Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

Fotos: Little Greene; Fromental; Focus – Atelier Dominique Imbert


E


s ist jedes Jahr das Gleiche: Die Tage wer-
den kürzer, die Abende dunkler und käl-
ter – u nd prompt schaltet eine vor Urzeiten
aufgespielte innere Sehnsuchts-Software
um von Chillen am See auf Kuscheln vorm
Kamin. Die wärmende Glut, der gemein-
same Blick in die Flammen: Offenes Feu-
er ist e in archaisches Versprechen von Ge-
borgenheit. Doch es lässt sich heutzutage
gar nicht mehr so leicht einlösen. Wer sich
in Zeiten von Immissionsschutzgesetzen,
Feuerstätten- und Energiesparverordnun-
gen einen holzbefeuerten Kamin wünscht,
muss – zu Recht – so einiges bedenken.
„Die erste Frage ist: Was ist Ihnen am
wichtigsten, wenn Sie an Ihren neuen Ka-
min denken?“, sagt Christian Buchfellner,
Ofenbauer und Inhaber von Chiemsee
Öfen im oberbayrischen Raubling. Möchte
man einfach nur gemütlich ins Feuer gu-
cken oder will man mit dem Kamin auch
heizen, soll er also Wärme speichern? Ist
Letzteres der Fall, scheidet ein klassischer
offener Kamin im Grunde schon aus. Denn
sein Wirkungsgrad ist gering, und er gilt
als reine „Zi erfeuerstätte“. Als solche un-
terliegt er keinen Prüfungen hinsichtlich
Schadstoffemission, dafür darf er aber
auch nur gelegentlich betrieben werden.
Wie oft, variiert regional und wird vom

örtlichen Kaminkehrer festgelegt. Dazu
kommt, dass in manchen Neu- und nach-
träglich gedämmten Altbauen die Zuluft-
zufuhr nicht gewährleistet ist; eine Prob-
lemlage, die durch den Dunstabzug oder
eine Lüftungsanlage verstärkt wird, mit-
hilfe kleinerer Umbauten allerdings meist
behoben werden kann. Und zu guter Letzt
mag ein prasselndes Kaminfeuer zwar die
Nerven beruhigen; das ökologische Ge-
wissen aber mitunter weniger, denn die
wertvolle Ressource Holz wird relativ in-
effizient verheizt und dabei Kohlendioxid
und gelegentlich auch Methan freigesetzt.
Gerade bei unsachgemäßer Auswahl oder
Lagerung des Holzes kann zudem Fein-
staub nach innen und außen gelangen.
Eine geschlossene Brennkammer löst
einige dieser Probleme. „Es gibt zuneh-
mend mehr Gründe, so vorzugehen“, be-
stätigt der Architekt Tim Sittmann-Haury,
dessen Büro Raumstation Erfahrung mit

Raffiniert integriert:
Die travertingerahmte
Feuerstelleli.strahlt
im Ensemble mit einer
Guanyin-Figur aus
chinesischem Porzel-
lan und einer Eglomisé-
Tafel der Künstlerin
Rachel Schwalm. Als
Fond eine handbe-
malte Tapete von Fro-
mental.U.:Ein verglas-
ter„Agorafocus 850“
bildet das heiße Herz
einer umgebauten La-
gerhalle in Marseille.

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