Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

Porträt: Horst P. Horst/Condé Nast via Getty Images; Fotos: Herz Belperron (3)


A


us den goldenen Schneckenhäusern sprudeln Perlen. Ohrringe wie
Mikroskulpturen. Und zugleich eine wundervolle Metapher für
Suzanne Belperron selbst, die eine diskrete Frau war, in sich ge-
kehrt, in sich ruhend. Und doch sprühend vor Fantasie und Geist.
Eine Schmuckkünstlerin, die keines ihrer Stücke
je signiert hat. Auch auf dem Höhepunkt
ihres E rfolges in den 30er- und 40er-
Jahren nicht. 9200 Zeichnungen
sind von ihr überliefert. Nirgends
auch nur ein Initial. „Mein Stil ist
meine Signatur“, sagt sie. In Be-
sançon wächst sie auf, besucht
dort die Kunstschule und gewinnt
alle Preise – zu betörend sind ihre
Entwürfe. Gleich nach dem Diplom zieht
sienach Paris. Paris! Hemingways Fest fürs Leben. Wo die Damen
der Café Society den Ton angeben, Frauen, die sich aus den
Schmuckvitrinen und vom Leben das nehmen, was ihnen passt.
Josephine Baker tanzt in den Folies Bergère, Coco Chanel, Jeanne
Lanvin, Elsa Schiaparelli entwerfen ein neues Frauenbild und

Jeanne Boivin die Juwelen dazu. Boivin erkennt das Talent der jun-
gen S uzanne u nd macht sie zu ihrer Co-Direktorin. Es entsteht
Schmuck, d er mit dem Art déco nur noch die Klarheit, die Präzisi-
on der Linien gemein hat. Schwungvoll und kühn sind sie, diese
Stücke, indenen Belperron Diamanten und Rauchquarz, Chalce-
don undBergkristall zusammenbringt, großzügig, von einer atem-
beraubenden Modernität und dabei von klassischer Schönheit.
Denn in allem, was unvergänglich ist, war sie schön: Proportionen,
Konturen, Harmonien, äußerlich und innerlich. Als Bernard Herz,
Perlen- und Juwelenhändler, der 1932 eigens eine Firma für sie
gründet, von der Gestapo verhaftet wird, ver-
sucht sie alles, um ihn zu retten – verge-
bens. Herz wird in Auschwitz ermor-
det. Nur sein Sohn Jean kehrt
zurück. Mit ihm wird sie bis 1974
die Société H erz-Belperron wei-
terführen. „Schmuck ist eine pri-
vate Angelegenheit“, sagt Belper-
ron und empfängt Jean Cocteau
oder „Vogue“-Legende Diana Vreeland
in ih rem Appartement. Längst ist sie zur
Ikone einer neuen Generation von Gestaltern geworden, ihr Chic
bleibt unerreicht. Wohl, weil sie etwas sehr Seltenes besaß. Das, was
Yves Saint Laurent einmal „die Eleganz des Herzens“ nannte.

TextSimone Herrmann

2007 wurde das Archiv von Suzanne Belperron (1900–1983) entdeckt, 2015 die
Maison Belperron in New York neu gegründet. Reeditionen:belperron.com





Suzanne


Belperron


Ikonisch! „Spiralen“-
Clips(unten li., 1946)
nach dem Entwurf
von Suzanne Belper-
ron (Foto: Horst P.
Horst, 1933). Die Blät-
ter des Colliersoben
aus grauem Gold
(1932)sind aus Chal-
cedon geschnitten.
Bei der Brosche „Demi-
fleur“linksmit S tern-
rubin v on 1932 sitzen
Rubinbeeren auf
Amethystblättern.

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