Architectural Digest Germany - 11.2019

(coco) #1
Architektur
Garten

sen blühen Geißraute, Storchschnabel, Prärielilien, Bocksbart, Ei-
senhut, Bergastern, Steppenkerze, Palisaden-Wolfsmilch, Gräser,
Pflanzen, die es in den heimischen Wiesen kaum noch gibt. Mitt-
lerweile ha ben Jamie und ich ein Versuchsfeld, auf dem wir Wild-
und Steppenpflanzen erproben, aber auch Gestaltungsmöglich-
keiten: Mohn und Kornblumen,Ammi majusund Cos meen. Jede
Pflanze ha t ihr ganz eigenes Gefolge von Tieren. Selbst giftige wie
Bärenklau oder Safranreben sind wichtig für das Ökosystem. In
Zeiten d es Klimawandels sollten wir mit unseren Gärten Nischen
für die Natur schaffen. 97 Prozent unserer heimischen Blumen-
wiesen sind schon verloren, es kommt auf jeden Meter Boden an.

„Wir haben Breitblättrigen Rohrkolben“, erzählt Tania Compton(o.),„den ich ab und
zu licht e und in unsere Vasen stecke.“ Den Libellen-Teich hat sie für ihren Sohn ange-
legt, „ Freddie wollte einen Fischweiher“. Auf der nahen Wiesere.blühtVerbena bo­
nariensis– d as Patagonische Eisenkraut, „eine von Dutzenden Steppenpflanzen, die
bei uns heimisch geworden sind. Ein Schatz im Zeitalter der globalen Erwärmung.“

Das Gan ze ist also auch eine Art Naturreservat?
Natürlich, aber auch Selbstschutz. Einen Garten sollte man ge-
nießen, wer will sich schon totarbeiten – und wer, außer einigen
meiner K unden, kann heutzutage noch mehrere Gärtner beschäf-
tigen? Vielleicht s ind Wiesen mit Wildblumen deshalb so beliebt.
Und gibt es e twas Schöneres, als in einer Wiese zu liegen, in den
Himmel zu schauen – manchmal sind ganze Wolkenregatten dort
oben! – u nd all die Tiere zu beobachten? Libellen flitzen wie elek-
trische b laue Fischchen durch die Euphorbien, als wären es Ko-
rallenriffe. Wir haben so viele Vögel, Nachtschwalben, Käuzchen,
Eisvögel, a ber auch Bienen, Grashüpfer, Spinnen, Motten, Schmet-
terlinge – neulich hat Jamie sogar einen
Gr0ßen Schillerfalter unter den Vorhängen im
Drawing-Room gefunden.
Trotzdem s ind die Wiesen choreografiert,
wirken fas t wie formale Carrés.
Das k ommt durch die Rasenwege. So formie-
ren s ich die Wiesenkompartimente zum Mus-
ter. Di e Hainbuchen auf der Wiese habe ich in
Kuben- u nd Tropfenform geschnitten. Ich lie-
be Ge ometrie. Und auch in den Pflanzen-Lay-
erings steckt Gestaltung: Farbabstufungen,
Dynamik, T extur und Proportion. Da kommen
mir die Erfahrungen aus der Mode zugute.
Wann is t der Garten am schönsten?
Immer, wenn ich nicht zu Hause bin, also
jetzt! Und in Mondnächten. Die weißen Grä-
ser w ehen dann so zauberhaft im Dunkel, die
Glühwürmchen leuchten ... ach!
Was is t das Verblüffendste, das Sie je von
Pflanzen g elernt haben?
Resilienz. Pflanzen tun alles, um in unseren
Verwüstungen noch eine Lücke zu finden, zu
überleben. Wie der Ginkgo hier in New York.
Der s chafft es auch bis nach Spilsbury.

Tania Compton

„Dort hinten im Schilf


nistet e in Eisvogel!“


98
Free download pdf