Süddeutsche Zeitung - 16.10.2019

(lily) #1
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Mit aller Kraft wollte die Deutsche Bank in
den vergangenen zwei Jahrzehnten im globa-
len Investmentbanking mitmischen. Aber
nicht nur im Handel mit Anleihen oder Deriva-
ten brachte sie es zeitweise zur Meister-
schaft, sondern auch in den Disziplinen Be-
trug und Kundentäuschung, was sie von 1995
bis heute rund 20 Milliarden Dollar an Straf-
zahlungen gekostet hat. Noch immer nimmt
die Auflistung der Rechtsrisiken viele eng be-
druckte Seiten im Geschäftsbericht in An-
spruch. Sei es die Manipulation von Zinssät-
zen, krumme Geschäfte mit Immobilienkredi-
ten oder Umsatzsteuerbetrug mit CO 2 -Emissi-
onsrechten – die Deutsche Bank hat vor, wäh-
rend, aber auch nach der Finanzkrise kaum ei-
nen Finanzskandal ausgelassen. Die höchste

Strafe zahlte das Geldhaus 2017 für krumme
Geschäfte auf dem US-Häusermarkt: umge-
rechnet 6,33 Milliarden Euro.
Immer wieder weckte die jeweilige
Führung der Bank Zweifel an ihrem Willen zur
Aufklärung. Dass ausgerechnet Anshu Jain,
der 2012 vom Investmentbanking-Chef zum
Co-Vorstandschef aufstieg, die Skandale in
seinem Geschäftsbereich konsequent aufde-
cken sollte, erwies sich als Wunschtraum. Es
ist kaum anzunehmen, dass das Thema China
auf der Tagesordnung stand, als die Bank von
2012 an unter Jain und seinem Co-Chef Jürgen
Fitschen sowie Aufsichtsratschef Paul Achleit-
ner einen Kulturwandel ausrief.
Und auch unter ihren Nachfolgern John
Cryan und Christian Sewing geriet das Insti-

tut immer wieder in die Schlagzeilen, vor
allem wegen unzureichender Kontrollen in
Sachen Geldwäsche. Im vergangenen Jahr
etwa schickte die deutsche Finanzaufsicht
Bafin sogar einen Sonderbeauftragten zur
Bank. Er soll überwachen, was die Bank ge-
gen Geldwäsche tut. Strafermittler untersu-
chen zudem, welche Rolle das Institut im Geld-
wäsche-Skandal der Danske-Bank gespielt
hat. Insider bestätigten am Dienstag einen
Bericht der Nachrichtenagentur Reuters,
wonach die Deutsche Bank verdächtige Trans-
aktionen im Zusammenhang mit Danske
jahrelang nicht offengelegt hat. Mehr als eine
Million Fälle habe die Bank erst im Februar
2019 behördlich bekannt gemacht – auch
dies ein bekanntes Muster. MEIKE SCHREIBER

von petra blum, christoph
giesen, nicolas richter
und meike schreiber

D


ie Deutsche Bank hatte sich viel vor-
genommen, aber dafür brauchte
sie erst einmal Hilfe. Im Frühjahr
2005 wollte sie sich bei der staatlich kon-
trollierten chinesischen Bank Huaxia ein-
kaufen, zehn Prozent der Anteile überneh-
men. Beteiligungen wie diese galten da-
mals als wichtiger strategischer Schritt.
Die Deutschen kannten sich allerdings in
der lokalen Bankenszene nicht gut aus; ih-
nen fehlten die Kontakte und das Verständ-
nis für die örtlichen Verhältnisse. Es war
schwierig, unter den Führungskräften der
Deutschen Bank in Asien überhaupt jeman-
den zu finden, der Chinesisch sprach.
Einer der Verantwortlichen für den ge-
planten Einstieg bei Huaxia war damals
der Jurist Till Staffeldt. Er betreute von
den Büros der Deutschen Bank in Singapur
aus strategische Projekte. Staffeldt mach-
te sich dafür stark, einen externen, orts-
kundigen Helfer zu verpflichten. „Wir brau-
chen einen politischen Berater, um uns in
Peking zurechtzufinden“, schrieb er im
Mai 2005 in einer E-Mail. Es gebe auch
schon einen Kandidaten, empfohlen von
Lee Zhang, dem starken Mann der Bank in
China. Man müsse zwar Hintergrund-
Checks machen, aber sollten die in Ord-
nung sein, „sollten wir voranschreiten“. Ge-
plantes Honorar für die chinesische Fach-
kraft: mindestens zwei Millionen Euro.
Doch es gab massive Zweifel daran, dass
es richtig war, mit diesem fremden Berater
„voranzuschreiten“. Diese Zweifel sind
wohldokumentiert, es gab sie schon 2005,
und es gab sie zehn Jahre später, als exter-
ne Anwälte im Auftrag der Deutschen
Bank die Episode aufarbeiteten. Der omi-
nöse Berater war nämlich offenbar eng mit
der Familie des damaligen chinesischen
Ministerpräsidenten Wen Jiabao verbun-
den, was schon 2005 die Frage aufwarf, ob
das Honorar für ihn womöglich Schmier-
geld für den Regierungschef war.

Im Jahr 2015 äußerten die externen Prü-
fer sogar den Verdacht, dass dieser Berater
unerlaubt Insider-Informationen der Hua-
xia-Bank an die Deutsche Bank durchge-
stochen habe. Und sie erhoben schwere
Vorwürfe gegen Manager Staffeldt. Er ha-
be interne Regeln missachtet, seine Pflich-
ten vernachlässigt und die Untersuchung
behindert, notierten die Prüfer. Der Fall ist
ein Lehrbeispiel dafür, wie Zeit- und Er-
folgsdruck im Wirtschaftsleben selbst ele-
mentare Spielregeln verdrängen. Weder
die Deutsche Bank noch Staffeldt wollten
sich auf Anfrage von SZ und WDR äußern.
Der Karriere Staffeldts hat die Sache lan-
ge nicht geschadet. Er kehrte 2006 nach
Deutschland zurück und übernahm ver-
schiedene Leitungsposten. Zuletzt trat er
in einem Video auf, in dem die Bank um
Nachwuchskräfte warb. „Compliance ist
ein wachsender Bereich (...) Wir möchten
in diesem Jahr ein paar Hundert Leute ein-
stellen, um diese Bank besser und sicherer

zu machen“, sagte er. Die Bank stellte ihn
in dem Video als „Global COO (Chief Opera-
ting Officer) Regulation, Compliance und
Anti-Financial Crime“ vor, dieses Amt hat-
te er nach Auskunft der Bank von Februar
2017 bis Juli 2019 inne. Staffeldt gehörte
demnach lange zur oberen Führungsriege
der Bank und war einer der höchsten Ver-
antwortlichen für die Einhaltung von
Recht und Gesetz. Und dies, obwohl ihm ex-
terne Anwälte im Jahr 2015 Fehlverhalten
in China vorgeworfen hatten.

Der Konzern hat Staffeldt auch andere
Aufsichtsfunktionen anvertraut. Er gehört
bis heute dem Aufsichtsrat der Deutschen
Bank Italien an, zudem hat ihn die Post-
bank, eine Tochter der Deutschen Bank,
zeitweise zum Ersatzmitglied im Aufsichts-
rat bestimmt, für den Fall, dass ein Mit-
glied ausscheidet. Die Kritik externer Prü-
fer im Jahr 2015 scheint Staffeldt nicht für
höhere Aufgaben im Bereich Aufsicht dis-
qualifiziert zu haben.
Im Jahr 2005, als Staffeldt in Asien war,
sollte die Deutsche Bank in China nach
dem Willen ihrer Chefs stark wachsen. Sie
sollte zu den Konkurrenten aus den USA
aufschließen, die China ebenfalls als neu-
en Markt für Investmentbanking erobern
wollten. Dazu kamen Eigenheiten Chinas,
wo man im Geschäftsleben ausgiebig per-
sönliche Beziehungen nutzt. So kam es in
der Bank zu Konflikten zwischen den Ma-
chern, die mehr Umsatz wollten, und je-
nen, die auf strenge Regeln pochten.
Beim geplanten Anteilskauf der Huaxia-
Bank schien der Druck im Inneren der
Deutschen Bank besonders groß zu sein.
Der leitende chinesische Mitarbeiter Lee
Zhang, der intern „Mister China“ genannt
wurde, wollte sich offenbar mit dem Deal
beweisen. Es war denn auch sein Wunsch,
den externen Berater zu verpflichten. Der
deutsche Manager Staffeldt machte sich
diesen Wunsch zu eigen. „Wenn der Hinter-
grund des Beraters okay ist, sehe ich kei-
nen Grund, warum wir ihn nicht verpflich-
ten sollten“, schrieb Staffeldt in einer
E-Mail. „Wenn das notwendig ist, um vor-
anzukommen, ist das Geld gut angelegt.“
Der Druck war auch deswegen so groß,
weil die Deutsche Bank nicht als Einzige an
dem chinesischen Geldhaus Huaxia inter-
essiert war. Andere Konkurrenten, etwa
die Société Générale, wollten ebenfalls in-
vestieren. Der faktische China-Chef Lee
Zhang drängelte also pausenlos. „Bitte
schließe den Beratervertrag so schnell wie
möglich ab“, schrieb Zhang dem Deut-
schen Staffeldt, und schon am nächsten
Tag fragte er nach: „Wie lange wird die
Überprüfung dauern?“ Anderthalb Wo-
chen später schrieb Zhang an mehrere Ma-
nager, unter ihnen Staffeldt, man habe
Schwierigkeiten wegen der Verzögerun-
gen. Die Deutsche Bank werde als „arro-
gant und unflexibel“ wahrgenommen.
Die Bank hatte unterdessen die Detek-
tei „Background Asia“ in Singapur beauf-
tragt, den Hintergrund des Beraters auszu-
leuchten – eine Vorsichtsmaßnahme, um
auszuschließen, dass der Berater zum Bei-

spiel kriminell war. Am 1. Juni 2005 melde-
te sich die Detektei mit einem ersten Ein-
druck. Man habe mit mehr als zehn Quel-
len gesprochen, und niemand kenne den
Mann. Das sei mehr als merkwürdig für ei-
nen, der sich als Dealmaker gebe. Immer-
hin gebe es keine Hinweise auf Skandale.

„Schlimmstenfalls übertreibt diese Person
ihren Einfluss und ihre Kontakte.“
In der Bank zog man aus dieser Nach-
richt gegensätzliche Schlüsse. Manager
Staffeldt erklärte, er wolle den Berater nun-
mehr verpflichten. Die Experten für Recht
und Compliance dagegen waren nun erst

recht skeptisch. Eine leitende Compliance-
Mitarbeiterin schrieb an Staffeldt: „Wenn
diese Person am Markt und in der Branche
unbekannt ist, warum bezahlen wir dann
für ihre Dienste, und was bezahlen wir ei-
gentlich? Meine Sorge ist, dass der Kandi-
dat ein Strohmann ist für jemand ande-

ren.“ Bald danach wurde sie noch deutli-
cher. Sie sei besorgt, schrieb sie in einer
Mail an Staffeldt, dass der Berater „als Mit-
telsmann benutzt wird, damit jemand in
der Regierung, einer politischen Partei
oder (...) Organisation illegale Zahlungen
erhält“. Wenig später wandte sich dann
auch noch der Chefsyndikus an Staffeldt.
„Keiner von uns hat diesen designierten Be-
rater je getroffen. (...) Während es als posi-
tiv gesehen werden kann, dass die bisheri-
gen Recherchen der Compliance-Abtei-
lung so gut wie nichts über diese Person of-
fenbart haben, wirft es die offensichtliche
Frage auf: Warum würde sich die Deutsche
Bank an eine solche Person binden, noch
dazu bei einem solch wichtigen und strate-
gischen Geschäft?“
Staffeldt war offensichtlich frustriert
von dem Hin und Her. Er leitete die
E-Mails des Chefjuristen an den umtriebi-
gen und ungeduldigen China-Chef Lee
Zhang weiter mit den Worten: „Nur unter
uns: Das ist nur ein kleiner Eindruck von
dem, was ich durchmache.“
Am 3. Juni 2005 erhielt Staffeldt neue
Erkenntnisse der Detektei. Demnach sei
der ominöse Berater offenbar befreundet
mit dem Sohn des Premierministers Wen
Jiabao und habe wohl für eine Firma gear-
beitet, die der Frau des Premiers gehöre.
Eine solche Nähe zur Familie eines mächti-
gen Politikers lässt Korruptionsexperten
aufhorchen. Eine E-Mail vom 3. Juni legt
aber nahe, dass Staffeldt noch am selben
Tag den Beratervertrag rausschickte.
Vier Tage später, am 7. Juni 2005, erhielt
die Deutsche Bank schließlich den Schluss-
bericht der Detektei Background Asia. Da-
mit wurde das Bild noch einmal klarer: Der
Berater war demnach der Geschäftsführer
einer Diamantenfirma, die der Ehefrau
von Premier Wen gehörte. In dem Schluss-
bericht hieß es auch, dass niemand in der
Bankenwelt den Berater kenne. Obwohl
dies allerhand Grund zur Sorge bot, setzte
die Deutsche Bank die Zusammenarbeit
mit dem Berater fort. Es gab nie eine
schriftliche Dokumentation darüber, was
er eigentlich geleistet hatte.

Als Staffeldt zehn Jahre später von exter-
nen Anwälten angehört wurde, sagte er
laut Zusammenfassung, dass er nicht al-
lein entschieden habe, sondern mit der
Strategie-Abteilung und den Justitiaren in
Frankfurt. Staffeldt räumte demnach ein,
dass die Informationen über den Berater
rückblickend Sorge auslösten. Damals
aber hätten alle den Deal gewollt und dem
faktischen China-Chef Lee Zhang vertraut.
Eine externe Kanzlei, die 2015 von der
Bank mit der Aufklärung beauftragt wor-
den war, sah Hinweise, dass der Berater re-
gelwidrig interne Informationen von Hua-
xia an die Deutsche Bank durchgestochen
habe. Dies hätten interne E-Mails nahege-
legt. In einer davon habe Staffeldt geschrie-
ben, dass China-Chef Zhang zwar nicht vor-
hersagen könne, wie viel die Konkurrenz
biete, man habe aber einen Berater ver-
pflichtet, „der uns mit dem Argument ver-
kauft wurde, er habe den nötigen Ein-
blick“. Staffeldt erklärte später, er könne
sich an diese Mails nicht erinnern.
Die Kanzlei befand auch, dass Staffeldt
seine Pflichten verletzt habe. So habe er
den Beratervertrag ausgestellt, bevor der
Hintergrund-Check abgeschlossen wor-
den sei. Er habe nicht darauf bestanden,
dass ein zuständiger Manager den Berater
persönlich getroffen habe. Er habe es ver-
säumt, seine Vorgesetzten zu alarmieren,
und habe sogar die Aufklärung erschwert,
indem er sich auf Gedächtnislücken beru-
fen und alle Schuld auf Zhang geschoben
habe. Der Bericht stammt aus dem Jahr


  1. Im Jahr 2017 wurde Staffeldt zum
    Global COO für Compliance befördert.


Reich an Skandalen


Sie bezeichneten ihn ehrfürchtig als „Mis-
ter China“ der Deutschen Bank: Zhang
Hongli oder Lee Zhang, wie er sich selbst
meist nannte. Ein Mann, der sich in beiden
Welten auskannte. Im chinesischen Ge-
schäftsdickicht, in dem es oft um die
richtigen Kontakte, Präsente und rote Um-
schläge voller Geld geht, genauso wie in
den Strukturen eines westlichen Unterneh-
mens, das sich an strenge Regeln halten
muss. Der Chinese Zhang hatte in Kanada
studiert, später in Kalifornien gelebt und
dort für Hewlett Packard gearbeitet. 2001
warb die Deutsche Bank ihn von der ameri-
kanischen Investmentbank Goldman
Sachs ab. Damals lag man hoffnungslos im
Hintertreffen im sich öffnenden China.
Bereits 1995 hatte der US-Wettbewer-
ber Morgan Stanley dabei geholfen, die ers-
te chinesische Investmentbank zu grün-
den. Zwei Jahre später brachte Goldman
Sachs den Staatskonzern China Telecom in
Hongkong an die Börse. Und die Deutsche
Bank? Sie war außen vor. Bis jener Zhang
kam und sich unverzichtbar machte. Er ver-
schaffte Vorständen Termine bei Kadern
und fädelte Deals ein. Oft war er alleine mit
dem damaligen Vorstandschef Josef Acker-
mann in Peking unterwegs. Ein hochrangi-
ger Manager erinnert sich, dass häufig
Winston Wen, der Sohn des damaligen
Premierministers Wen Jiabao, an der Bar
wartete, auch spät nachts, wenn Zhang
und er von Terminen zurückkamen.

Anfangs schob man das auf Zhangs gute
Kontakte und war stolz, ihn, diesen gebore-
nen Netzwerker, in den eigenen Reihen zu
wissen. Vor allem mit der Familie Wen, der
Sippe des damaligen Ministerpräsidenten,
schien Zhang sich bestens zu verstehen.
Mit Winston Wen spielte er Golf. In Windes-
eile beförderte die Bank ihn. Zuletzt war er
der China-Chairman. Als Zhang nach neun
Jahren das Institut verließ, war die Bank
nach einer Aufstellung der Finanznach-
richtenagentur Bloomberg zur führenden
Investmentbank in der Volksrepublik auf-
gestiegen. Niemand bekam mehr Deals,
niemand finanzierte mehr Börsengänge.
Lee Zhang sei Dank. Im Gegenzug ließ die
Bank ihm völlige Freiheit, er konnte Kin-
der von Kadern einstellen und sich offen-
bar auch ausgiebig selbst bereichern.
Zhang äußerte sich dazu auf Anfrage nicht.

Einer internen Untersuchung nach zahl-
te die Bank auf Zhangs Initiative hin etli-
che Millionen an dubiose Berater. Die
Firmen hießen Goodrich Overseas, Golden
Zone oder Sunny World. Mal 100 000 Dol-
lar hier, mal zwei Millionen Euro dort. In
den Berichten der externen Anwälte
finden sich auch Überweisungen an eine

Offshorefirma mit Sitz auf den Britischen
Jungferninseln. Der Name: Speedy Link
Holdings Ltd. Sieben Transaktionen gab es
zwischen 2003 und 2005. Insgesamt flos-
sen 3,65 Millionen Dollar, offenbar im
Zusammenhang mit dem Börsengang des
Versicherungskonzerns China Life. Wer
der Besitzer dieser Briefkastenfirma in der
Karibik war, darüber rätselten die Anwäl-
te. Ebenfalls unklar war, wem die Offshore-
firma Amazing Channel Holdings Limited

gehörte, der die Bank 100 000 Dollar über-
wiesen hatte. Strohmännern? Einem politi-
schen Entscheidungsträger? Die Antwort
ist wohl viel banaler: Eigentümerin der
beiden Firmen war mutmaßlich Zhangs
Ehefrau, das lässt sich nun erstmals mit
Hilfe der Panama-Papers-Daten auflösen.

Bei der Gründung der beiden Gesellschaf-
ten hatte sie ihre chinesische Personalaus-
weisnummer angegeben. Darin verborgen
ist – wie bei allen Chinesen – das Geburts-
datum. In ihrem Fall lautet die Zahlenkom-
bination 19621016, der 16. Oktober 1962.
Dieses Geburtsdatum findet sich auch in ei-
nem Urteil des Hongkonger High Courts.
Das Gericht hatte die Singapurer Bank
DSB 2017 zu einer Schadensersatzzahlung
an Zhang und seine Ehefrau verdonnert.

Im Zuge der Finanzkrise hatte das Institut
das Geld der Familie zu risikoreich ange-
legt. Was das Gericht sich allerdings wäh-
rend des Prozesses fragte: Woher kommt
das ganze Geld? Anfang 2004 sollten zu-
nächst fünf Millionen Dollar investiert wer-
den. Wenige Monate später bereits zehn
Millionen – eine stattliche Summe für eine
Frau, die angab, als Beraterin 50 000 Dol-
lar im Jahr zu verdienen. Die Millionen sei-
en angeblich Einkünfte aus dem Verkauf
von Aktien. Die Anwälte hatten Zweifel.
Auch bei der Deutschen Bank wurde
man misstrauisch. Im August 2014 verklag-
te das Institut seinen ehemaligen China-
Statthalter. Zhang habe 2001 unbefugt
fünf Zahlungen in Höhe von insgesamt fast
vier Millionen Dollar an eine Beraterfirma
namens Harperskille genehmigt. Die exter-
nen Anwälte, die das China-Geschäft der
Bank durchleuchteten, waren sich sicher,
dass Zhang betrogen hatte. Ihre Unterla-
gen lassen wenig Zweifel daran, dass man
das halbe Dutzend Berater, die Zhang bei
der Deutschen Bank engagiert hatte, in
einem anderen Licht sah: Ähnliche Muster,
Warnsignale, schrieben die Anwälte. Vor al-
lem die Summen, welche die angeblichen
Berater bekamen, waren beachtlich. Drei
Millionen Dollar für sechs Monate waren
keine Seltenheit. Honorare, die sonst nur
Vorstände der Deutschen Bank kassieren.
petra blum, christoph giesen,
nicolas richter, meike schreiber

ILLUSTRATION: STEFAN DIMITROV

Externe Anwälte haben
dem Manager Fehlverhalten
in China vorgeworfen

Millionen flossen an Firmen,
die „Golden Zone“
oder „Sunny World“ hießen

Herr Zhang im Glück


Ein hochrangiger chinesischer Angestellter verhalf der Deutschen Bank zu einem rasanten Aufstieg in der Volksrepublik – und besaß danach auffällig viele Millionen


Die Bank beschäftigte eine
Detektei, um mehr über
einen Berater zu erfahren

Läuft doch

Bis vor Kurzem trug ein Manager
bei dem Geldhaus die Verantwortung dafür,
dass alles nach Recht und Gesetz ablief.
Ausgerechnet dieser Mann war
in einen dubiosen Deal in China verstrickt

Erhielt die Deutsche Bank
illegal interne Informationen
durch ihren Berater?

(^2) THEMA DES TAGES Mittwoch, 16. Oktober 2019, Nr. 239 DEFGH
Wen-
Familie
Deutsche
Bank
Winston Wen

Sohn und Mitbegründer
New Horizon Capital
Huang Xuhuai
befreundet
Angestellter
in Firma von
Zhang Beili
Golfpartner
Wen Jiabao
Premierminister
2003 – 2013
WenWenWenWeeenenJiJiJiJabaabaabaabao
PrePrPrePmiemiemiemrmirmirmiminisnisniiiterttee
2002002000 3––– 202020201313113
Wen Ruchun
Tochter
Jane Jin
Bekannte
hh Yang Xiaomeng
Schwieger-
tochter
Jean Kang
wurde empfohlen
Zhang Beili
Frau von Wen Jiabao
Liu Chunhang
Schwiegersohn
Liu Lina
wurde empfohlen
LiuLiuChCunhunhunhnhangangangang
Lee Zhang

China-Chef
Deutsche Bank
Josef Ackermann
Vorstandsvorsitzender
2002 – 2012
J fAkk
Geschenk

Kristallpferd im Wert
von etwa 15 000 US-Dollar
beschäftigt
Angestellte mit Verbindung
zur Wen-Familie
investiert
in Unternehmensbeteiligungs-
gesellschaft Winston Wens,
Einladung zu Golfreisen
beschäftigt
Huang Xuhuai
als Berater
SZ-Grafik: Sarah Unterhitzenberger; Quelle: SZ
Deutsche Bank in ChinaSchon als das Frankfurter Geldinstitut 2005 ganz groß in das Geschäft mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht
einstieg, gab es intern erhebliche Zweifel. Von Strohmännern und dem Verdacht auf Schmiergeldzahlungen für Familien
einflussreicher Funktionäre war die Rede. Doch die Bedenken wurden damals achtlos beiseitegewischt. Das könnte sich noch rächen
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