Die Zeit - 17.10.2019

(Kiana) #1
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  1. OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 43


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2020 kommt eine Geschichte aus der Zaubererwelt als große Theatershow nach Hamburg.


Zwei Rollen werden von Kindern gespielt. KATRIN HÖRNLEIN durfte beim Casting zusehen


H


ätte man doch bloß ein
wenig Vielsaft-Trank! Mit
ein paar Schlucken des
magischen Gebräus könnte
man für eine Weile ausse-
hen wie Harry Potter. Lei-
der gibt es solche Zauber-
tränke nur in der magischen Welt. Und an diesem
Wochenende Anfang Oktober sind bloß 75
Muggel-Kinder in einen großen Übungsraum
eingeladen. Sie alle hoffen, sich ganz ohne Hexe-
rei in junge Zauberer zu verwandeln. Sie wollen
nämlich eine der Rollen im Harry Potter-Theater-
stück ergattern.
»Harry ist meine Lieblingsfigur«, sagt Jonah,
der neben seinem Vater auf einer Bank sitzt und
wartet, dass er aufgerufen wird. »Ich habe in der
Schule schon bei einem Theaterstück mit-
gemacht, da hatte ich die wichtigste Rolle«, er-
zählt der Achtjährige. Jonah möchte Harry
spielen; einen der beiden Harrys – es gibt näm-
lich in dem Stück den erwachsenen Zauberer,
der Papa ist, und dazu einen jungen Harry, der
in Träumen auftaucht.
Zwei Bänke weiter sitzt Smilla mit ihren El-
tern. Sie hofft, als Harrys Tochter Lily ausge-
wählt zu werden. Die Zwölfjährige stand schon
auf einer echten Bühne, beim Musical Mary
Poppins. »Singen, tanzen, schauspielern, das
bringt total Spaß«, sagt Smilla. Für den Aus-
wahltag hat sie fünf Sätze auswendig gelernt,
die sie gleich vortragen muss. Fünf Sätze, das
klingt einfach. Smilla ist trotzdem aufgeregt:


»Ich hab so ein Kribbelgefühl«, sagt sie und
knibbelt an ihren Fingern.
Harry und Lily Potter, diese beiden Figuren
werden im Theaterstück Harry Potter und das ver-
wunschene Kind von einem Mädchen und einem
Jungen gespielt. Die übrigen Schauspieler sind
erwachsen. 250 Kinder haben sich für die Rollen
beworben, 75 von ihnen wurden zum Casting ein-
geladen. In fünf Gruppen mit je 15 Kindern
werden sie an diesem Tag angesehen und bewertet.
Ausgewählt hat die 75 Mädchen und Jungen
Melanie Vollmert-Michaelis. Sie ist die Kinder-
managerin des Stücks; das bedeutet, sie wird die
Kinder später bei den Proben begleiten, sie bei den
Aufführungen zur Bühne bringen und sich mit
ihnen freuen, wenn ein Auftritt gut gelaufen ist.
Heute klebt Melanie erst einmal allen ein Na-
mensschild an und schickt sie dann zum Messen.
»Niemand darf größer sein als 1,50 Meter«, erklärt
Melanie, »Lily und Harry sind Kinder und müssen
deutlich kleiner sein als die erwachsenen Schau-
spieler. Sonst sieht es auf der Bühne komisch aus.«
Und worauf hat Melanie noch geachtet? Muss der
Harry dunkle Haare haben? »Nein, blonde oder
rote Haare kann man leicht unter einer Perücke
verstecken«, sagt Melanie. Wichtig sei aber, dass
die Jungen nicht zu kräftig sind. Der junge Harry
lebt noch bei seiner Tante und seinem Onkel
unter der Treppe. Er wurde viele Jahre lang
schlecht behandelt, ist klein und dünn.
»Die Eltern dürfen jetzt gehen!«, ruft Mela-
nie in den Raum. Nur zaghaft stehen die Mütter
und Väter auf, während Melanie die Kinder um

sich schart. Was jetzt kommt, müssen Smilla,
Jonah und die anderen allein durchstehen. Ei-
nen Raum weiter warten Pip Minnithorpe und
Eric Lomas. Pip hat bereits das Theaterstück in
London auf die Bühne gebracht und ist in
Hamburg bis zur ersten Vorführung dabei. Da-
nach übernimmt Eric und wird für das Gesche-
hen auf der Bühne verantwortlich sein. Künst-
lerischer Leiter nennt man das. Die beiden ent-
scheiden gemeinsam, wer von März 2020 an
Harry und Lily spielen darf.

»Wir suchen talentierte junge Hexen und
Zauberer«, sagt Pip und lacht. Um die zu ent-
decken, haben er und Eric sich verschiedene
Spiele ausgedacht. Zunächst sitzen alle Kinder
im Kreis. Jeder soll drei Dinge von sich erzählen


  • eins muss gelogen sein. Dann wird eine Ge-
    schichte erfunden, reihum steuert jeder ein Wort
    bei. Zu »Zip, Zap, Boing, Pow« muss jeder mal
    die Arme nach links, mal nach rechts ausbreiten
    und das Wort an den Nebenmann weitergeben.
    Es ist ein bisschen wie Domino mit Menschen

  • und geht ziemlich durch ein an der. Es folgt eine
    Art Stopp-Tanz, bei dem die Kinder durch den
    Raum gehen und auf Kommando einfrieren oder
    in Zweier- und Dreier grup pen ein Tier oder einen
    Gegenstand nachstellen sollen. »Mit jedem Spiel
    sehen wir etwas anderes bei den Kindern: Wie
    spontan sie sind. Wie sie sich bewegen. Wie kon-
    zentriert sie bei der Sache bleiben und wie gut sie
    mit anderen zusammenarbeiten«, erklärt Pip.
    Und dann kommt der Moment, auf den alle
    gewartet haben: Jeder tritt der Reihe nach vor,
    spricht den vorbereiteten Text und versucht für
    ein paar Minuten Harry oder Lily zu sein – ganz
    ohne Vielsaft-Trank. Eric steht neben den Kindern
    und hilft mit der Szene, Pip beobachtet alles genau
    und macht Notizen: Wie bewegen sie sich? Wie
    sprechen sie? Was haben sie für eine Ausstrahlung?
    Noch stehen die Kinder nicht auf einer gro-
    ßen Bühne im Scheinwerferlicht, und trotzdem
    sind einige ganz schön nervös: Ein Mädchen
    zieht sich die Hose nach oben und den Pulli
    nach unten, ein Junge bewegt die ganze Zeit die


Lippen mit. Manche flüstern fast und huschen
schnell wieder an ihren Platz. Andere rufen ihre
Sätze laut in den Raum, wedeln mit den Hän-
den und verziehen das Gesicht.
»Es ist schwer, jemand anderen zu spielen und
gleichzeitig natürlich zu wirken«, sagt Pip später.
»Aber genau danach suchen wir. Wichtig ist, dass
die Kinder sich wohlfühlen bei dem, was sie tun.«
Die Zuschauer sollen später glauben, dass sie ge-
rade Harry und Lily Potter sehen – nicht Jonah
und Smilla aus Hamburg.
Gesucht werden nicht nur ein Harry und eine
Lily, sondern sechs Harrys und vier Lilys. Kinder
dürfen in Deutschland nämlich nicht unbegrenzt
arbeiten. Erlaubt sind vier Stunden am Tag, verteilt
auf 30 Tage im Jahr. Proben werden eingerechnet.
Weil das Stück an fünf Tagen in der Woche ge-
spielt werden soll, müssen die zehn Kinder sich
abwechseln. Wenn jemand krank wird oder für
eine Klassenarbeit lernen muss, gibt es immer je-
manden, der einspringen kann.
Sich gegenseitig helfen, nicht als Einzelner
glänzen, sondern als Team zusammenarbeiten sei
beim Theater das Allerwichtigste – das sagen Pip,
Eric und Melanie oft an diesem Tag. Welche zehn
Kinder einen Platz im Theater-Team bekommen,
ist noch geheim. Smilla fand schon toll, beim
Casting so viele Leute kennenzulernen. Jonah
klatscht seinen Papa ab, der draußen auf ihn war-
tet, und sagt: »Das war lustig!« Tilda, neun Jahre,
mochte vor allem die Spiele. Nur eins findet sie
blöd: »Dass wir Mädchen nicht die Harry-Rolle
bekommen können.«

Gesucht: Harry und Lily Potter


Die Chaoten-Brüder


Wenn man fünf Jahre alt ist und drei Brüder hat,
die zehn, elf und zwölf sind, ist das die Hölle,
findet Berti. Besonders, weil Bertis Brüder wilde,
in der Nachbarschaft gefürchtete Rüpel sind. Sie
selbst halten sich für Super helden, handeln sich
aber ständig größten Ärger ein – aus dem sie dann
der kleine Bruder retten muss.
Ein turbulentes und verrück-
tes Familienabenteuer, in dem
der Kleinste ganz groß glänzen
darf.

Lisa-Marie Dickreiter/Andreas
Götz: Berti und seine Brüder.
Ab 5 Jahren

Lust auf neue Lese-Abenteuer? Probier mal die:


Peng, verknallt!


Bisher war Emil, neun Jahre, ein ganz normaler
Junge. Dann kommt Florine neu in Emils Klasse,
und plötzlich ist alles anders. Als habe die Neue ihn
verhext. Zum Glück weiß Emils Oma, was los ist:
Der Junge ist verliebt! Ob Florine Emil auch so
mag? Zunächst macht sie ihn zu ihrem Diener und
kommandiert ihn herum. Ver-
liebt sein, findet Emil heraus,
ist schön, traurig und kompli-
ziert zugleich! Und mutig sein
muss man auch noch ...

Marianne Kaurin: Emil
und die Prinzessin aus dem
Nachbarhaus. Ab 9 Jahren

Verscheuch den Kreuch


Früher hat Arthur mit seiner Zwillingsschwester
die schönsten Spiele erfunden, jetzt interessiert
sich Rose nur noch für ihr neues Handy und coole
Klamotten. Doch als die Geschwister alten Krem-
pel von Opas Dachboden räumen, öffnet sich
plötzlich eine Tür ins magische Reich Arro, das sie
als Kinder erfunden haben.
Dorthin wird ihr Opa von
Kreuch, dem schrecklichen Vo-
gel scheu chen mann, verschleppt.
Fan tastisch und spannend!

Jenny McLachlan: Arthur
und der schreckliche Scheuch.
Ab 10 Jahren

Kommissar Hamster


Theo ist ein reinliches und ordentliches Kind,
seine Nachbarin Elsa klettert mit Freude auf
wackeligen Schuppen herum. Und dann ist da
noch Theos Hamster Mister Marple, der sich als
genialer Detektiv entpuppt. Gemeinsam mit dem
Nagetier gründen Theo und Elsa die »Zentrale für
tierische Angelegenheiten« und
nennen sich die Schnüffler-
bande. Ihr erster Fall: den ver-
schwundenen Dackel Bruno
finden. Ein urkomischer Krimi.

Sven Gerhardt: Mister Marple
und die Schnüff lerbande.
Ab 7 Jahren

Verf lixt, verliebte Väter!


Bett und Avery leben an entgegengesetzten Enden
der USA und könnten ge gen sätz licher kaum sein:
die eine draufgängerisch und direkt, die andere
bedacht und ein wenig ängstlich. Es gibt wenig,
was die beiden verbindet – bis zu dem Tag, als ihre
Väter sich in ein an der verlieben, die übrigens ähn-
lich verschieden sind wie ihre
Töchter. Zunächst haben die
Kinder die Nase voll von der
Liebe, dann ihre Väter – und
dann geht es erst richtig los ...

Holly Goldberg Sloan/Meg
Wolitzer: An Nachteule von
Sternhai. Ab 10 Jahren

Extra fürs Theater hat die Autorin
J. K. Rowling gemeinsam mit zwei
Kollegen »Harry Potter und das
verwunschene Kind« geschrieben.
Die Geschichte spielt zeitlich
nach der Buchreihe. Harry ist erwachsen
und hat drei Kinder. Das Stück wurde
erstmals 2016 in London aufgeführt.
Inzwischen kann man es auch in
New York und in Melbourne sehen –
und vom März 2020 an in Hamburg.

Vo m B u c h


auf die Bühne


Foto: Florian Thoss für DIE ZEIT

Ob sie es auf die Bühne schaffen? Jule, Tilda, Cadgas,
Tom und Jonah wollen Harry und Lily spielen

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