Eine Fracking-Anlage zur Förderung von Gas im US-Bundesstaat Pennsylvania
Foto: Noah Addis
Bohren, bis
es heiß wird
Weltweit finanzieren Banken und Investoren Unternehmungen,
die dem Klima schaden VON HEIKE BUCHTER
T
ouristen und Börsenhändler
waren überrascht, als sich plötz
lich mit Kunstblut besudelte
Gestalten auf das Pflaster vor
der New Yorker Börse warfen.
Die Klimaaktivisten der Gruppe
Extinction Rebellion wollten
damit vor zwei Wochen die Verbindung zwischen
der Wall Street und jenen Energieunternehmen,
die fossile Rohstoffe verbrennen, sichtbar machen.
Nur wenige Tage zuvor hatten sich in Minneapolis,
Chicago und San Francisco Demonstranten vor
den Filialen von JPMorgan Chase versammelt,
wegen der Rolle des größten amerikanischen
Finanzkonzerns bei der Finanzierung von Kohle
minen und Ölförderprojekten. Die Aktivisten
wollen auf diese Weise öffentlichen Druck auf
Banken, Fonds und Versicherer erzeugen, damit
sie sich aus Geschäften mit der Energiegewinnung
aus fossilen Rohstoffen zurückziehen.
Das passt nicht ganz zum Eindruck, den die
Finanzkonzerne sonst gerne erwecken – nämlich
den, dass die Klimaschützer bei ihnen offene
Türen einrennen. Als etwa Donald Trump die
Teilnahme der USA am Pariser Abkommen von
2015 aufkündigte, kritisierte Jamie Dimon, der
Chef von JPMorgan Chase, die Entscheidung
öffentlich. Doch wenn es ums Geschäft geht,
stellen sich derlei Äußerungen schnell als Lip
penbekenntnisse heraus.
Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die
niederländische Nichtregierungsorganisation
(NGO) BankTrack, die Aktivitäten von Banken
im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ver
folgt. Nach BankTracks Berechnungen gehört
Dimons Institut zu den größten Geldgebern für
Geschäfte mit fossilen Brennstoffen. Seit 2015
hat die Bank demnach 196 Mil liar den Dollar an
die damit verbundene Industrie ausgereicht. Ein
Sprecher des Instituts erklärt auf Nachfrage, J.P.
Morgan habe sich verpflichtet, bis 2025 bis zu
200 Mil liar den Dollar für erneuerbare Energie
projekte bereitzustellen. Die Bank finanziere
keine neuen Kohlebergwerke und habe die Auf
lagen für Kohlekraftwerke verschärft. Das Insti
tut ist nicht allein bei diesem Schwenk. Auch bei
der Deutschen Bank hat sich das Geschäftsgeba
ren verändert. Man habe im Jahr 2016 beschlos
sen, den Bau neuer Kohlekraftwerke und neue
Bergbauprojekte nicht länger direkt oder in
direkt zu finanzieren, sagt ein Sprecher. Die Bank
habe außerdem das En gage ment im Kohleberg
bau bereits um 20 Prozent reduziert.
Dennoch haben die Banken mit dem Geld,
das sie bereits investiert und verliehen haben, auf
Jahre hinaus Fakten geschaffen. Schließlich er
möglichten sie damit Investitionen in Geräte, die
lange Zeit in Betrieb sind – und sein müssen,
damit sie die gewaltigen Kredite erwirtschaften
können: Insgesamt flossen nach den Recherchen
von BankTrack weltweit seit 2015 mehr als
1,9 Billionen Dollar frisches Kapital von den
33 TopFinanzkonzernen in Geschäfte mit Koh
le, Öl und Gas. Das ist fünfmal so viel Geld, wie
der deutsche Bundeshaushalt umfasst.
BlackRock beschwört gesellschaftliche
Verantwortung – und investiert in Kohle
Selbst die dreckigsten Energiequellen wie etwa die
kanadischen TeersandMinen, deren weiterer Aus
bau nach Einschätzung vieler Klimaforscher ver
hindert werden muss, fanden in den drei Jahren seit
dem Pariser Gipfel von 2015 Finanzierungen in
Höhe von insgesamt 71 Mil liar den Dollar durch die
von den BankTrackAnalysten beleuchteten Groß
banken. Banken unterstützen auch Förderfirmen,
die die Erschließung von Öl und Gasvorkommen
in der fragilen Umwelt der Arktis vorantreiben. Die
Deutsche Bank etwa stellte dort dem Bericht zu
folge knapp eine Mil liar de Dollar an Kapital zur
Verfügung. Und Unternehmen, die mithilfe der
umstrittenen Frackingmethode bohren, erhielten
zwischen 2016 und 2018 rund 215 Mil liar den
Dollar, das meiste von amerikanischen Großbanken.
Von der Deutschen Bank gingen laut BankTrack
rund sechs Mil liar den Dollar an die Fracker. Auf
dem ersten Platz landeten die Frankfurter als Haus
bank für den Energieversorger RWE, der für den
Braunkohleabbau zur Erzeugung von Kohlestrom
den Hambacher Forst opfern will. (Die Bank macht
keine Angaben zu Kundenbeziehungen.)
Banken gewähren vor allem Kredite und ver
mitteln Kapital. Den größten Teil des Eigen
kapitals – also Geld, das den Geldgeber etwa als
Aktionär zum Miteigentümer macht – der klas
sischen Energieunternehmen stellen aber institu
tionelle Investoren. Einige dieser Großanleger
wie etwa der New Yorker Pensionsfonds, der die
Altersvorsorge der öffentlichen Angestellten des
Bundesstaates anlegt, haben angekündigt, aus In
vestments in Geschäfte mit fossilen Energie
trägern auszusteigen. Und der eine Billion Dollar
schwere norwegische Staatsfonds hat beschlossen,
sich von Unternehmensbeteiligungen zu verab
schieden, wenn die Firmen mehr als 30 Prozent
ihres Umsatzes mit Kohle machen.
Doch die größten Anleger der Welt sind weit
von einem Ausstieg entfernt. Dazu zählt vor al
lem BlackRock. Der Vermögensverwalter ist mit
knapp sieben Billionen Dollar der einflussreichs
te Investor der Welt. Über ihre Fonds sind die
New Yorker an so gut wie allen wichtigen Unter
nehmen rund um den Globus beteiligt. Larry
Fink, der BlackRock 1988 gegründet hat, spricht
gerne von der Verantwortung für »einen positi
ven Beitrag zur Gesellschaft«, die mit dieser Po
sition einhergehe.
Fondsgesellschaften machen mit ihrer
Macht kaum Druck auf Klimasünder
Umweltschützer beschuldigen den Vermögensver
walter jedoch, Mil liar den Dollar in Unternehmen
zu stecken, die die Umwelt verschmutzen, Wälder
abholzen und zur Emission von Treibhausgasen
beitragen. BlackRock sei der »größte Treiber des
Klima chaos«, erklärt eine Initiative namens Black
Rock’s Big Problem, hinter der ein Netzwerk von
Umweltschutzaktivisten steckt.
Das »große Problem« für BlackRock ergibt sich
auch aus dem Geschäftsmodell. Es ist der füh
rende Anbieter von Indexfonds. Das sind Invest
mentfonds, bei denen nicht ein Fondsmanager die
Aktien auswählt. Es werden nämlich Anteile aller
Unternehmen gekauft, die zu einem Index wie
etwa dem Deutschen Aktienindex Dax gehören,
also einer Auswahl von Unternehmen nach be
stimmten Kriterien wie Branche oder Heimat
land. Das hat Vorteile. So müssen Anleger weniger
an die Fondsmanager bezahlen. Das heißt aber
auch, dass der Fonds in einen Kohleminenbetrei
ber investiert, wenn dieser Teil eines Index ist.
Doch damit machten es sich Indexfondsan
bieter wie BlackRock oder Vanguard, die Num
mer zwei auf dem Markt, zu einfach, kritisiert
Ben Cushing, der die Kampagne gegen die Fi
nanzierung fossil wirtschaftender Unternehmen
beim Sierra Club leitet, dem größten amerikani
schen Naturschutzbund. Er findet, dass sie durch
Beschlüsse auf der Hauptversammlung die Ma
nager eines Unternehmens dazu bringen könn
ten, Emissionen zu reduzieren. »Stattdessen
stimmt etwa BlackRock bei Beschlussvorlagen
zum Thema Klimaschutz überwiegend mit dem
Management, das KlimaVorgaben und Maß
nahmen ablehnt«, sagt Cushing.
Einem Bericht der NGO Climate Majority
zufolge stimmten BlackRock und der Erzrivale
Vanguard tatsächlich bei den jüngsten Hauptver
sammlungen in diesem Frühjahr gegen alle Vor
schläge, die etwa eine InvestorenKoalition namens
Climate Action 100+ eingebracht hatte, in der sich
eine Gruppe von Großanlegern zusammengeschlos
sen hat. Dem Bericht zufolge wären bei 28 Unter
nehmen 16 Forderungen nach weniger Emissionen
mit großer Mehrheit beschlossen worden, wenn sich
BlackRock und Vanguard ihnen angeschlossen hät
ten. BlackRock verweist auf bilaterale Gespräche
mit den Unternehmenslenkern. So habe man sich
allein im vergangenen Jahr mit 207 Unternehmen
weltweit in Sachen Klimawandel auseinandergesetzt,
bei 34 Unternehmen sogar mehrfach. Auch Van
guard betont, man nehme Unternehmen bei diesem
Thema direkt in die Pflicht. In diesem Jahr sei das
bei 900 Unternehmen der Fall gewesen. Was das
konkret heißt, teilen die Unternehmen nicht mit.
Dem SierraClubCampaigner Cushing reicht
das nicht. Er sagt: »Wenn diese Anstrengungen
hinter den Kulissen fruchtbar sein sollten, hat sich
das bisher noch nicht in erkennbaren Fortschritten
in Sachen Klima gezeigt.«
Einen noch größeren Druck würde es für Unter
nehmen und ihr Geschäft bedeuten, wenn Versiche
rungskonzerne sich von der fossilen Brennstoffbran
che lossagten. Bisher sind es allerdings nur wenige, die
keine neuen Policen für den Sektor mehr schreiben.
Die meisten investieren auch ihr Kapital, das sie an
legen müssen, um später Verpflichtungen gegenüber
Kunden mit Lebensversicherungen oder anderen Po
licen erfüllen zu können, nach wie vor in Kohle, Öl
und Gasunternehmen. Dabei wissen die Versicherer
um die Risiken. So sponserte der weltgrößte Rückver
sicherer Swiss Re eine Studie der Harvard University,
die schon 2005 warnte, Stürme und Überflutungen
würden derart zunehmen, dass ganze Regionen und
Sektoren nicht mehr versicherbar sein würden.
Doch etwas gerät an der Wall Street nun doch in
Bewegung. So stellt der Energiesektor heute nur
mehr weniger als fünf Prozent des Gesamtmarkt
wertes aller Unternehmen im S&P 500 Index dar, in
dem die 500 wichtigsten amerikanischen Unterneh
men zusammengefasst sind. Vor fünf Jahren waren
es noch über 15 Prozent.
Der Grund für den geschrumpften Anteil am
Leitindex ist allerdings nicht die Angst vor einer
Klimakrise, sondern die Angst der Anleger vor Ver
lusten. Mit Kohle, Öl und Gas lässt sich nicht mehr
so viel verdienen wie früher. Kohle etwa wird zu
nehmend vom billigeren Erdgas aus Fracking ver
drängt. Auch Öl pumpen die Fracker so viel aus der
Tiefe, dass eine Angebotsflut entstanden ist. Nicht
einmal die militärischen Angriffe auf die saudischen
Ölfelder im September haben den dümpelnden Öl
preis nachhaltig steigen lassen.
Es ist also ironischerweise nicht der Klimaschutz,
der den Abstieg der alten fossilen Brennstoff industrie
beschleunigt, sondern der Erfolg neuer Unterneh
men dabei, fossile Energieträger zu fördern.
Der Text basiert auf Recherchen der ZEITAmerika
Korrespondentin Heike Buchter für ihr neues Buch
»Öl beben«, das gerade im CampusVerlag erschienen ist.
Es zeigt, wie die Hintermänner an der Wall Street
den Boom um fossile Brennstoffe anheizen und wie
Fracking die Welt ökonomisch und politisch neu ordnet
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