Neue Zürcher Zeitung - 25.10.2019

(vip2019) #1

Freitag, 25. Oktober 2019 ∙Nr.248∙240.Jg. AZ 8021Zürich∙Fr.5.20 ∙€5.


Roger Köppel will


nicht mehr antreten


SVP hat noch nicht entschieden, wen sie unterstützt


Um eineWahl der Zürcher


Grünen Marionna Schlatter in den


Ständerat zu verhindern, will die


SVP auf den zweitenWahlgang


verzichten. DerParteivorstand will


nach Gesprächen mit der FDP


beschliessen, ob deren Kandidat


Ruedi Noser unterstützt wird.


JOHANNA WEDL


Die SVP gibt den Ständeratswahlkampf
in Zürichauf. Roger Köppel tritt im zwei-
ten Wahlgang nicht mehr an. Der Ent-
scheid sei in enger Absprache mitKöp-
pel gefallen und derPartei nicht leicht-
gefallen,sagte InterimspräsidentPatrick
Walder an einer Medienkonferenz am


späten Donnerstagabend inWallisellen.
«Wir tragen eine grosseVerantwortung.
Wir reichen der FDP nun die Hand»,
sagtePatrickWalder.Vorerst offen blieb
dabei dieFrage, ob dieSVP die Kandi-
datur desFreisinnigenRuedi Noser offi-
ziell unterstützt.Darüber müsse man
nochreden. Man wolle mindestens bes-
ser zusammenarbeiten. Ob man Noser
portiere, hänge auch vomAusgang der
Gespräche ab, die nun geführt würden.


«Grüne Kommunistin»


Es gehe in erster Linie darum, zu verhin-
dern,dass die GrüneMarionna Schlatter
gewählt werde,ergänzteRoger Köppel.
ErbezeichnetediefrischgewählteNatio-
nal rätin als «Linksextreme» und«grü ne
Kommunistin». Es sei nun für dieSVP
wichtiger, das Landesinteresse über das
Parteiinteresse zu stellen.Fast einDut-
zendJournalisten warteten ungeduldig
auf KöppelsVotum, vierTV-Kameras


waren auf denPolitiker gerichtet. Defi-
nitiv ist der Entscheid der rund 70Vor-
standsmitglieder übrigens noch nicht.Es
handelt sich erst um einenVorschlag zu-
handenderDelegiertenversammlungder
SVP vomkommenden Dienstag. Stim-
men die Delegierten zu,ist die Sache be-
schlossen.Davon ist auszugehen.
Der zweite Wahlgang findet am
17.November statt.Im erstenDurchlauf
der Zürcher Ständeratswahlen warKöp-
pel am vergangenen Sonntag hinter dem
bereits gewähltenDaniel Jositsch (sp.)
und demFreisinnigenRuedi Noserauf
dem dritten Rang gelandet. Köppel er-
hielt rund107 000Stimmen, rund 12 000
Stimmen mehr als die viertplatzierte
Schlatter.Die Bürgerlichen dürften nach
dem Entscheid erleichtert sein. Denn
wäreKöppel angetreten, war befürchtet
worden,dass sich die Stimmen zwischen
FDP undSVP stärker teilen undKöppel
unter Umständen zum Steigbügelhalter
der linken Kandidatin geworden wäre.

Glättli dennochzuversichtlich


Der grüne Zürcher Nationalrat Baltha-
sar Glättli liess sich vonKöppelsmög-
lichemRückzug nicht entmutigen.Auf
Twitter schrieb er, SchlattersWahlchan-
censtiegensodennoch.Dennjetztmüss-
ten zum Beispiel die Sozialdemokraten
nicht mehr Noser wählen,um Köppel zu
verhindern, sondernkönnten Schlatter
weiter unterstützen. Es ist davon auszu-
gehen,dass die 39-jährige Soziologin be-
reits im erstenWahlgang viele Stimmen
von der SP erhalten hat. Die entschei-
dendeFrage wird sein,ob sich die Grün-
liberalen ebenfalls offiziell dazu beken-
nen, Schlatter zu wählen, und ihre Kan-
didatur unterstützen.Wäre dies derFall,
könnte es für Noser gefährlich werden.
Der «Weltwoche»-ChefredaktorRo-
ger Köppel schnitt am Sonntag deut-
lich schlechter ab als seinParteikollege
Hans-UeliVogt bei den Ständerats-
wahlen 2015, obwohlKöppel in einem
intensivenWahlkampf alle162 Gemein-
den des Kantons besucht hatte.
Auch wenn es noch längst nicht sicher
ist, sogilt esdoch als äusserst unwahr-
scheinlich, dassRuedi Noser im zweiten
Wahlgang nicht im Amt bestätigt wird.
Dies wäre erstens eine grosse Über-
raschung und zweitens eine historische
Schlappe.Esistnämlichüber50Jahreher,
seit ein bisheriger Zürcher Ständerat bei
derWiederwahl in die kleine Kammer er-
folglos war. 1967 misslang es dem BGB-
Stän derat Rudolf Meier, 1951 demLan-
desring- und Migros-Gründervater Gott-
lie bDuttweiler.Dieser hatte gleichzeitig
in Zürich als Ständerat und in Bern als
Nationalrat kandidiert.DieWählerinnen
undWählerverärgertedasderart,dasssie
Duttweiler dieWiederwahl versagten.
Köppel hatte seine Ständeratskandi-
datur imJanuar völlig überraschend an-
gekündigt,sie war praktisch im Allein-
gang beschlossen worden und nicht mit
dem damaligen kantonalenParteipräsi-
denten abgesprochen worden. DieSVP
war bei denWahlen eine der Haupt-
verliererinnen. Sie verlor in Zürich vier
Prozentpunkte und musste zwei Natio-
nalratssitze abgeben. Seinen National-
ratssitz hatKöppel verteidigt.

Regionalzeitungen: Ihre Krise schadet dem politischen System Seite 14


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DasMeereisind er Arktis wirdimSommer 2050wahrscheinlichverschwunden sein. STEFAN HENDRICKS CC-BY 4.0 / ALFRED-WEGENER-INSTITUT

SERIE ZUM ANTHROPOZÄN


Und was,


wenn das Klima kippt?


WOCHENENDE,SEITE 49–


Die Türkei isoliert sich inder Nato


Kein Rückhalt für deutschen Vorstoss einer Schutzzo ne in Nordsyrien


DSt.· Offiziell standen hybride Bedro-
hungen und disruptiveTechnologien auf
dem Programm.Auch über den Stand
derNato-MissionenundüberdasThema
der Lastenteilung sollte beim Herbst-
treffen der Nato-Verteidigungsminister
in Brüssel gesprochen werden. Schon
vor Wochen hatte sich aber abgezeich-
net, dass es den grössten Diskussions-
bedarf der Bündnispartner zurLage in
Nordsyriengebenwürde.Ungewöhnlich
heftig hatten einzelne Mitgliedsstaaten
Kritik an der Militäroperation derTür-
kei geübt. Als «völkerrechtswidrig» be-
zeichnete der deutscheAussenminister
Heiko Maass den Einmarsch in dieKur-
dengebiete, als «Irrsinn» derfranzösi-
sche Präsident Emmanuel Macron.

Belastung fürdie Allianz


Von einem «ungerechtfertigten»Vor-
gehen der türkischenTruppen sprach
am Rande desTreffens am Donnerstag
ausgerechnet der amerikanischeVertei-
digungsministerMarkEsper.DieOffen-
sive gegen dieKurden habe «uns in eine
schrecklicheLage gebracht».Ankara
müssewieder«derverlässlicheAlliierte»
von früher werden. Obwohl dem Start
der türkischen Militäroffensive der von
PräsidentTrumpeingeläuteteAbzugder
amerikanischenTruppen aus dem Ge-

biet vorausging, verteidigte Esper die
Entscheidung seines Dienstherrn. Zu
keinemZeitpunktseidenTürkengrünes
LichtfürihreOffensivegegebenworden.
Damit dürfte sich die Sichtweise
Espers fundamental von der seinerKol-
leg en unterscheiden.Warum der wich-
tigste Nato-Staat derTürkei ermöglicht
habe, einenFeldzug zu führen, der den
KampfgegendenISgefährdenundRuss-
la nds Position inSyrien festigen würde,
war eineFrage, die hinter denKulissen
durchaus bewegte.Von einer schweren
Belastung für das Bündnis sprach ein
ehemaliger Nato-Funktionär. Immerhin
habe dieTürkei schon mit dem Kauf des
russischenRaketenabwehrsystemsS-
für Unmut gesorgt.
Obwohl dasVerhältnis zwischen der
Nato und derTürkei seit langem als zer-
rüttet gilt, dringen offiziellkeine Un-
stimmigkeiten nach aussen. Betont wer-
den stattdessen die geopolitische Be-
deutung desLandes und der Einsatz der
Türkei bei wichtigen Nato-Operationen.
Nato-GeneralsekretärJens Stoltenberg,
der kurz nach Beginn der Offensive nach
Ankara geflogen war und Erdogan für
die Beiträge derTürkei dankte, mahnte
am Mittwoch eine politische Lösung für
den Syrien-Konflikt an. Grossen Spiel-
raum hat Stoltenberg angesichts der feh-
lenden Sanktionsmöglichkeiten gegen-

über Nato-Mitgliedern ohnehin nicht.
Unterdessen nahm auch die deut-
scheVerteidigungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer auf ihrem ersten
Nato-Treff en die Gelegenheit wahr, ihre
Pläne für eine Schutzzone in Nordsyrien
vorzustellen. Nach Medienberichten
schwebt der Ministerin ein Einsatz mit
robustem Uno-Mandat vor, um Flücht-
linge zu schützen.

Verhaltene Reaktionen


Bei ihren Nato-Kollegen stiess sie aller-
dings auf verhalteneReaktionen.So be-
grüsste der amerikanische Minister zwar
die Initiative.EigeneTruppen wollen die
USA aber nicht beisteuern.Auch Stol-
tenberg sagte, ohne näher auf die Idee
einzugehen, er schätze es, wenn Alli-
ierteVorschläge machten. Öffentlich
stellte sich am Donnerstagkein Land
klar hinter die Pläne Kramp-Karrenbau-
ers. Fraglich is t zudem, wie realistisch die
Einrichtung einer Schutzzone ohne eine
BeteiligungRusslands und derTürkei
wäre. Nachdem sich am Dienstagabend
Erdogan und Putin über eine gemein-
sameKontrolle derRegion geeinigt hat-
ten, stellte der türkische Präsident am
Donnerstag klar, dass für ihn Kampf-
handlungen weiter möglich seien.
International, Seite 3

Ständeratswahlen
Kommentar:Ob Noser vonKöppels
Rückzug profitiert,ist ungewissSeite 21

SVP:Seit 2007 istdie Partei nichtmehr
in der kleinen Kammer vertretenSeite 21

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