Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1

Architektur
Projekt


ein bisschen wie die atmungsaktive Membran einer Goretex-Jacke.
Wieder so ein Fall eines sich selbst regulierenden Organismus, ei-
nes Hauses, das atmet und sich schlicht durch seine Bauweise an
die Bedingungen seiner Umgebung anpasst. Ein Prinzip freilich,
gibt Tudó zu, das nur hier vor Ort so funktioniert, wo die Tempe-
raturen ganzjährig hoch sind und es selten länger als ein, zwei
Tage am Stück regnet. Das macht es auch leichter, den Übergang
von draußen nach drinnen als Kontinuum zu gestalten, als Abfol-
ge von Räumen, die sich mal mehr, mal weniger von ihrer Um-
gebung abschotten – oder in diese öffnen. Im Fall der Casa 1311
markieren die Architekten das in den eigentlichen Wohnräumen
durch verputzte Wände und Estrich, während die beiden über-
dachten Patios als Übergangsräume roh blieben und die Ziegelop-
tik auch in den Böden fortsetzen. Ein anderer Wohnbau, er trägt
die Nummer 1413, verlegt den transitorischen Raum auf die Gar-
tenseite: Zur Straße hin gibt sich der lang gestreckte Flachbau
beinahe hermetisch geschlossen, gegenüber aber liegen deckenho-
he Panoramafenster, die sich auf ganzer Breite öffnen lassen. Wie
ein Zaun fasst das L-förmige Haus den Garten ein; eine poetische
Spur der Steinmauer, die das Grundstück einst umgab. Und eine
tatsächliche: Die alten Steine sind sichtbar in die neue Fassade
integriert. So tragen die meisten Arbeiten der Harquitectes Spuren
des Vergangenen in sich, mal buchstäblich, mal als Idee. Nie aber
als leeres Zitat, sondern stets als Teil eines Experiments, mit dem
die namenlosen Architekten ungekannte Räume schaffen, denen
vielleicht der Name fehlt, nie aber die Persönlichkeit.


Harquitectes


Architekten, Barcelona

Casa 1311, Castelldefels
Zwei überdachte Patios, erkennbar am Ziegelboden(rechtsBlick
vom einen Innenhof durch den Wohnraum hindurch in den ande-
ren), strukturieren das einstöckige Wohnhaus aus Backstein. Iso-
lierung und tragende Struktur vereinten die Architekten in einer
einzigen Schicht aus Ziegeln, die außen unverhüllt blieb(oben).

2000 gründeten David Lorente, Josep Ricart, Xavier
Ros und Roger Tudó ihr gemeinsames Studio. Das mitt-
lerweile 20-köpfige Team arbeitet in allen Maßstäben
und baut Wohnhäuser ebenso wie große öffentliche
Objekte – stets mit Hang zum Experimentellen.
Jüngstes Projekt: ein Wettbewerb für einen Kindergarten.
harquitectes.com

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