Die Zeit - 17.10.2019

(Kiana) #1

ENTDECKEN


2010/2019: Miffy


2010 zogen wir berufsbedingt in die Niederlande. Und natürlich mussten wir der von
unseren Kindern sehr geliebten Bilderbuchheldin Miffy sofort einen Besuch abstatten.
Die Karnickeldame, die im niederländischen Original des Buches Nijntje heißt, ist mit
einer Skulptur am Nijntje Plein in der Stadt Utrecht verewigt. In Utrecht lebte nämlich der
Grafikdesigner Dick Bruna, aus dessen Feder Miffy und ihre Freunde stammen. Als wir
neun Jahre später in unsere Heimat Japan zurückkehrten, schauten wir zum
Abschied noch mal vorbei: Vielen Dank, Nijntje, wir hatten eine aufregende Zeit!
Familie Rahden-Yashiro, Tokio

ZEITSPRUNG

Ich lasse meinen kleinen Bruder abends
immer meinen Handywecker stellen und bin
daher schon des Öfteren morgens zu Heavy-
Metal-Bands senkrecht im Bett gestanden.
Aber heute kam Claude Debussy. So schön
wurde ich noch nie aus meinem Traumland
transportiert.
Danke, kleiner Bruder.
Rahel Schneider, Freiburg i. Br.

Wir machen mit den Enkeln einen Ausflug. In
der S-Bahn haben wir einen schönen Platz mit
einem Tisch in der Mitte. Nach einer Weile
fragt die Kleine: Opa, können wir was essen?
Ich nicke und merke, wie es in ihrem Kopf zu
arbeiten beginnt. Nach einer Weile sagt sie:
»Jetzt weiß ich auch, warum die Ess-Bahn
Ess-Bahn heißt.«
Peter Moldt, Leipzig

Ich gehe auf einem gepflegten Waldweg ober-
halb einer Häuserreihe spazieren. Ein alter
Mann harkt dort Laub. Als ich ihn anspreche,
erzählt er, dass er seiner Frau zum 50. Geburts-
tag 50 Buchen an den Wegesrand pflanzte und
dass sie bis heute täglich eine Stunde unter den
Bäumen spazieren geht.
Für sie harkt er seit 30 Jahren den langen Weg
frei!
Karin Belke, Siegen

Im Sommer haben wir geheiratet. Wenn ich
jetzt die Fotos anschaue, weiß ich, woher der
Ausdruck »sich biegen vor Lachen« kommt.
Im Standesamt, vor der Kirche, bei der Feier:
Mein Körper biegt sich vor Lachen. Und das
Schönste ist: Mein Mann strahlt mit mir um
die Wette.
Marita Loss, München

Nach diversen Operationen und insgesamt
16 Monaten Aufenthalt in Krankenhaus und
Reha komme ich endlich wieder in meinem
geliebten Zuhause an. Es ist mir fast ein wenig
fremd geworden. Doch da sitzt meine Haus-
und Hofamsel auf dem Dach gegenüber und
singt und pfeift wie immer. Ich hätte mir
keinen schöneren Empfang vorstellen können.
Erich K. Russig, Linkenheim-Hochstetten,
Baden-Württemberg

Meine Frau war mit dem Zug unterwegs und
hatte ihr Fahrrad dabei. Im Abteil sonst nur
E-Biker. Der Schaffner bei der Fahrkarten-
kontrolle: »Oh, Sie fahren ein I-T-S-Rad!« Auf
den fragenden Blick meiner Frau ergänzt er:
»I-T-S – Ich trample selbst.«
Johannes Kiuntke,
Metzingen, Baden-Württemberg

Ins Thermalbad zu gehen, zu schwimmen,
etwas Gymnastik zu machen, das warme
Wasser ausgiebig zu genießen – und dann, als
ich beim Umziehen in der Kabine meine
Socken aufheben muss, festzustellen, dass ich
(84 Jahre) mich plötzlich wieder bis zur Erde
bücken kann!
Peter Kania,
Markdorf, Baden-Württemberg

Mein Sohn, der seinen Lenkdrachen durch
den Wind manövriert und sich juchzend über
jeden gelungenen Looping freut.
Jennifer Bosch, Düsseldorf

Nach einer langen Reise nebst Umzug fällt mir
beim Auspacken meiner Umzugskartons der
Was-mein-Leben-reicher-macht-Kalender in die
Hände. Beim Nachlesen der Geschichten von
sechs Monaten vergesse ich Raum und Zeit.
Lena Pulz, Köln

Im Garten betrachte ich die Sonnenblume,
schläfrig am Zaun ... Und denke spontan, das
war doch ein Vers aus einem Gedicht?! Ich
blättere in einigen Büchern und finde es
tatsächlich wieder: Es ist von Georg Britting
und heißt »Goldene Welt«. Wunderschön!
Beate Hannen, Osann-Monzel,
Rheinland-Pfalz

Schwimmen im See. Seit Juli 2018, den
ganzen letzten Winter hindurch bis heute ...
Kälteschwimmen heißt – den Kopf leeren,
von einer Sekunde auf die andere. Für mich
der Reset-Knopf schlechthin bei der
Begleitung meiner demenzkranken Mutter.
(Die Demenz ist eine große Herausforde-
rung – für sie selbst und für uns alle, die wir
jetzt ihr Netzwerk bilden.)
Almut Rutrecht, Aachen

Leben


Wa s mein


reicher macht


Machen Sie mit!
Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
teilen Sie Ihre »Wortschätze« und
»Zeitsprünge« mit uns.
Beiträge bitte an [email protected] oder an
Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg

W


ie es ist, hundert zu werden? An-
strengend! Der Geburtstag selbst
natürlich sowieso: Mittags der
große Empfang und abends die
Feier nur mit Kindern, Enkeln und Ur enkeln,
das sind ja auch schon 38 Personen. Ich habe
eine kleine Rede gehalten, von den Gedichten
dagegen, die ich vorbereitet hatte, habe ich am
Ende doch die meisten weggelassen.
Insgesamt muss man einfach akzeptieren,
dass man keine 80 mehr ist. Da ist der Schwin-
del, den ich jedes Mal spüre, wenn ich aufstehe,
da muss ich dem Kreislauf erst mal ein paar
Sekunden Zeit lassen, sich wieder einzupen-
deln. Und die Knie tun mir weh. Seit etwa
einem Jahr sind Treppen daher ein Problem.
Wenn ich morgens aufwache, mache ich
deshalb schon im Bett ein bisschen Gymnastik,
um die Gelenke in Schwung zu bringen, dann
nach dem Aufstehen noch mal zehn Minuten
Kniebeugen und Liegestützen. Ich muss mich
jedes Mal zusammenreißen, aber hinterher
fühle ich mich besser. Musik hilft übrigens,
habe ich festgestellt, ideal ist Marschmusik.
Wenn Sie mich als Arzt nach Ratschlägen
fürs Altwerden fragen, würde ich sagen: Passen
Sie auf Ihr Gewicht auf, halten Sie Maß beim
Alkohol, und suchen Sie sich eine Aufgabe,
machen Sie sich nützlich.
Der letzte Punkt ist meiner Erfahrung nach
der wichtigste: Bis 1984 habe ich die Chirurgie
eines Krankenhauses geleitet. Dann wurde ich
pensioniert. Auf einer Wallfahrt traf ich einen
Pater von den Philippinen, der mich um Un-
terstützung bat. Seither habe ich versucht, das
Leben der Menschen in den Elendsquartieren
von Manila ein bisschen besser zu machen. Wir
haben Brunnen gebohrt, Intensivstationen für
Leprakranke gebaut und uns um Tuberkulose-
Therapien gekümmert. Im Rückblick betrach-
tet sind mir die 35 Jahre als »German doctor«
wichtiger als meine 25 Jahre als Chefchirurg.
Der Tod hat in meinem Leben immer eine
Rolle gespielt. Die erste Begegnung mit ihm
hatte ich, als mein Bruder mit sechs Jahren in
einem kleinen Sarg in der Erde versenkt wurde.
Er hatte sich beim Klettern verletzt und starb
an der In fek tion. Ich war damals vier Jahre alt.
Mit 20 war ich Soldat. Einmal mussten wir
nach einem Heckenschützen-Überfall in der
Ukraine ein Haus durchsuchen. Unter einem Berg
Federbetten fand ich einen jungen Mann – neben
sich eine Handgranate. Die hätte mein Tod sein
können. Aber ich sah seine flehenden Augen. Da
nahm ich ihm das Ding weg und ließ ihn laufen.
Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.
Als Arzt war ich immer mit dem Tod kon-
frontiert, auch wenn man natürlich alles tut,
um ihn zu verhindern. Aber wenn man so mit-
ten im Leben steht, verdrängt man den Gedan-
ken ans Jenseits. Das ist eine andere Wirklich-
keit, die sich mit unseren naturwissenschaft-
lichen Kategorien von Raum und Zeit nur
schwer verträgt. Jetzt, da ich dem Ende selbst
näher bin, denke ich natürlich doch öfter daran.
Ich glaube an ein Leben danach, in welcher
Form auch immer. Insofern schreckt mich der
Tod eigentlich nicht, eher schon das Sterben.


... 100 Jahre alt


zu werden


WIE ES WIRKLICH IST

Dr. Otto Paulitschek, 100,
arbeitete als Chirurg
und lebt in Krefeld

Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist«
berichten möchten,
melden Sie sich bei uns: [email protected]

»Sunndagsfien«


In meiner Kindheit im
Münsterland sprachen die
Erwachsenen noch Plattdeutsch.
Wenn meine Tante etwa
sonntags für den Kirchgang ihr
bestes Kostüm herausholte,
dann nannte sie diese Kluft
sunndagsfien, also sonntagsfein.

Auch wenn sie zum Arzt ging,
zog sie Schürze und Alltagsrock
aus. Für solche Gelegenheiten
war aber allenfalls ein etwas
feinerer Rock nebst passender
Bluse angesagt. Das war dann
halfsunndagsfien.

Maria Borgmann, Düsseldorf

MEIN WORTSCHATZ

Aufgezeichnet von Jutta Hoffritz

Die Elefantendame Rosie lebt in Texas. Sie ist ein asiatischer Elefant, was man an den kleinen Ohren erkennt. Menschen, die sie getroffen haben, beschreiben sie als ruhig und anmutig. Fotografiert von Randal Ford

Folge 175


Du siehst aus, wie ich mich fühle


Wa s ha t


Im Dezember blickt die ZEIT auf das Jahr zurück.
Eine Seite wollen wir dabei unseren Leserinnen und Lesern widmen.
Schreiben Sie uns bis zum 8. November,
welche Entdeckungen Sie in diesem Jahr gemacht haben.
Beiträge bitte an: [email protected]

Die schönsten Beiträge aus »Was mein Leben reicher macht« und
»Mein Wortschatz« gibt es jetzt als Abreißkalender für 2020.
Für 15,99 Euro erhältlich im Buchhandel oder unter shop.zeit.de

2 019


für Sie


reicher gemacht?


Illustration: Eva Revolver für DIE ZEIT; kl. Fotos. privat

74 17. OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 43

Free download pdf