Die Zeit - 17.10.2019

Das Auge isst mit

Die Dekoration des Tellers ist auch ein Ausdruck des Zeitgeistes. Sie wurde immer wichtiger, aber nicht wuchtiger

FOTO: MARIE-THERESE CRAMER, FOODSTYLING: PIO, RECHERCHE: KATHRIN HOLLMER

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Nach den Kriegsjahren geht es

vor allem ums Sattwerden.

Die Dekoration ist spärlich.

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Erste spielerische Elemente nur für

das Auge tauchen auf – die Petersilie

ist nicht zum Essen gedacht!

Es kommt aber auch auf den

Geschmack an: Zitrone wird zu

Fisch arrangiert oder Orange und

Preiselbeeren zu Wild.

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Sieg der Gestaltung:

Das Beiwerk aus Obst

oder Gemüse wird gestylt,

ausgestochen, geschnitzt –

manchmal zu kleinen

Kunstwerken. Ende

des Jahrzehnts kommt

Exotisches hinzu, Grenzen

werden überschritten:

Obst wird zur Dekoration

des Hauptgangs.

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Der Teller spiegelt die weite

Welt, mit natur belassenen

Produkten wie Physalis und

Karambole. Erste Anzeichen

der Nou velle Cui sine:

Kräuter, etwa Schnittlauch,

Minze oder Basilikum,

werden nicht mehr fein

geschnitten, sondern als

ganze Stängel oder

Blättchen drapiert.

2000er

Mediterrane Elemente

wie Crema di Balsamico

und Pinienkerne kommen

auf die Teller, Anleihen

aus der Molekularküche,

etwa ein Kaviar aus

Kräutern, tauchen als

Deko-Elemente auf.

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Hoch-Zeit der Nouvelle Cuisine:

Die Dekoration wird schlicht und

filigran. Fernöstliche Tafelkultur

hält Einzug, auf dem Teller wird

individuell inszeniert. Soßen werden

getupft oder mit dem Pinsel auf den

Teller gestrichen.

2010er

Sterneköche interpretieren

klassische Garnierungen

neu. Vermeintliche

Abfallprodukte werden

verarbeitet, eine krosse

Geflügelhaut etwa ist jetzt

ein Schmankerl.

Kräuter und Blumen

verzieren die Speisen.

INFOGRAFIK: ESSEN

zum Raustrennen

NR 538

Quellen

Für diese Seite hat die Autorin in mehreren Büchern

recherchiert, unter anderem in den Standardwerken

»Nouvelle Cuisine – endlich leicht gemacht« von 1986 und

»Ich helf dir kochen« aus dem Jahr 1965 von Hedwig Maria

Stuber. Außerdem hat sie ausführlich mit den Köchen

Franz Kuttenberger und Roland Stieglmeier gesprochen.

42 WISSEN 17. OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 43