Freitag, 25. Oktober 2019 SPORT47
Er holt die besten Freestyler ins Land
Charles Beckinsale gilt als bester Parkbauer der Welt – in Saas-Fee treibt er sein liebstes Projekt vo ran
ISABELLE PFISTER,SAAS-FEE
Noch bevor die ersten Sonnenstrah-
len den Skilift auf dem Gletscher errei-
chen, ist dasRattern der Pistenraupe zu
hören. Es ist Mitte Oktober in Saas-Fee
im Oberwallis. Charles Beckinsale hat
um 6 Uhr die erste Gondel genommen,
hinauf in eines der wenigen Sommer-
skigebiete Europas. In der Station Mit-
telallalin, auf 3500 Metern Höhe, hat er
sich in ein Pistenfahrzeug gesetzt.Nun
präpariert er den grossen Slopestyle-
Park mit seinen meterhohen Schanzen.
Spätestens um 9 Uhr muss derPark
perfekt sein.Dannkommen die besten
Snowboard- und Skifahrer derFree-
style-Szene. Und die erwarten: den per-
fektenPark.
Charles Beckinsale ist Parkbauer
und arbeitet auf allenKontinenten. Er
lebt den ewigenWinter. Seit 18 Ja hren
arbeitet er imWinter sieben Monate in
Europa und Nordamerika, dieFerien
verbringt er danach in der Heimat, im
australischenWinter. Der Name Beckin-
sale ist in der Szene ein Gütesiegel. Dort,
wo BeckinsaleParks baut, kommen die
Besten der Besten hin. Siereisen ihm
hinterher: vonWhistler in Kanada nach
Perisher inAustralien und seit dreiJah-
ren nach Saas-Fee.
Beckinsale trägt Brille und Mütze,
einenlockeren Style. Er warin jungen
Jahren selber professioneller Snowboar-
der. Mit 27Jahren entdeckte er dasPark-
bauen für sich und wurde darin bald zu
einem der Besten derWelt.
Ein Treffpunktfür die Szene
Seit vierJahren ist Beckinsaleeiner der
Köpfe hinter dem Projekt Stomping
Grounds, einemTr ainingscamp von Spit-
zenfahrern aus allerWelt, das jeweils im
Herbst während dreierWochen auf dem
Gletschervon Saas-Fee stattfindet. An-
statt für die einzelnen Nationalteams
um die ganzeWelt zureisen und ver-
schiedeneParks zu bauen, kümmert
sich Beckinsale um eine Anlage, dieder
Szene alsTr effpunkt undTr ainingsort
vor der Saison dient. Beckinsale lockt
die Elite an.
Die Idee zu Stomping Groundsent-
stand 20 15 in Kanada. Bei einem Din-
ner im SkiortWhistler erzählte Beckin-
sale einer Schweizerin von seinem Plan.
Fabia Grüebler, eine Zugerin,warbe-
geistert und überzeugteBeckinsale da-
von, dasProjekt in der Schweiz umzu-
setzen. Grüebler hat 20Jahre imAus-
land gelebt und wegen ihrer Arbeit im
Freestyle-Bereich mit den grössten Ski-
Ressorts derWelt zusammengearbei-
tet. Heute ist sie Marketing-Chefin von
Stomping Grounds und will denFree-
style-Sport in der Schweiz pushen. «Für
mich war von Anfang an klar, dasses für
Charles’ Ideekeinenpassenderen Ort als
die Schweiz gibt.Wir haben den Schnee
im Herbst, die beste Infrastruktur und
nun das besteTeam vonParkbauern.»
Beckinsale und Grüebler stellten ihr
Projekt im darauffolgendenWinter in
Saas-Fee und Zermatt vor. Schon 20 16
wurde Stomping Grounds in Saas-Fee
zum ersten Mal durchgeführt – mit Er-
folg. Schon vor der erstenAusschrei-
bung hatten die Nationalteams aus
Kanada und Norwegen zugesagt. Im
zweitenJahr folgten die USA. Die drei
Nationen sind für ihre hochstehenden
Tr ainings bekannt, oft machen sie die
Entscheidungen um die Medaillen an
Contests unter sich aus.
Auch das Schweizer Nationalteam
stand ab dem erstenTaghinter dem Pro-
jekt und unterstützte es. Inzwischen trai-
niert dieFreestyle-Elite aus allerWelt in
Saas-Fee und lässt sich das einigeskos-
ten. Stomping Grounds finanziert sich
mit Teilnehmergebühren und Sponso-
ring-Verträgen. Die Zusammenarbeit
mit den Bergbahnen und derTourismus-
Organisation erleichtert den Organisato-
ren vieles, auch die Gemeinde Saas-Fee
unterstützt das Projekt. Umgekehrt ist
Stomping Grounds allerbesteWerbung
für die Destination Saas-Fee.
2017 gelingt Beckinsale ein Coup.
Er engagiertJeremy Carpenter für die
zweiteAusgabe der Stomping Grounds,
weil neben demPark auch eine Halfpipe
für dieFahrer gebaut werden soll. Car-
penter ist dasPendant zu Beckinsale,
wenn es um Halfpipes geht. Der Ame-
rikaner ist auch für die grösste Halfpipe
derWelt inLaax verantwortlich und ist
der Grund, weshalb dieFreestyle-Pro-
fis wie IouriPodladtchikov,Anna Gas-
ser und ScottyJames im Oktober in
Saas-Fee trainieren. Die ersten Schritte
imPark- und Halfpipe-Bauen mach-
ten Carpenter und Beckinsale mit der
Schaufel; heute beherrschen sie die
Arbeit mit der Pistenraupe wiekaum
jemand sonst.
Rund 32 000 Kubikmeter Schnee
braucht es für dieTr ainingsanlagen der
Stomping Grounds: 16000 für denPark,
16000 für die Halfpipe. Das sind mehr
als 20 0000 Badewannen voller Schneeund Hunderte von Arbeitsstunden, die
nur für die einmonatigeVorbereitung
desParksaufgewendet werden. Bis zu 17
Stunden arbeiten Beckinsale und Car-
penter amTag; dabei helfenAugentrop-
fen, Kaffee und zehnminütigePower-
Naps. Während der dreiwöchigenTr ai-
ningssession arbeiten Beckinsale, Car-
penter und ihrTeam tagtäglich amPark
und an der Halfpipe.Das Niveausteigtstetig
Die Ansprüche derFahrer an Beckin-
sale und Carpenter sindhoch. Nur bei
perfekten Bedingungen wagen sie neue,
schwierigeTr icks. DieFreestyle-Szene
besteht längst nicht mehr ausRock-
stars, die jedenTag Partys feiern und
auf der Piste «einfach mal machen». Es
sind Athleten, die im Sommer mitKon-
ditions- und Krafttraining starten, die
Tr icks auf demTr ampolin üben, ehe sie
auf Schnee den erstenVersuch starten.
Auf die mehrstündigenTr ainings auf
dem Gletscher folgen kurze Einheiten
imFitnessstudio.
Das Niveau imFreestyle-Sport ist in
den letztenJahren stark gestiegen. Die
Fahrer fliegen mit immer mehr Um-
drehungen um die eigeneAchse durch
die Luft;egal ob von der Schanze imPark oderin der Halfpipe. Dafür brau-
chen die Athleten eine Infrastruktur,
die ihnen Höchstleistungen ermöglicht,
sie aber auch vor falschenAbsprüngen
undLandungen schützt. DieFahrer su-
chen die optimale Anfahrtsgeschwindig-
keit, den sauberen Absprung, die sichere
Landung. DerWinkel des Kickers muss
genau passen.
Der 25-jährige kanadische Snow-
boarder Mark McMorris, einer der bes-
ten Slopestyle-Fahrer derWelt, lässt nur
Beckinsale den Kicker bauen, wenn er
einen neuenTr ick ausprobiert. Beckin-
sale sagt, vieles sei «try and error» in sei-
nemJob und habe mit Erfahrung,Wis-
sen und Gefühl zu tun.Vor der Geburt
seines Sohnes testete er seine Schanzen
selber, ohnehin fährt er nur noch in sei-
nen eigenenParks: KeinerkönneParks
so bauen, wie er sie gerne hätte, sagt
Beckinsale.
«Es brauchtevielDurchhaltevermö-
gen, bis ich da hingekommen bin, wo ich
heute bin: miese Arbeitszeiten, miese
Bezahlung und ganz viel miesesFeed-
back.»Sosagt es Beckinsale. Heute ver-
dient er dankseinemRuf inzwischen
gut,dasFeedback ist hervorragend. Nur
gegen die miesen Arbeitszeiten ist er
machtlos:Für einen perfektenPark muss
man sehr früh aufstehen.Perfektionbraucht Zeit: Bis zu 17 Stunden täglicharbeiten dieParkbauer an ihrer Anlage in Saas-Fee. BILDERPDAls wäre das seit
Jahren Routine
YB gewinnt in der Europa League
gegen Feyenoordabgeklärt 2:0PETERB. BIRRER, BERNWenn man bedenkt, wie sehr Schweizer
Vertreter in den letztenJahren in der
Europa League ins Schlingern geraten
waren und wie vielTerrain der Schwei-
zer Klubfussball europäisch eingebüsst
hat, ereignetesich am Donnerstag vor
über 27 600 Zuschauern im Stade de
Suisse Bemerkenswertes.DieYoung
Boysprofitierten von zwei frühenElf-
metern, wobei einer auch auf die spek-
takuläre Flugshowdes StürmersRoger
Assalé zurückzuführen war. Und schon
führten sie im Gruppenspiel der Europa
Leaguegegen denTabellenzehnten der
niederländischen Meisterschaft 2:0.
Dass dieser nicht die beste Phase
durchläuft und vor allem zu Beginn auf
demKunststoff-Terrain Halt und Präzi-
sion suchte,war offensichtlich.Wenn die
Niederländer zu ihren wenigen gefähr-
lichen Abschlüssen kamen,reagierte der
YB-GoalieDavid vonBallmoosreflex-
schnell. Kritikan YB war nur im Klei-
nen zu finden, zum Beispiel in derTat-
sache, dass sich der StürmerJean-Pierre
Nsame etwas spät darauf besann, seinen
kräftigenKörper zwecksBalleroberung
einzusetzen.
Doch das fällt letztlich aus YB-Sicht
nicht ins Gewicht. GegenFeyenoord
frappierte,wie gelassen die Berner den
Vorsprung verwalteten, wie gut sie den
AusfallFabian Lustenbergers nach 42
Minuten wegsteckten und wie selbstver-
ständlich sie mit einer taktischen Um-
stellung imVerlauf der zweiten Halbzeit
aufVerwaltung undRealismus umstell-
ten. Man wäre nie auf die Idee gekom-
men, dass sie immer noch auf zahlrei-
che verletzte Spieler verzichten müs-
sen. Doch das scheinen sie national
ebenso wegzustecken wie internatio-
nal. Die Equipe spielt bisweilen so cle-
ver, wieihrTr ainer Gerardo Seoanere-
det. Die Hälfte des Programms ist vor-
über. Mit derAusbeute von zwei Heim-
siegen gegen die GlasgowRangers (2:1)
undFeyenoord (2:0) sowie der 1:2-Nie-
derlage inPorto lässt sich hausieren.
Ähnlich wie in der Champions-
League-Qualifikation war vor dem Spiel
im Nordquartier der Stadt Bern so etwas
wieder (Verkehrs-)Notstand ausgerufen
worden. DieFeyenoord-Anhänger müll-
ten zuerst im Zentrum denKornhaus-
platz zu und führten daraufhin auf einer
ihnen genehmen Strecke denFanmarsch
zum Stade de Suisse durch.DasAufge-
bot derPolizei war aussergewöhnlich
gross, zeitweise schien dazu die sich hin-
terherbewegendeReinigungsequipe der
ganzen Stadt amWerk zu sein.
Es ist wiederholt befremdend, wie
starke Einschränkungen einFussball-
spiel nach sich zieht. DiePolizei vermel-
dete am Abend einzelne Zwischenfälle.
Nicht alles rund um das dritte Europa-
League-Spiel der Young Boys hatte
Festcharakter.Der Preis, der fernab des
Plastikrasens bezahlt werden muss, ist
hoch. Es fragt sich schon, weshalb der
viele Millionen verteilende europäische
Kontinentalverband Uefa nicht in der
Lage ist, Druck aufzusetzen und von den
(Gast-)Klubs zu verlangen, dass wenigs-
tens dieRoute desFanmarschs verbind-
lich festgelegt wird.Charles Beckinsale
PD Freestyle-Park-BauerBasel neuer Leader
cov. ·Die letzteViertelstunde musste
derFCBasel gegen Getafe in Unter-
zahl absolvieren. Der Flügelspieler
Kevin Bua hatte Gelb-Rot gesehen.
Doch imVorort Madrids bestanden die
Basler trotzdem das Spitzenspiel ihrer
Europa-League-Gruppe und übernah-
men dank dem frühenTr efferFabian
Freis und starkenParaden des Ersatz-
goalies Djordje Nikolic gar die Leader-
position.Weniger Glück hatte der dritte
Schweizer Klub inWettbewerb: Lugano
verlor inMalmö trotz optischer Über-
legenheit 1:2. Die Schweden machten
aus dreiChancen zweiTore, während die
Luganesi deutlich mehr Angriffe lan-
ciert hatten. Mit bisher nur einem Punkt
aus dreiPartien sind die Chancen aufs
europäische Überwintern gering.