gehe, die Marke im digitalen Han-
del zu stärken und außerdem die Marke
Bonita zu restrukturieren.
An dem Verkauf der Tochtergesell-
schaft war Lenz’ Vorgänger Schäfer im
Juni gescheitert, die Banken hatten ge-
gen den Plan votiert. Der Manager hatte
der angeschlagenen Modekette seit März
2017 einen strikten Sparkurs verordnet.
Zuletzt konnte sich Tom Tailor mit den
Konsortialbanken und dem chinesischen
Großaktionär Fosun auf eine neue Finan-
zierungsstruktur einigen. Die Aufsichts-
ratsvorsitzende und Fosun-Vertreterin
Junyang Shao bezeichnete Lenz als „er-

fahrenen Branchenexperten“, von des-
sen Erfahrungen Tom Tailor profitieren
werde. Bei S.Oliver war Lenz nach zehn
Monaten wegen „unterschiedlicher Auf-
fassungen über die Führung des Unter-
nehmens“, wieder ausgeschieden. joja.

D


er Chemiekonzern BASF tauscht
überraschend seine Führung in
Asien aus. Der geborene Inder Sanjeev
Gandhi, 53 Jahre, der das Geschäft seit
2014 von Hongkong aus leitet, verlässt
das Unternehmen zum Jahresende auf ei-
genen Wunsch, wie es heißt. Eine weite-
re Erklärung für sein Ausscheiden nann-
te das Unternehmen nicht. Auch die übli-
chen Dankesworte fehlten in der Mittei-
lung vom Montag. Gandhis Position soll
der 48 Jahre alte Markus Kamieth über-
nehmen. Der promovierte Chemiker ist
seit 2017 im Vorstand und kümmert sich
seitdem unter anderem um das Geschäft
in Südamerika. Für Gandhi rückt nie-
mand nach, der Vorstand wird um eines
auf sechs Mitglieder verkleinert. Dies sei
Teil der laufenden Effizienzmaßnah-
men, hieß es. Der Wechsel in dürren
Worten ist vor allem deshalb bemerkens-
wert, weil der Konzern erhebliche Inves-
titionen in Asien angekündigt hat. Im chi-
nesischen Guangdong plant BASF einen
gigantischen neuen Verbundstandort.
Nach Angaben einer Sprecherin ändert
Gandhis Abgang an der angekündigten
Asien-Strategie nichts. tag.

Katrin Lompscher Foto EPA


A


uf den designierten Rechtsvorstand
der Deutschen Bank, Stefan Simon,
ist der Gründer des Windparkentwicklers
Windreich, Willi Balz, nicht gut zu spre-
chen. Der 50 Jahre alte Anwalt habe ihn
in eine Sackgasse hinein beraten, sagt
Balz am Montag kurz vor Start der Ver-
nehmung von Simon am Rande der
Hauptverhandlung am Stuttgarter Land-
gericht, das sich um Aufklärung der Insol-
venz von Windreich bemüht. Zu jener
Zeit war der Jurist noch Partner der Wirt-
schaftskanzlei Flick Gocke Schaumburg.
Der Anwalt und sein Team sollten im
Frühjahr und Sommer 2013 Möglichkei-
ten der Restrukturierung des in finanziel-
len Schwierigkeiten steckenden Mittel-
ständlers und der dazugehörigen Unter-
nehmen prüfen.
Die Kanzlei stellte dem Projektentwick-
ler in einem Fall über 1,3 Millionen Euro
für Beratungsleistungen in Rechnung.
Doch das Unternehmen konnte nicht zah-
len. Er habe den Verlauf so nicht erwar-
tet, sagt Simon. Er sehe sich nicht in der
Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähig-
keit durch Balz getäuscht, dem von der

Staatsanwaltschaft in diesem Zusammen-
hang Betrug zur Last gelegt wird. „Meiner
Einschätzung nach war Herr Balz recht of-
fen, wie sich seine wirtschaftliche Situati-
on darstellt.“ Er habe keinen Hehl daraus
gemacht, dass es wirtschaftlich schwierig
sei. Mit diesen Äußerungen entlastet Si-
mon den Angeklagten aus Sicht von Pro-
zessbeteiligten vom Vorwurf des Betrugs.
Der einstige Wirtschaftsanwalt aus
Bonn gibt in seiner Aussage einen Ein-
blick in die Welt der Berater bei schwieri-
gen Restrukturierungen. So habe der Stun-
denlohn in diesem Fall für ihn bei 850
Euro gelegen. Vorkasse und Abschlags-
zahlungen seien in so einem Fall eher sel-
ten. Flick Gocke Schaumburg ließ sich zu-
gleich ein Erfolgshonorar auf Erlöse in
Höhe von einem Prozent zusichern, die
im Zuge der Beratertätigkeit erzielt wer-
den. Die Kanzlei rechnete nach Simons
Worten mit einem höheren sechsstelligen
oder niedrigen siebenstelligen Betrag.
Doch daraus wurde nichts, weil sich
zum damaligen Zeitpunkt kein Investor
fand, Balz beispielsweise durch den Ver-
kauf des fertiggeplanten Windparks MEG

1 finanziell aus der Patsche zu helfen.
MEG 1 wurde erst im Zuge des Insolvenz-
verfahrens veräußert und dann unter dem
Namen Merkur auch gebaut. Windreich
plante, baute und verkaufte Windparks
an Land und vor allem auf See. Das Unter-
nehmen meldete erst im September 2013
Insolvenz an, zuvor hatte es im Frühjahr
eine Durchsuchung bei dem Unterneh-
men gegeben. Nach Auffassung der Staats-
anwaltschaft erfolgte die Insolvenzanmel-
dung viel zu spät.
Neben Balz sitzt auch der frühere ba-
den-württembergische Wirtschaftsminis-
ter Walter Döring (FDP) auf der Anklage-
bank. Döring war von 2010 bis 2012 stell-
vertretender Vorstandsvorsitzender der
Windreich AG. Ihm wird auch in einem
Fall Beteiligung am Betrug vorgeworfen.
Mit Döring habe er nie zu tun gehabt, sagt
Simon, sondern vor allem mit Balz. Döring
hatte in seiner Aussage ebenso wie Balz
die Staatsanwaltschaft angegriffen und de-
ren fehlende Objektivität bemängelt.
Im Zuge der Windreich-Insolvenz verlo-
ren auch viele Kleinanleger Geld. Über
zwei Mittelstandsanleihen waren 125 Mil-

lionen Euro eingeworben worden. Hier
war nach Aussage von Simon auch ange-
dacht, über eine Restrukturierung der bei-
den Bonds die Zinsfälligkeit zu verschie-
ben. Doch dies erwies sich als rechtlich
nicht machbar. Simon schied später bei der
Anwaltskanzlei aus und war dann seit Som-
mer 2016 Mitglied des Aufsichtsrats der
Deutschen Bank. Er gilt als Vertrauter der
qatarischen Herrscherfamilie Al-Thani.
Seit August 2015 hält Qatar über zwei
Investmentvehikel mindestens 6,1, aber
weniger als 10 Prozent an der Deutschen
Bank. Vor Simons Berufung in das Kon-
trollgremium der Deutschen Bank hatte es
heftige Vorwürfe gegen ihn von Seiten des
Windreich-Gründers gegeben. Balz hatte
Simon unter anderem Parteiverrat und ver-
suchte Selbstbereicherung vorgeworfen.
Der Anwalt hatte damals die Vorwürfe zu-
rückgewiesen. Sie seien „falsch und ent-
behrten jeder Grundlage“, hieß es im Jahr


  1. Antragsteller für beide Insolvenzver-
    fahren gegen Windreich und Balz war die
    schweizerische Bank J. Safra Sarasin. Sie
    hatte der Windreich-Gruppe einen Kredit
    über 70 Millionen Euro gewährt. ols.


Trumps französischer Freund aus der Luxuswelt


E


r war das Gegenteil eines dezenten
Bankers im grauen Anzug. Der
Franzose Matthieu Pigasse stand in Pa-
ris für den Drahtseilakt, als Investment-
banker Regierungen und Konzerne zu
beraten und mit eigenem und geliehe-
nem Geld in namhafte Medienunterneh-
men zu investieren. Dieses Doppelleben
ist am Sonntagabend zu Ende gegangen.
Der 51 Jahre alte Franzose hat sein lang-
jähriges Amt bei der Investmentbank La-
zard niedergelegt. Er will sich nun „ei-
nem persönlichen Projekt unternehmeri-
scher Natur zuwenden“, wie er mitteilte.
Pigasse galt früh als Wunderkind der
Finanzwelt. Mit 41 wurde der Absolvent
der Eliteschule ENA Chef des Pariser La-
zard-Büros. 2010 kaufte er mit dem
Telekomunternehmer Xavier Niel und
dem Geschäftsmann Pierre Bergé die
Zeitung „Le Monde“.Für den Kauf soll
er einen Kredit von 26 Millionen Euro
aufgenommen haben. Die Finanzlast
wurde schwer, im vorigen Jahr musste er
die Hälfte seiner Beteiligung dem tsche-
chischen Unternehmer Daniel Kretin-
sky verkaufen. Gerüchte über finanziel-
le Probleme verstummten nicht. chs.

D


ie Geschichte liest sich legendär:
Ein Mann hat einen Unfall, regelt
schnell das Nötigste und hält das nächst-
beste Auto an, um doch noch zu seinem
Termin zu kommen. Die Geschichte ist
legendär – auch wenn sie sich möglicher-
weise nur so ähnlich zugetragen hat. Sie
passt auf alle Fälle bestens in das Bild,
das von Alexander Dibelius in der Öf-
fentlichkeit vorherrscht: Das Geschäft
geht vor. Doch irgendwie ist es ruhiger
geworden um Dibelius, seit er 2015 die
Führung des Deutschland-Geschäfts
von Goldman Sachs abgegeben und
dann beim Finanzinvestor CVC wieder
aufgetaucht ist.
Dibelius war einer der einflussreichs-
ten, wenn nicht gar der einflussreichste
Investmentbanker Deutschlands. Daim-
ler und Chrysler, Vodafone und Mannes-
mann, kaum eine große Transaktion
schien ohne ihn stattfinden zu können;
alle wollten nur den einen als Berater:
Alexander Dibelius. Immerhin von 2004
bis 2015 führte Dibelius die Geschicke
der deutschen Dependance der Gold-
männer. Ursprünglich hatte Dibelius be-
ruflich anderes im Sinn. Mit dem mut-
maßlichen Abiturdurchschnitt von 1,
studierte der gebürtige Münchener zu-
nächst Medizin, spezialisierte sich dabei
auf Chirurgie. Vor allem die Herzchirur-
gie hatte sein Interesse geweckt. Doch
es versiegte. Noch bevor er den Facharzt
abschloss, wechselte Dibelius als Bera-

ter zu McKinsey, wurde dort nach weni-
gen Jahren Partner und ging dann zu
Goldman Sachs. 1998 vertraute man
ihm dort das Geschäft mit Fusionen und
Übernahmen an. Als der heutige Deut-
sche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Ach-
leitner zur Allianz abwanderte, bildete
Dibelius 2002 zusammen mit Wayne
Moore die Doppelspitze in Deutsch-
land. 2004 übernahm er die alleinige
Führung des deutschen Geschäfts.
Seine Hochzeit mit einer Schauspiele-
rin und seine eher späte Vaterschaft
brachte Dibelius wieder zurück in die
Schlagzeilen – gerne auch in die elektro-
nischen wie Twitter oder Instagram. Für
besondere Aufmerksamkeit sorgte ein
Tweet der Gattin, der den nur mit einer
Sporthose bekleideten Dibelius auf ei-
ner Bank in einem Sportstudio zeigt, auf
dem er seine Frau muskelstark hochhebt


  • die Schwangerschaft mit dem zweiten
    gemeinsamen Kind wurde im vergange-
    nen Jahr mit Clips auf der Videoplatt-
    form Youtube begleitet. Dibelius kommt
    bei diesen Auftritten – abgesehen vom
    Bankdrücken – eher im Hintergrund
    vor. Auf seiner eigenen Bühne – dem Ge-
    schäft mit dem An- und Verkauf von Un-
    ternehmen – machte er bei CVC jüngst
    mit den Transaktionen rund um den Uh-
    renhersteller Breitling oder auch dem
    Online-Wettanbieter Tipico von sich re-
    den. Am kommenden Mittwoch wird Di-
    belius 60 Jahre alt. ins.


Tom Tailor findet neuen Chef


Deutsche-Bank-Manager Simon entlastet Windreich-Gründer Balz


BASF tauscht


Asien-Chef aus


Pigasse beendet


seinen Drahtseilakt


ME-"C 8 - " 0 )=;E@+
5 S 9 ?C)=G<S 9 !?@
*&R 2 ECE 99 E 8 'EPP): 3 - ")=
ME-"C 3 - ")=' 3 =
< 8 ;C!P+ 8 @$ 8 @+:)= 8 '
NNNFCE 8 )@ 9 N 8 =';P)"=)F-?A
I) 8 ')= 9 :E 8 )@ 9 N 8 =';P)"=)
(,F< 8 'PFI 8 =#&B
((()? 1 $; 07 $;<;#!)$#'

*#() %&!+'$"
,+ ;9 : 92 +8 4+ ;9# , 2+ 4+ : 8 ;; 2+ ;+
*5('31$ 0-6!<-!7/!--<.&.!%)"!

K?")H!@;)@;-"[email protected] 12 %
((()% 1 $;> 1 %= 8 =@<*" 1 > 2 @;@%)"@

/ 9. 35 A 539 ,+ 6 - 54
7 E;@) 8 ): 8 - " 6 ?@
:); 9 ;)PP)=G< 89 ?=JEL 599 )
")+'+(#!*),+)$$)%&
((()(@ 2 :<&<:@'$> 1 <;)"@

/!=P!)C)@ 4 )=P)@F 7 !=)S 9 !A>?= 9 E 8 ;
+)@K)=S 8 @' 9 ;PQ@+)=@%
$ 128 << 8 )"@

Geschäftsverbindungen Bücher / Antiquariate


Verschiedenes


Kapitalanlagen


Gestalten und schalten Sie Ihre Anzeige
ganz einfach online:faz.net/Internetfavoriten

Internetfavoriten


Schmuck und Uhren


Alexander Dibelius


60 Jahre


Gernot Lenz Foto Brauer


Die Linken-Politikerin Katrin Lompscher verteidigt


ihren Mietendeckel gegen alle Kritik – auch aus den


Reihen des Koalitionspartners SPD. Ihre Erfolgs-


bilanz beim Thema Neubau sieht weniger gut aus.


MENSCHEN& WIRTSCHAFT

Free download pdf