Die Zeit - 17.10.2019

5G-Sendemast für

mobiles Internet

in einem Testlabor

von Huawei

Foto: Todd Darling/laif

Saugt China

damit Daten ab?

Der chinesische Konzern Huawei könnte das Internet hierzulande nun

doch ausbauen. Jetzt kommt es auf die Details an VON MARK SCHIERITZ

V

erkauft die Kanzlerin unsere Daten
jetzt an China? Der Verdacht steht im
Raum, seit zu Wochenbeginn bekannt
wurde, dass die Bundesregierung chi-
nesische Netzausrüster wie Huawei
nicht pauschal vom Ausbau des mobilen Internets
in Deutschland ausschließen will.
»Wir halten es für äußerst bedenklich, Huawei
Zugang zu unserem 5G-Netz zu gewähren«, sagt
Linda Teuteberg, Generalsekretärin der FDP.
»Es ist ein schwerer Fehler, Huawei ins 5G-Netz
zu integrieren«, warnt Nils Schmid, außenpoliti-
scher Sprecher der SPD.
»Huawei ist dem chinesischen Staat uneinge-
schränkt verpflichtet«, kritisiert selbst der CDU-
Spitzenpolitiker Norbert Röttgen, Vorsitzender
des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
Was ist da los?
Die Debatte hat sich an einem Entwurf eines
Katalogs mit Sicherheitsanforderungen für das deut-
sche 5G-Netz entzündet, wie der neue Übertragungs-
standard im Internet offiziell heißt. In dem von der
zuständigen Regulierungsbehörde – der Bundesnetz-
agentur – verfassten Papier wird Huawei beim Netz-
ausbau nicht explizit erwähnt, wie es vor allem Ver-
treter der amerikanischen Regierung gefordert hatten.
Japan, Australien, Neuseeland und Taiwan haben
entsprechende Sperrklauseln eingeführt.

Der Grund für die Skepsis: Huawei ist zwar of-

fiziell ein privatwirtschaftliches Unternehmen und

steht damit nicht unter staatlicher Kontrolle. Aber

was heißt das schon in einem Land wie China, in dem

sich kaum ein Konzern den Weisungen der Regierung

entziehen kann? Die Kritiker fürchten, dass die Chi-

nesen wichtige Daten absaugen oder im Extremfall

sogar das Netz abschalten könnten. Das gilt als

Sicherheitsrisiko. Über den 5G-Standard sollen in

Zukunft nicht nur Mobiltelefone, sondern auch

Maschinen, Autos oder medizinische Geräte mitei-

nander verbunden werden.

Die Bundesregierung will jedoch unbedingt den

Ausbau des schnellen Internets vorantreiben, damit

Deutschland bei der Digitalisierung nicht noch mehr

ins Hintertreffen gerät. Und Huawei ist nicht nur

technologisch führend, sondern bietet seine Kom-

ponenten auch noch günstiger an als europäische

Wettbewerber wie Ericsson aus Schweden oder No-

kia aus Finnland. Deutsche Telekomanbieter hatten

gewarnt, dass ein Ausschluss der Chinesen den Netz-

ausbau verteuern und verzögern könnte. Sie haben

viel Geld für den Erwerb von Frequenzen ausgegeben

und wollen jetzt Geld verdienen. Und nicht zuletzt

ist China ein wichtiger Absatzmarkt für viele deutsche

Unternehmen – weshalb mögliche Vergeltungsmaß-

nahmen gegen hiesige Konzerne für die deutsche

Wirtschaft ein schwerer Schlag wären.

Die Regierung musste sich also entscheiden,

was den Vorrang haben soll: sicherheitspolitische

oder kommerzielle Interessen.

Genau genommen hält sich die Koalition mit

dem nun kursierenden Entwurf alle Optionen

offen. Denn aus der Tatsache, dass Huawei nicht

vorab ausgeschlossen wird, folgt nicht, dass sich

das Unternehmen automatisch für den Netzaus-

bau qualifiziert. Vielmehr ist vorgesehen, dass alle

an einem Auftrag interessierten Anbieter eine

Sicherheitsprüfung über sich ergehen lassen müs-

sen. Die entsprechenden Komponenten würden

dann vom Bundesamt für Sicherheit in der Infor-

mationstechnik (BSI) zertifiziert werden.

Wie in Berlin zu hören ist, wird diese Vorgehens-

weise sowohl vom Kanzleramt als auch von den maß-

geblich an der Entscheidung beteiligten Ministerien

• dem unionsgeführten Wirtschaftsministerium und
  dem sozialdemokratischen Finanzministerium –
  unterstützt. Im Prinzip hat sich an der Regierungs-
  position seit einer ressortübergreifenden Abstim-
  mungsrunde im Frühjahr nichts geändert.
  Ob die Regierung, wie ihr vorgeworfen wird, ei-
  nen Ausverkauf deutscher Interessen betreibt, lässt
  sich also zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen,
  weil überhaupt nicht klar ist, ob Huawei am Ende
  überhaupt zum Zuge kommt – und wenn ja: wie der
  Konzern konkret am Netzausbau beteiligt wird.

Genau darauf wird es nach Einschätzung von

Fachleuten aber ankommen. So sind beispielsweise

nicht alle 5G-Komponenten gleich wichtig für die

nationale Sicherheit. Um mögliche Sicherheitsrisi-

ken klein zu halten, könnten die Aufsichtsbehör-

den also dafür sorgen, dass nur Aufträge für Bau-

teile, die weniger sensibel sind, an die Chinesen

gehen. Der Entwurf für den Sicherheitskatalog

sieht vor, dass von der Netzagentur eine entspre-

chende Liste erstellt werden muss.

Um die Abhängigkeit von chinesischen Lieferan-

ten zu verringern, könnten die hiesigen Telekom-

munikationsfirmen auch dazu gezwungen werden,

beim Ausbau des Netzes auf einen Mix von Anbietern

zu setzen. Das wäre noch aus einem anderen Grund

sinnvoll: Wenn ausschließlich die Chinesen zum

Zuge kämen, würde das die europäischen Wettbewer-

ber noch weiter zurückwerfen. Das könnte nicht nur

sicherheitspolitisch, sondern auch ökonomisch zum

Problem werden, wie Jens Südekum, Ökonom an der

Universität Düsseldorf, fürchtet.

Sein Argument: Huawei ist im Moment auch des-

halb so günstig, weil der chinesische Staat seine Un-

ternehmen massiv subventioniert. Der Konzern

könnte auf die Idee kommen, die Preise deutlich zu

erhöhen, wenn er erst einmal eine dominante Markt-

position innehat. Dann gäbe es möglicherweise

keine europäischen Konkurrenten mehr, die dem

noch etwas entgegenzusetzen hätten. Der ver-

meintlich gute Deal würde mittelfristig zur Kosten-

falle. Südekum spricht sich dafür aus, die euro-

päischen Anbieter zu unterstützen, damit das nicht

passiert. Dieses Ziel könnte durch eine Beteiligung

dieser Unternehmen am deutschen Netzausbau

erreicht werden. Bislang ist im Entwurf vorgesehen,

dass Bauteile von mindestens zwei unterschiedli-

chen Lieferanten verwendet werden müssen. Die-

se Regelung könnte verschärft werden.

Und schließlich könnte die Koalition auch die

eigenen Kontrollinstanzen stärken. In der Regie-

rung geht man davon aus, dass das BSI mögliche

Sicherheitsrisiken in der Hardware von Huawei

vergleichsweise zuverlässig entdecken kann.

Schwieriger sei die Überprüfung der Software –

vor allem weil die verwendeten Programme regel-

mäßig aktualisiert werden. Damit die Behörde

dieses Risiko in den Griff bekommt, müsste sie

womöglich besser ausgestattet werden.

Bis Mitte November können Unternehmen

und Verbände nun zu dem Entwurf Stellung neh-

men. Dann wird er noch einmal überarbeitet und

verabschiedet – und dann wird sich zeigen, wie

wichtig der Kanzlerin der Schutz der Daten ist.

Siehe auch Streit, S. 14: Der Hongkonger Aktivist

Ray Wong warnt Deutschland vor Huawei

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