Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

Panorama
Reise


Fotos: Karin Jaeger; Marco Poderi

Radikal regional:
Die rote Türlinksam
Ende des Parks führt
in Gilmores Gemüse-
garten. Das T ripty-
chon v on Ai Weiwei
aus L egosteinen in
der L -förmigen Lounge
untenlässt sich
als Anspielung auf
Botturas unerschro-
ckenen Umgang
mit kulinarischen
Traditionen les en.

lers, der schon den Orient-Express ausgestattet hat,
und breite Subway-Fliesen, die bei jedem Gast in ei-
nem anderen satten Farbton glänzen. Die Vorhänge
wurden gemeinsam mit Caterina Fabrizio von der
Firma Dedar ausgewählt, die eigens anreiste, um ver-
schiedene Stoffe im milden, von den hohen Eichen und
Zypressen des Parks gefilterten Licht vor Ort auszu-
probieren. Bei Möbeln und Leuchten wurde der Fokus
auf i talienisches Vintage-Design gelegt. Einige Stücke
übernahm man von den Vorbesitzern, vieles stammt
von Antikhändlern, und manches stand zuvor im Res-
taurant oder in der eigenen Wohnung der Hausherren.
Während Gilmore für die Hängung der Kunst einen
detaillierten Plan erarbeitet hatte, wurde beim Arran-
gieren d er Möbel mit Wonne probiert, geschoben, ge-
tauscht. Mi t dem Einrichten sei es eben wie mit dem
Kochen, fin det Gilmore: „Massimo sagt immer, er erfinde ja nichts
Neues, er arrangiere nur historisch Gewachsenes mit frischem
Blick neu.“ Abgeschmeckt wurde das in seinem Eklektizismus
harmonische Interieur mit überraschenden Details: zwei exaltiert
geschwungene Stühle mit bestickten Sitzen an der Rezeption –
von Gucci, wie auch die bunten Sneakers, die das Personal statt
klassischer Uniform trägt –, ein Stapel alter Goyard-Koffer in ei-
nem Fl ur, eine Zeichnung von Robert Longo in einem Gästebad.
Nichts da von wirktfancyoder au f Effekt bedacht. Dem Gast,
der s ich darauf einlässt, kommt es vielmehr vor, als könne er dem
angeregten, ja ausgelassenen Austausch zwischen Dingen, Zeiten
und ni cht zuletzt dem Esprit der heutigen Hausherren lauschen –


und vi elleicht sogar ein wenig mitplaudern. Er mag verwundert
feststellen, dass man die einzelnen Schichten, die das Haus so
sinnlich und lebendig machen, mitunter sogar schnuppern kann.
Und w enn er es sich spätabends nach Botturas flirrendem Zitrus-
dessert „Oops! I Dropped the Lemon Tart“ noch im „Proust“-Sessel
bequem macht und eine fleckige, alte LP mit „Tanzmusik von der
Renaissance bis zum Biedermeier“ auflegt, wird ihm vielleicht
kurz ein wenig schwindlig angesichts der hohen ästhetischen Aro-
mendichte. Man könnte es „Maria-Luigia-Syndrom“ nennen.

Doppelzimmer ab 450 Euro, inklusive Frühstück und Snacks. Die „dining expe-
rience“ ( 450 Euro pro Person, inklusive Getränke) kann nur mit Übernachtung
gebucht w erden. Sonntags und montags geschlossen.casamarialuigia.com

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