POLITIK AUSLAND
Fotos: imago images (1)
48 FOCUS 42/2019
Der Vater des britischen Premiers, Stanley
Johnson, über Exzentrik, den familiären
Unfrieden und die deutschen Gene des Clans
„Ich finde, Boris macht
einen super Job“
E
s ist kurz nach elf
Uhr am Vormittag,
als Stanley Johnson
in der „Brasserie
Zédel“ erscheint.
Der Vater des briti-
schen Premierministers Boris
Johnson ist Stammgast in
dem Kaffeehaus neben dem
Londoner Piccadilly Circus. Er
ist nur drei Minuten zu spät,
dennoch hat er kurz zuvor
noch eine Mail geschickt und
sich für die Verzögerung ent-
schuldigt. Der Mann legt Wert
auf gute Manieren. Zumin-
dest das unterscheidet ihn
von seinem Sohn Boris.
Ansonsten ist die Ähnlich-
keit des energischen 79-Jähri-
gen mit seinem ältesten Sohn
erstaunlich: die markante
Nase, das strohblonde Haar,
das Hallodri-Lächeln – es ist
offensichtlich, von wem der
Junior seine Markenzeichen
geerbt hat.
„Guten Tag!“, grüßt John-
son auf Deutsch und plaudert
gleich drauflos: Er bewunde-
re Deutschland, das Umwelt-
bewusstsein der Deutschen,
ihre schöne Sprache. Schade,
dass sie an britischen Schu-
len kaum noch unterrichtet
werde. Dann zitiert er Goe-
the: „,Dahin, dahin, geht
unser Weg, o Vater, lass uns ziehn‘ – so
heißt es doch, nicht wahr?“ Ja, bestätigt
der Reporter mithilfe von Google, das
singe die Gauklerin Mignon in „Wilhelm
Meisters Lehrjahre“.
Gaukelei und Davonziehen? Das Zitat
hätte nicht passender sein können, um
Großbritanniens gegenwärtige Lage zu
beschreiben. Stanley Johnson dürfte es
nicht zufällig eingefallen sein.
Der Senior hat an diesem
Morgen gute Laune, und
das überrascht, denn viele
Briten haben nicht viel zu
lachen, seit sein Sohn Boris
an der Macht ist. Gut zwei
Monate ist er im Amt, pro-
duziert fast täglich Skanda-
le und vergiftet zunehmend
die Stimmung im Land.
Nichts ist mit ihm klarer
geworden in der Brexit-Fra-
ge. Sollte der Premier nicht
doch noch nächste Woche einen Austritts-
deal mit der EU aushandeln, muss er eine
weitere Verlängerung der Brexit-Frist über
den 31. Oktober hinaus beantragen. Dazu
hat ihn das Parlament gezwungen. Ein
„Kapitulationsgesetz“ sei das, seine Geg-
ner nennt er „Verräter“. Die Furcht der
Volksvertreter, seine kriegerische Sprache
könne zu tatsächlicher Gewalt animieren,
tut er als „Humbug“ ab. Ebenso wie die
Ermittlungen der Londoner
Stadtverwaltung wegen sei-
ner dubiosen Beziehung zu
einer US-Unternehmerin mit
Vorliebe für Stangentanz.
Als Bürgermeister hatte er
seiner Geliebten Fördergel-
der zugeschanzt.
Was sagt der „First Father“
zu dem Chaos, das sein Sohn
anrichtet? „Ich finde, Boris
macht einen super Job.“
Es sei „völlig angemessen,
diese irrsinnige Verordnung“
ein Kapitulationsgesetz zu
nennen. „So wurde es ihm
unmöglich gemacht, in Brüs-
sel ernsthaft zu verhandeln“,
sagt er. Die Kriegsmetaphern
findet er halb so wild – so
gehe es im Parlament nun
mal zu.
Dass Stanley seinen Filius
verteidigt, ist indes erstaun-
lich. Denn er selber galt lange
als leidenschaftlicher Remai-
ner und Europa-Freund. Jetzt
ähnelt seine Argumentation
manchmal der eines Brexit-
Hardliners. Motto: Der Zweck
heiligt die Mittel. „Ich stehe
auf der Seite meines ältesten
Sohnes“, sagt er. „Ich habe
immer gesagt: Wir müssen
das Ergebnis des Referen-
dums akzeptieren und den
Brexit, den Willen des Volkes,
vollziehen“, begründet er den
Gesinnungswechsel.
Exzentrik in der DNA
So ganz scheint er seine
EU-Begeisterung indes noch
nicht verloren zu haben. Vor
zwei Wochen saß Stanley
Johnson beim Parteitag der
Tories in Manchester in der
ersten Reihe, als Boris die
Partei auf den Brexit ein-
schwor. Die schönste Passage
der Rede sei jene gewesen, in der sein
Sohn einräumte, sich europäisch zu füh-
len, schwärmt Stanley. Allerdings gab es
dafür von den Delegierten kaum Applaus.
Eher für den Spott des Premiers über
das Parlament. Wäre das Unterhaus das
TV-Dschungelcamp, „wären wir alle
längst rausgewählt worden“, witzelte er
vor den Parteifreunden. In diesem Fall
müsse der Unterhaussprecher wohl Kän-
guru-Hoden essen. Eine Stichelei gegen
Sprecher John Bercow, der versucht,
Johnsons Brexit-Kurs der Kontrolle des
Parlaments zu unterstellen.
Dass Boris in seiner ersten großen Rede als
Vorsitzender der Tory-Partei über Ekelmut-
proben sinniert, ist auch eine Anspielung
auf seinen Vater. Der war 2017 Kandidat
in der britischen Version der Trash-TV-
Show. Seinem Ruf schadete das nicht,
im Gegenteil: Die Zuschauer liebten den
exzentrischen Kauz, der mit den Zähnen
„riesige und sehr salzig schmeckende“
Klein Boris Der Regierungschef mit Eltern in den Siebzigern
Familiensache Premier Boris Johnson und Vater Stanley
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