Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.10.2019

(Axel Boer) #1

SEITE 22·DIENSTAG, 22. OKTOBER 2019·NR. 245 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


G


ünstig ist der angekündigte Zu-
kauf des Göttinger Laborausrüs-
ters Sartorius nicht: Rund 750 Millio-
nen Dollar in bar will das M-Dax-Unter-
nehmen für Geschäftsbereiche des ame-
rikanischen Konkurrenten Danaher auf
den Tisch legen, die zusammen im ver-
gangenen Jahr gerade einmal rund 140
Millionen Dollar erwirtschaftet haben.
Auch ein Vergleich zu Sartorius’ eige-
nem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro
im vergangenen Jahr zeigt die Größen-
ordnung der geplanten Transaktion. Al-
lerdings dürfte es für Sartorius dennoch
eine günstige Gelegenheit sein: Dana-
her muss diese Bereiche aus kartell-
rechtlichen Gründen abtreten, weil das
Unternehmen selbst General Electrics
Biopharma-Geschäft kaufen will. Vor
allem aber ergänzen diese Technolo-
gien gut das eigene Geschäft der Göttin-
ger. Dabei geht es insbesondere auch
darum, bioanalytische Prozesse in der
Wirkstoffforschung zu beschleunigen,
so dass neue Arzneien schneller auf den
Markt kommen und damit günstiger in
der Entwicklung sind. Für forschende
Pharmaunternehmen, die Milliarden in
Forschung investieren, sind solche Tech-
nologien dementsprechend wertvoll.
Gerade sogenannte biopharmazeuti-
sche Arzneien, die auf Mikroorganis-
men basieren, nehmen anteilig zu, vor
allem in der so bedeutenden Krebsmedi-
zin. Sie brauchen allerdings auch viele
Versuche im Labor – für die Sartorius
nun noch mehr Technologien anbietet.

S

cheitert ein Unternehmen mit ei-
ner Offerte für ein anderes, muss
es ein Jahr warten bis zum nächsten
Versuch. Der entsprechende Para-
graph im Übernahmegesetz soll Unter-
nehmen vor ständiger Unsicherheit
schützen, nachdem ein Interessent ein-
mal ins Leere gelaufen ist. Im Prinzip.
Denn wie so oft gibt es Schlupflöcher.
Bieter können zum einen bei der Fi-
nanzaufsicht Bafin Befreiung von der
Sperrfrist beantragen – wenn sie den
Vorstand des Zielunternehmens dazu
bewegen, das zu befürworten. Diese
Klausel wurde der Öffentlichkeit be-
wusst, als Finanzinvestoren sie vor gut
zwei Jahren im Ringen um den Pharma-
konzern Stada nutzten. Die Bafin
stimmte zu. Zum anderen führt jetzt
der österreichische Sensorhersteller
AMS einen Kniff vor, der unter Juris-
ten zwar bekannt ist, aber in einer gro-
ßen Übernahme noch nicht genutzt
wurde. AMS führt einfach eine neue
Bietergesellschaft ins Rennen: die
„AMS Offer GmbH“ statt der „Opal
Bidco“. Das mag man als Umgehung
betrachten, als Trickserei. Aber viel-
leicht schlägt man dann den Sack und
meint den Esel. Das Übernahmegesetz
berücksichtigt an vielen Stellen außer
dem Bieter auch mögliche Verbündete
von ihm – im entscheidenden Sperr-
fristparagraphen aber nicht. Absicht
oder schlicht ein Versehen? Die zentra-
le Frage richtet sich nicht an AMS, son-
dern ans Bundesfinanzministerium.

FRANKFURT, 21. Oktober


D


ie neuerliche Übernahmeofferte
von AMS für den Lichtkonzern Os-
ram liefert auch einen interes-
santen Fall für die Lehrbücher: Es ist die
erste große Übernahme, in welcher der
Bieter über den Kniff einer Tochtergesell-
schaft die gesetzliche Sperrfrist für einen
zweite Anlauf umgeht. Ganz beispiellos
ist das Vorgehen indes nicht, wie ein klei-
nerer Fall zeigt, der sich um den Pharma-
konzern Biofrontera drehte.
Der österreichische Chip- und Sensor-
hersteller AMS hatte Ende vergangener
Woche einen neuen Anlauf zur Übernah-
me Osrams gemacht; der erste Versuch
war daran gescheitert, dass der Bieter
nicht die geforderte Anzahl an Aktien an-
gedient bekommen hatte. Der Preis von
41 Euro je Aktie, entsprechend 4,6 Milli-
arden Euro, bleibt in der neuen Offerte
unverändert. Der Bieter senkte aber
nochmals die Annahmeschwelle, näm-
lich von zuletzt 62,5 Prozent auf jetzt


noch 55 Prozent. Rund ein Fünftel der
Aktien hat AMS inzwischen am Markt
aufgekauft. An Osram interessiert war
auch der Finanzinvestor Bain Capital:
erst zusammen mit den Private-Equity-
Kollegen von Carlyle, später mit jenen
von Advent.
Normalerweise muss ein einmal ge-
scheiterter Bieter ein Jahr lang warten, be-
vor er ein neues Angebot abgeben kann –
es sei denn, er bekommt vom Manage-
ment des Übernahmekandidaten eine
Freigabe; dann kann er einen Ausnahme-
antrag bei der Bundesanstalt für Finanz-
dienstleistungsaufsicht (Bafin) stellen.
AMS behalf sich nun mit einem forma-
len Kniff. Das Unternehmen schickte
eine neue Bietergesellschaft als Invest-
mentvehikel ins Feld, „AMS Offer
GmbH“ genannt, statt zuvor die „Opal
BidCo GmbH“. Der Gesetzgeber hat zwar
formale Verbündete eines Bieters durch-
aus im Auge: Im Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz (WpÜG) fällt daher im-

mer wieder der Begriff der „gemeinsam
handelnden Personen“. Das sind „natürli-
che oder juristische Personen, die ihr Ver-
halten im Hinblick auf ihren Erwerb von
Wertpapieren der Zielgesellschaft oder
ihre Ausübung von Stimmrechten aus Ak-
tien der Zielgesellschaft mit dem Bieter
auf Grund einer Vereinbarung oder in
sonstiger Weise abstimmen“.
Aber: Im Paragraphen 26 mit der Sperr-
frist ist von ihnen keine Rede, nur der
„Bieter“ ist dort erwähnt. Ob dahinter
eine Absicht steckt oder es sich um ein
Versehen handelt, ist unklar. Auf eine am
Montag gestellte, entsprechende Anfrage
der F.A.Z. an das Bundesfinanzministeri-
um lag bis zum Abend keine Antwort vor.
Die Bafin in Bonn kann aufgrund der jet-
zigen Situation das Vorgehen von AMS
nach eigenem Bekunden nicht untersa-
gen.
Im Bericht der Aufsichtsbehörde von
2018 ist ein anderer Fall nachzulesen, in
dem der Bieter eine neue Tochtergesell-

schaft ins Feld führt: der besagte Fall um
die Pharmagesellschaft Biofrontera. Die
Deutsche Balaton AG gab ein Teil-
erwerbsangebot bekannt, wollte bis zu
6,25 Millionen Biofrontera-Aktien erwer-
ben. Weil die Offerte als Komponente ei-
nen Optionsschein enthielt, der die pro-
spektrechtlichen Vorgaben nicht erfüllte,
untersagte die Bafin das Angebot. „Noch
am selben Tag erklärte die Deutsche Bala-
tonBiotech AG, eine 100-prozentige Toch-
tergesellschaft der Deutschen Balaton
AG, sie werde ein inhaltlich gleiches Teil-
erwerbsangebot unterbreiten“, schreibt
die Bafin im Jahresbericht.
Diese Offerte ist zwar von Spezialisten
beachtet worden, jedoch kaum in der Öf-
fentlichkeit. Anders ein Fall, in dem die
Bieter die Ausnahmeregelung über die
Zustimmung des Vorstands nutzten: Es
ging um den PharmakonzernStadaund
damit ebenso wie jetzt bei Osram um ei-
nen M-Dax-Konzern, denn ein solcher
war das Unternehmen aus Bad Vilbel da-

mals noch. Mit dabei im Übernahme-
kampf auch damals: Bain Capital, da-
mals im Tandem mit der Beteiligungs-
gesellschaft Cinven. Beide scheiterten
mit ihrem ersten Übernahmeversuch, hät-
ten also normalerweise ein Jahr warten
müssen bis zum zweiten Anlauf. Doch
dann erwirkte das Duo die Ausnahmere-
gelung, indem es den Stada-Vorstand um
Zustimmung bat. Den entsprechenden
Antrag genehmigte dann die Bafin.
Anders als jetzt AMS im Fall Osram er-
höhten Bain Capital und Cinven den ange-
botenen Preis leicht. Wie AMS senkten
sie außerdem die Mindestschwelle für an-
gediente Aktien. Sie führten zudem Vorge-
spräche mit Aktionären – bauten also
mehrere Sicherheitsvorrichtungen ein,
um nicht noch einmal zu scheitern. AMS
war im Ringen um Osram zunächst mit
eine Mindestannahmequote von 75 ins
Rennen gegangen, senkte die dann in ei-
nem ersten Schritt auf 62,5 Prozent, schei-
terte damit aber.

Schlupflöcher


Von Klaus Max Smolka


MÜNCHEN,21. Oktober


E


s ist wohl eine vertrauensbildende
Maßnahme, zu der sich der Wire-
card-Konzern zum Wochenauftakt
genötigt fühlte. Jedenfalls entschied sich
der Münchner Zahlungsabwickler für eine
externe Überprüfung der gravierenden Bi-
lanzfälschungsvorwürfe, die in der vori-
gen Woche abermals von der britischen
Wirtschaftszeitung „Financial Times“ er-
hoben worden waren. Vorstand und Auf-
sichtsrat hätten sich entschlossen, die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG
mit einer unabhängigen Untersuchung zu
beauftragen, teilteWirecardam Montag
mit. Ziel sei es, alle Vorwürfe „umfassend
und unabhängig“ aufzuklären. KPMG
wird damit auch die Arbeit von EY (vor-
mals Ernst & Young) begutachten, dem
langjährigen Konzernabschlussprüfer von
Wirecard, dem die „FT“ unterstellt hatte,
sich vom Unternehmen hinters Licht füh-
ren zu lassen.
Das Schaffen von Transparenz in den
Bilanzierungsmethoden, so muss der Prü-
fungsauftrag an KPMG angesichts der
schweren „FT“-Vorwürfe zu verstehen
sein, kam an der Börse gut an. Mit einem
Kursplus von 7 Prozent war die Aktie des
Dax-Neulings Spitzenreiter im Eliteseg-
ment der Deutschen Börse. Analysten be-
grüßten den Schritt von Wirecard. „Die
zusätzliche unabhängige KPMG-Prüfung
sollte etwas Vertrauen zurückgeben“, er-
klärte etwa Harald Schnitzer von der DZ
Bank.
Allerdings war die Beauftragung von
KPMG im Aufsichtsrat des Dax-Konzerns
zuvor kontrovers diskutiert worden. Nach
Informationen der F.A.Z. war Vorstands-
chef Markus Braun von Anfang an dafür,
stieß bei einigen Kontrolleuren jedoch auf
Ablehnung. Es wirke wie ein Schuldeinge-
ständnis, jetzt noch einmal die Pferde zu
wechseln. Auch stehe die Reputation von
EY auf dem Spiel, wenn bereits abgesegne-
te Bilanzen extern überprüft würden, sag-
ten kritische Stimmen. Wirecard-Auf-
sichtsratschef Wulf Mathias hatte zuvor ge-
genüber der „FT“ erklärt, für eine Sonder-
prüfung bestehe kein Grund. Wenige Stun-
den später folgte die Kehrtwende. „Wir ha-
ben volles Vertrauen in die bisherigen Prü-
fungshandlungen und deren Ergebnisse“,


sagte Mathias. „Wir gehen davon aus, dass
die erneute unabhängige Prüfung dazu
führt, alle weiteren Spekulationen endgül-
tig zu beenden.“ Und Vorstandschef
Braun gab sich überzeugt, „dass durch die
unabhängige Untersuchung das Vertrauen
in unser Geschäft gestärkt wird“.
Die Komplexität des Wirecard-Ge-
schäfts, Zahlungen rund um den Globus
abzuwickeln und in diversen Ländern
Partnerfirmen damit zu beauftragen, darf
getrost als Ursache für das Grundpro-
blem des erst vor 20 Jahren gegründeten
Unternehmens gesehen werden. So hiel-
ten es selbst Fachleute für plausibel, dass
2016 rund die Hälfte des Wirecard-Vor-
steuergewinns über ein Partnerunterneh-
men aus Dubai namens Al Alam erzielt
worden sei – das hatte die „FT“ in ihrem
jüngsten Artikel zu Wirecard behauptet
und obendrein Zweifel an der Identität
von Wirecard-Kunden geschürt. Von 34
Kunden, deren Geschäfte laut zugespiel-

ten Dokumenten über die Plattform des
Wirecard-Partners abgewickelt wurden,
habe beinahe jeder zweite den Namen Al
Alam nie gehört. Andere Konten seien be-
reits seit Jahren aufgelöst oder unauffind-
bar, hatte die „FT“ berichtet – und den
Kurs der Wirecard-Aktie auf Talfahrt ge-
schickt. Rund 4 Milliarden Euro Börsen-
wert wurden so an einem Tag vernichtet.
Zwar hatte Wirecard die Berichterstat-
tung der „FT“ umgehend als „falsch und
verleumderisch“ dementiert. Aber erst
am Folgetag legte das Unternehmen mit
einer detaillierten Erklärung der eigenen
Geschäftsmethoden nach. Demzufolge be-
zeichneten die 34 Namen sogenannte
Kundencluster mit Hunderten Händlern,
die nur für Berichtszwecke erstellt wür-
den – und keinesfalls Einzelunterneh-
men. Die Schlussfolgerungen der Zeitung
seien „nicht korrekt“.
In der Diskussion über das Für und Wi-
der einer externen Sonderprüfung soll es

dem Vernehmen nach Wirecard-Chef
Braun gewesen sein, der auf die Bestel-
lung eines Prüfers gedrungen hat. Der 50
Jahre alte Manager wolle „ein für alle Mal
Klarheit“ haben, um nicht weiter von der
„FT“ mit neuen Unterstellungen in die De-
fensive gedrängt zu werden. Tatsächlich
handelte es sich beim jüngsten Vorwurf,
bei der Prüfung der Bücher in Dubai sei
nicht alles mit rechten Dingen zugegan-
gen, um eher Altbekanntes.
Vor zwei Wochen hatte der Wirecard-Fi-
nanzvorstand Alexander von Knoop auf ei-
ner Kapitalmarktveranstaltung in New
York erklärt, die Gesellschaft in Dubai sei
wie vorgeschrieben im Rahmen der Kon-
zernbuchprüfung kontrolliert worden. Die
„FT“ hat Wirecard seit Jahresanfang im-
mer wieder ins Visier genommen und
mehrfach dubioser Bilanzierungsprakti-
ken bezichtigt. Regelmäßig lösten die Be-
richte Kursstürze der Aktie aus, weil offen-
kundig Spekulanten auf fallende Kurse wet-

teten. Die Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (Bafin) sieht nach eige-
nen Recherchen einen Zusammenhang
zwischen der Berichterstattung der „FT“
und den Kurskapriolen der Wirecard-Ak-
tie. Im Frühjahr erstattete die Bafin Anzei-
ge wegen des Verdachts der Marktmanipu-
lation bei der Münchner Staatsanwalt-
schaft. Die Strafverfolger ermitteln ohne-
dies seit einigen Monaten gegen den „FT“-
Journalisten und Autor der umstrittenen
Artikel Dan McCrum wegen Vergehens
nach dem Wertpapierhandelsgesetz.
All diese Verfahren dürften vermutlich
noch mehr Zeit in Anspruch nehmen als
die jetzt angestoßene Sonderprüfung.
Letztere wird Thomas Eichelmann, Vor-
sitzender des Prüfungsausschusses im
Aufsichtsrat und früherer Vorstand der
Deutsche Börse AG, begleiten. Das neue
Mandat für einen anderen Prüfer solle
dem externen Prüfbericht die größtmögli-
che Glaubwürdigkeit verleihen, hieß es.

Günstige Gelegenheit


Von Ilka Kopplin


E


s ist bitter, wie eine Armada aus
wechselnden Managern, Beratern
und Investoren den Windanlagenher-
steller Senvion ruiniert hat. Vom einsti-
gen Windradpionier, der vielen an
Energiethemen interessierten Deut-
schen als Repower Systems ein Begriff
war, hatte sich das Unternehmen erst
zum Krisenfall und schließlich zum
Pleitier ohne Hoffnung auf Fortbe-
stand entwickelt. Natürlich hat der Nie-
dergang auch mit politischen Entschei-
dungen zu tun. Besonders der Be-
schluss vor einigen Jahren, den Aus-
bau der Offshore-Windenergie hierzu-
lande zu bremsen, hat das Unterneh-
men hart getroffen. Die daraufhin un-
ter dem Finanzinvestor Centerbridge
beschleunigte Internationalisierung,
die der frühere Schaeffler-Manager Jür-
gen Geißinger steuern sollte, ging aber
derart daneben, dass man sich fragt,
wie eine Gruppe aus erfahrenen Füh-
rungskräften und Private-Equity-Fach-
leuten in dieser Form versagen kann.
Jetzt schnappt sich Siemens Gamesa
die besten Teile des Konzerns. Der
Rest wird abgewickelt, was für die von
Turbulenzen gebeutelte Branche zu-
mindest eine Konsolidierung bedeutet.
Gut möglich, dass weitere kleine und
größere Anbieter folgen und in den Ab-
grund rutschen. Gerade in Deutsch-
land haben etliche Unternehmen noch
nicht gelernt, in einem Umfeld ohne
die hohen Subventionen der Vergan-
genheit rentabel zu arbeiten.

Undurchsichtige Geschäfte?Wirecard verspricht Investoren mehr Transparenz in eigener Sache. Foto dpa


FRANKFURT, 21. Oktober


P


rozesse zu verbessern, darum ging
es schon Gründer Florenz Sartori-
us, als er sich im Jahr1870 in Göttin-
gen mit einer feinmechanischen Werkstatt
selbständig gemacht hat, in der er an be-
stimmten Waagen tüftelte, die das Wiegen
von kleinen Substanzen schneller und we-
niger aufwendig gestalten sollten. Darum
geht es heute, rund 150 Jahre später, im
Kern immer noch, auch wenn das mehr
als 8000 Mitarbeiter starke Unternehmen
mittlerweile alle möglichen Laborinstru-
mente wie beispielsweise Fermenter und
Membrane herstellt.
Das zeigt auch die jüngste Ankündi-
gung vom Montag, sich für rund 750 Mil-
lionen Dollar in bar Teile des Geschäfts
des amerikanischen Konkurrenten Dana-
her zukaufen zu wollen. Zum Vergleich:
Im vergangenen Jahr erzielten die Göttin-
ger einen Umsatz von knapp 1,6 Milliar-
den Euro. Geräte und Technologien von
Sartoriuswerden in der Forschung, Ent-


wicklung und auch in der Produktion bio-
pharmazeutisch, also nicht chemisch her-
gestellter Arzneien gebraucht.
Das zum Kauf stehende Danaher-Port-
folio mit rund 300 Mitarbeitern auf der
Welt ergänzt die Sartorius-Technologien
dabei in vielen Bereichen. Rund 140 Mil-
lionen Dollar Umsatz hat Danaher damit
im vergangenen Jahr gemacht und zwei-
stellige operative Gewinnmargen erzielt.
Die Transaktion soll im ersten Quartal
kommenden Jahres abgeschlossen wer-
den. Neben den üblichen behördlichen Ge-
nehmigungen steht der Zukauf in diesem
Fall noch unter der Bedingung, dass Dana-
her den eigenen Zukauf des Biopharma-
Geschäfts des Industriekonglomerats Ge-
neral Electric erfolgreich abschließt. Aus
kartellrechtlichen Gründen trennt sich Da-
naher deshalb von den drei Geschäftsbe-
reichen, die an Sartorius übergehen sol-
len. Das Portfolio „passt strategisch her-
vorragend zu Sartorius“, sagte Sartorius-
Vorstandschef Joachim Kreuzburg.

Dabei geht es im Detail um drei Berei-
che. Das sogenannte Forté-Bio-Geschäft
der Amerikaner ist dabei der größte Part,
trägt rund die Hälfte des dann zugekauf-
ten Umsatzes bei und beschäftigt rund
200 Mitarbeiter auf der Welt, in Werken in
Amerika und China. Die Instrumente wer-
den dabei vor allem in der Wirkstofffor-
schung gebraucht. Es sind beispielsweise
Geräte, um Proteine zu analysieren. Da
Medikamente immer personalisierter,
also auf den jeweiligen Patienten zuge-
schnitten werden, hat sich auch die For-
schung mit Hilfe neuer Technologien und
Programme weiterentwickelt. Es geht
auch darum, frühzeitiger aussichtsreiche
Wirkstoffkandidaten zu erkennen, um die-
se dann weiterzuentwickeln. Bis eine neue
Arznei auf den Markt kommt, dauert es
schließlich mittlerweile zwischen zehn
und 15 Jahre und verschlingt rund 1,5 Mil-
liarden Euro an Kosten.
Die nun hinzukommenden Technolo-
gien ergänzen sich deshalb gut mit dem

Sartorius-Portfolio zur Zellanalyse. So hat-
ten die Göttinger vor ein paar Jahren die
Unternehmen Intellicyt und Essen Biosci-
ence hinzugekauft – und damit Technolo-
gien, um Analyseschritte zu verkürzen
und Erfolgsaussichten von Wirkstoffen

schneller bewerten zu können. Es geht dar-
um, Versuche in der Forschung zu be-
schleunigen und zu verbessern.
Der zweite Bereich, den Satorius von
Danaher übernimmt, sind sogenannte
Chromatographie-Systeme, die bestimm-
te Trennverfahren in der Aufarbeitung
von Zellkulturen bieten und für die Pro-
duktion der Arzneien gebraucht werden.
Das dritte und deutlich kleinere Geschäft
umfasst mit rund zehn Mitarbeitern insbe-
sondere eine Mikroträgertechnologie.
An der Börse kamen die Nachrichten je-
denfalls gut an. Der Aktienkurs des
M-Dax-Konzerns legte zwischenzeitlich
um mehr als 9 Prozent zu. Zudem hatte
Sartorius am Montag vorläufige Zahlen
für die ersten neun Monate vorgelegt. Um-
satz und Ergebnis waren jeweils deutlich
zweistellig gewachsen. Die Eckdaten des
Laborausrüsters seien besser als erwartet
ausgefallen, schrieb UBS-Analyst Michael
Leuchten. Die angekündigte Übernahme
sei sinnvoll.

Trauriger Niedergang


Von Christian Müßgens


Wirecard tritt die Flucht nach vorn an


Sartorius verstärkt sich mit Übernahme in Amerika


Göttinger Laborausrüster will für rund 750 Millionen Dollar Geschäfte des Konkurrenten Danaher kaufen / Von Ilka Kopplin


Wie ein Bieter das Übernahmegesetz austricksen kann


Der Fall Osram liefert ein Beispiel für Lücken im Regelwerk / Vergleichbares gab es im Kleinen bisher einmal / Von Klaus Max Smolka


Mit einem externen


Prüfer wehrt sich der


Dax-Konzern gegen


Bilanzfälschungsvorwür-


fe. Der Schritt war im


Aufsichtsrat umstritten.


Von Henning Peitsmeier


Sartorius

Quelle: Thomson Reuters F.A.Z.-Grafik Heß

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