Süddeutsche Zeitung - 16.10.2019

(lily) #1
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Feldkirchen – Im „Haus der Jäger“ in Feld-
kirchen bei München war es am Montag
schon volle vier Stunden um Formalien ge-
gangen, ums Organisatorische zur außeror-
dentlichen Delegiertenversammlung am


  1. Oktober und ganz generell um die Lage
    des Bayerischen Jagdverbands. Doch mit
    einem Mal war diese Lage eine ganz ande-
    re, denn nach vier Stunden Präsidiumssit-
    zung fand offenbar auch Jürgen Vocke,
    dass es für ihn Zeit war: Bayerns umstritte-
    ner Jägerpräsident kündigte völlig unver-
    mittelt an, er werde jetzt wie angekündigt
    zum nächsten Termin aufbrechen, und sei-
    ne Ämter im Jagdverband werde er bis zur
    Klärung aller Vorwürfe ruhen lassen.


Der erste, der danach das Schweigen
brach, war einer von Vockes Vizepräsiden-
ten und zugleich einer seiner internen Kri-
tiker: Moritz Fürst zu Oettingen-Waller-
stein bekundete laut Sitzungsteilnehmern
seinen Respekt vor Vockes Schritt, und „Re-
spekt“ war tags darauf auch gleich das
zweite Wort in der offiziellen Verlautba-
rung des Jagdverbands. „Mit Respekt vor
der Entscheidung und Anerkennung der
geleisteten Arbeit“ teilte der Verband also
das mit, was sich für Vocke nach langem
Streit nicht mehr hatte vermeiden lassen:
seinen vorläufigen Rückzug „insbesonde-
re bis zur endgültigen Klärung der Vorwür-
fe“, die der Memminger Kreisvorsitzende
Andreas Ruepp in einer Strafanzeige erho-
ben hatte. Seither ermittelt die Staatsan-
waltschaft wegen Untreue, Anfang vergan-
gener Woche hatte es Durchsuchungen bei
Vocke und beim Verband gegeben.

„Nach Abschluss der staatsanwalt-
schaftlichen Prüfung werde ich gemein-
sam mit meinen Präsidiumskollegen das
weitere Vorgehen beraten“, teilte Vocke am
Dienstag mit. Am Abend zuvor hatten die
übrigen Präsidialen nach Vockes unver-
hofftem Abgang noch einmal vier Stunden
ohne ihn darüber beraten, wie es nun wei-
tergehen soll. Die restliche Sitzung leitete
Vizepräsident Thomas Schreder, der über-
gangsweise Vockes Aufgaben übernom-
men hat. Er will nach eigenen Worten vor
allem Transparenz schaffen. Einen ent-
sprechenden Beschluss hat das Präsidium
dazu am Montag auch noch gefasst: Es ent-
band den Wirtschaftsprüfer Felix Wallen-
horst von seiner Schweigepflicht gegen-
über Polizei und Staatsanwälten. Der Ver-
band hatte ihn im Frühjahr auf Drängen
der neuen Schatzmeisterin Mechtild Mi-
chaela Mauer mit der Prüfung der Ver-
bandsfinanzen 2018 beauftragt. Sein Be-
richt listet viele Unregelmäßigkeiten, Ei-
genmächtigkeiten, Versäumnisse und Ge-
setzesverstöße in der Verbandsspitze auf.
Unter anderen soll Vocke unter fraglichen
steuerlichen Umständen eine hohe Auf-
wandsentschädigung bezogen, sich einen
luxuriösen Dienstwagen zur privaten Nut-
zung gegönnt und private Kosten als Spe-
sen abgerechnet haben. Der Wirtschafts-
prüfer äußerte zudem den Verdacht, dass
der seit 25 Jahren amtierende Vocke nicht
nur 2018 so gehandelt haben könnte.
Vocke hatte seither versucht, Wallen-
horst ablösen zu lassen. Die beiden Bezirks-
verbände Oberbayern und Niederbayern
haben dagegen für die Delegiertenver-
sammlung Ende Oktober beantragt, Wal-
lenhorst weitermachen zu lassen. Dann ste-
hen auch einige Anträge auf Vockes Ab-
wahl zur Abstimmung – unabhängig vom
Rückzug am Montag. matthias köpf

von anna hoben

E


s ist in diesem Verfahren viel um Zah-
len gegangen, um die exakte Größe
von Balkonen und darum, um wie
viel Euro die Miete pro Quadratmeter
Wohnfläche steigen darf. Am Ende aber
ging es um sehr viel mehr. Darum, ob die
Mieter im Hohenzollernkarree bleiben kön-
nen oder ob sie vielleicht eines Tages ge-
hen müssen, weil sie sich ihre Wohnungen
nicht mehr leisten können. Um 13.20 Uhr
am Dienstagnachmittag schließlich steht
fest: Sie werden bleiben können. Der Mie-
terverein München hat an diesem Tag vor
dem Oberlandesgericht einen richtungs-
weisenden Sieg für seine Klienten errun-
gen. Das Urteil ist bundesweit bedeutsam,
weil es sich um die erste Musterfeststel-
lungsklage im Mietrecht handelte.
Am 27. Dezember vergangenen Jahres
hatten die Mietparteien von ihrem Vermie-
ter, der Max-Emanuel Immobilien GmbH,
eine Modernisierungsankündigung be-
kommen. Linda Strehl zum Beispiel, die
seit neun Jahren in einem der Häuser der
Anlage wohnt. Er wolle das sogenannte Ho-
henzollernkarree in Schwabing mit seinen
230 Wohnungen „an eine zeitgemäße
Wohnsituation anpassen“, schrieb der Ei-
gentümer. Mit Wärmedämmungen, einem
Austausch der Fenster und Wohnungsein-
gangstüren, mit Rollläden und Balkonan-
bauten. Baubeginn solle im Dezember
2019 sein, die Kosten würden nach Ab-
schluss der Maßnahmen zu elf Prozent auf
die Mieter umgelegt – mit der Konse-
quenz, dass sich für viele die Miete dauer-
haft nahezu verdoppeln würde. Bei Linda

Strehl sollte die monatliche Zahlung von
715 auf 1411 Euro steigen. „Das könnte ich
nicht bezahlen“, sagt Strehl, die als freie
Lektorin arbeitet. In dem Schreiben war
zwar auch die Rede von Härtefallregelun-
gen, kein Mieter solle seine Wohnung ver-
lassen müssen, hieß es. Trotzdem ging von
da an die Angst um unter den Bewohnern.
200 von den 230 Mietparteien waren be-
troffen. In einem Extremfall sollte die Miet-
steigerung 163 Prozent betragen.

Bis Ende vergangenen Jahres waren sol-
che enormen Steigerungen möglich und
völlig legal – wegen einer gesetzlichen Re-
gelung, nach der ein Vermieter elf Prozent
der Modernisierungskosten auf die Mieter
umlegen konnte. Und zwar zeitlich unbe-
grenzt, also auch dann noch, wenn sich die
Kosten längst amortisiert hatten. Seit Janu-
ar dieses Jahres gilt allerdings eine neue
Rechtslage. Nun darf ein Vermieter nur
noch acht Prozent Kosten auf die Mieter
umlegen, in jedem Fall aber höchstens drei
Euro pro Quadratmeter innerhalb von
sechs Jahren. Deshalb war das Datum der
Modernisierungsankündigung in diesem
Fall so bedeutsam. Denn sie kam gerade
noch rechtzeitig vor der Änderung.
Trotzdem sei sie nicht wirksam, argu-
mentierte der Mieterverein und begründe-
te dies damit, dass die Planungen des Ei-
gentümers zum Zeitpunkt der Modernisie-
rungsankündigung noch viel zu unkon-

kret gewesen seien. Schließlich sollten die
Arbeiten erst ein Jahr darauf starten. Vor
Gericht ging es also vor allem um diese Fra-
ge: Wie weit waren die Planungen zur Mo-
dernisierung im Dezember 2018?
Sie sei „total nervös“, sagt die Mieterin
Linda Strehl vor der Verhandlung, aber sie
habe ein gutes Gefühl. Das gesellschaftli-
che Klima habe sich in den vergangenen
Monaten gewandelt, mit der Großdemons-
tration „Ausspekuliert“ im September
2018, mit dem Volksbegehren für einen
Mietenstopp in Bayern, das gerade gestar-

tet ist. Der Vorsitzende Richter des Senats
für Musterfeststellungsklagen, Nikolaus
Stackmann, fühlt zunächst vor, ob ein Ver-
gleich möglich wäre, ob der Eigentümer be-
reit wäre, die Mieterhöhungen auf drei bis
vier Euro pro Quadratmeter zu beschrän-
ken. Sechs Euro wären möglich, sagt An-
walt Wolfgang Stürzer, der den Eigentü-
mer vertritt – weniger nicht. Interessantes
Detail am Rande: Auf der Seite des Beklag-
ten sitzt auch der Bielefelder Juraprofes-
sor Markus Artz. Er hat ein Gutachten dazu
erstellt, ob die Modernisierungsankündi-

gung wirksam war. Sonst hat er zurzeit
eher mit dem Mann auf der anderen Seite
des Raumes zu tun: Mietervereins-Ge-
schäftsführer Volker Rastätter. Denn Artz
hat den Gesetzentwurf für das Volksbegeh-
ren Mietenstopp ausgearbeitet.
Der Richter befragt dann sehr ausführ-
lich den Architekten Martin Sorger, der
mit den Planungen für die Modernisierung
betraut ist. Nach einer Weile beugen sich
acht Männer in schwarzen Roben über
Din-A1-große Pläne. Es geht nun um das
Detail, ob in der Ankündigung die Größe
der anzubauenden Balkone korrekt ange-
geben ist. Für das Urteil spielt das schließ-
lich keine Rolle. „Die Mieterhöhung kann
nicht nach altem Recht erfolgen“, verkün-
det Richter Stackmann. Das Gericht habe
sich intensiv damit beschäftigt; der Pla-
nungsstand im Dezember 2018 habe die
Modernisierungsankündigung nicht ge-
rechtfertigt. Die Max-Emanuel Immobi-
lien GmbH habe die Kosten des Rechts-
streits zu tragen. Der Streitwert werde auf
250000 Euro festgesetzt. Falls der Eigentü-
mer Revision einlegt, würde sie direkt vor
dem Bundesgerichtshof erfolgen.
Das Urteil gilt für all jene 145 Mietpartei-
en, die sich in das Klageregister hatten ein-
tragen lassen. Die Erleichterung ist den
Mietern nach der Urteilsverkündung anzu-
merken. Für sie bedeutet es, dass ihre Miet-
erhöhung deutlich geringer ausfallen wird
als angekündigt. Bei Linda Strehl zum Bei-
spiel wird sie höchstens 195 Euro betragen
dürfen – statt 696 Euro. Sie will nun erst
einmal joggen gehen, die Anspannung weg-
laufen. Und am Abend wird sie mit Nach-
barn feiern. Der Sekt steht schon kalt.

München – Manchmal wird im Landtag
über Themen debattiert, über die man sich
wundern darf, warum sie im 21. Jahrhun-
dert noch eines sind. „Jüdisches Leben ist
in Bayern willkommen, ja gewünscht“,
sagt zum Beispiel Manfred Ländner (CSU)
am Rednerpult. „Es ist ein Teil unserer Ge-
schichte, es ist Teil unserer Gegenwart,
und es wird auch Teil unserer Zukunft
sein.“ Er erhält dafür fraktionsübergreifen-
den Applaus – für eine Selbstverständlich-
keit, die keine mehr ist.
Wie mit einem wachsenden Antisemitis-
mus umgehen, der auch am Selbstver-
ständnis des demokratischen Staates rüt-
telt? Die Frage stellt sich in Bayern, nicht
erst seit ein Rechtsextremer in Halle an der

Saale versuchte, in eine Synagoge einzu-
dringen und zwei Menschen erschoss. Das
Attentat ist denn auch am Dienstag im
Landtag nur Aufhänger für eine bisweilen
hitzige Aussprache. Die SPD hat eine Aktu-
elle Stunde beantragt, Titel: „Entschlossen
handeln gegen Antisemitismus“.
Inwiefern der Freistaat in den vergange-
nen Jahren genug Entschlossenheit zeigte,
das ist ein Streitpunkt im Plenum. Den-
noch herrscht größtenteils Einigkeit, dass
mehr getan werden müsse. Die Regierungs-
parteien wollen unter anderem mehr Geld
für Schutzmaßnahmen von jüdischen Ein-
richtungen bereitstellen und Rechtslü-
cken schließen, auch um Hetze im Internet
konsequenter zu verfolgen. Viele Redner

der Opposition bekunden ihre Zustim-
mung, vermissen aber weiterreichende
Maßnahmen: Florian Ritter (SPD) bringt
ein Landesprogramm für Demokratie und
politische Bildung ins Spiel. Katharina
Schulze (Grüne) plädiert unter anderem
für mehr Geld für Erinnerungsarbeit und
Gedenkstätten. In der Tat häuften sich
schon vor dem Anschlag von Halle die
Warnzeichen: Vergangenes Jahr veröffent-
lichte die Recherche- und Informations-
stelle Antisemitismus (Rias) eine Studie,
wonach allein Bayern von 2014 bis Ende Ju-
ni 2018 rund 700 antisemitische Straftaten
gezählt wurden. Die Dunkelziffer dürfte
weit höher liegen. 431 dieser Taten ereigne-
ten sich in Kleinstädten und auf dem Land.
Laut der Studie speist sich Antisemitismus
aus verschiedenen Quellen, aus radikalen
Islamvorstellungen genauso wie aus dem
Rechtsextremismus. Hass, so das Fazit, sei
hierzulande eine alltägliche Erfahrung für
Juden. Sie begegneten ihm am Arbeits-
platz oder beim Sport; sie würden bedroht,

beleidigt, bespuckt. Im Netz werden Ver-
schwörungstheorien geteilt, die in „Zionis-
ten“ oder den „Rothschilds“ Schuldige ge-
funden haben: für Fehlentwicklungen in
der Wirtschaftsordnung oder für internati-
onale Fluchtbewegungen.
Der Kampf gegen Antisemitismus
scheint in seiner jetzigen Form also nicht
ausreichend. Das impliziert auch ein Maß-
nahmenkatalog, den die Staatsregierung
am Vormittag präsentiert, also vor der De-
batte im Landtag: Rund 170 jüdische Ein-
richtungen gibt es laut Innenminister Joa-

chim Herrmann (CSU) in Bayern; auf sie
werde man nun zugehen und die Sicher-
heitslage neu beurteilen. Der Verfassungs-
schutz soll künftig Rechtsextreme im Inter-
net besser identifizieren und ihre Netzwer-
ke dort aufspüren. Justizminister Georg Ei-
senreich (CSU) will Hetze stärker ahnden.
Unter anderem soll sich künftig vor Ge-
richt erwiesener Antisemitismus strafver-
schärfend auswirken. Antisemitische Belei-
digungen könnten dann nicht nur mit ei-
ner Strafe von bis zu einem Jahr, sondern
zwei Jahren bestraft werden. Für eine Ge-
setzesänderung ist eine Bundesratsinitiati-
ve nötig.
Das Problem, das wird am Dienstag
deutlich, erstreckt sich über alle gesell-
schaftlichen Schichten – und auch aufs ei-
gene hohe Haus, so formulieren es jeden-
falls einige Redner: So wendet sich FDP-
Fraktionschef Martin Hagen direkt an die
AfD-Fraktion: „Sie sind Teil des Problems,
nicht der Lösung.“ Die Partei habe Hass in
die Parlamente gebracht und sei mitverant-
wortlich für die Verrohung. Der Landtag ap-
plaudiert. Nur ganz rechts gibt es empörte
Mienen. Aus Sicht der AfD, die Richard
Graupner, darlegt, ist seine Partei die einzi-
ge, die sich konsequent gegen Antisemitis-
mus wende – genauer gegen die „ungezü-
gelte Einwanderung“, die erst die gesell-
schaftlichen Bedingungen dafür schaffe.
Vertreter der Bundesregierung müssten
sich deshalb fragen lassen, inwiefern sie
beim Attentat auf dem Berliner Breit-
scheidplatz „mitmassakriert“ hätten.
Nicht nur für Herrmann ein unsägliche Pro-
vokation und Beispiel für „geistige Brand-
stiftung“ von Seiten der AfD. Wer wie ihr
Thüringer Vertreter Björn Höcke erkläre,
Judentum und Christentum seien ein Ant-
agonismus, stelle natürlich „damit religiö-
se Toleranz in Frage“. maximilian gerl

München – Zweimal haben zuletzt ortsun-
kundige Autofahrer auf dem Marienhof
die Treppe zur U-Bahn für eine Tiegaragen-
einfahrt gehalten. Fehlende Schilder, die
Überbauung durch ein Infozentrum der
Bahn sowie Bauzäune und ein abgesenkter
Bordstein führten zu der Fehleinschät-
zung. Das soll nun nicht mehr passieren:
Die Stadt hat Pflanztröge vor dem Abgang
zur U-Bahn aufstellen lassen. bm

von sebastian beck

E


gal, wie lange Hubert Aiwanger
noch Wirtschaftsminister sein
wird, er wird als Politiker in Erinne-
rung bleiben, der von einer Peinlichkeit
zur nächsten stolperte. Er selbst gefällt
sich anscheinend immer besser in der Rol-
le des Spalters und Provokateurs. Der
klassische Aiwanger-Auftritt funktio-
niert stets nach gleichem Muster: Er
spricht ein Thema auf möglichst schlich-
te Weise an und teilt dabei die Welt in
„Die“ und „Wir“. „Die“ sind immer Vega-
ner, Grüne, Städter und sonstige Deppen.
„Wir“ sind brave, anständige, vernünfti-
ge Bürger, Bauern, Schützen, Autofahrer
oder geerdete Niederbayern.
Leider gibt es mehr als genug Leute,
die auf diesen klassischen Populisten-
Trick reinfallen und Aiwanger für jeden
Unsinn zujubeln. Auf den Internationa-
len Jagd- und Schützentagen auf Schloss
Grünau sagte er am Wochenende: „Ich
bin überzeugt, Bayern und Deutschland
wären sicherer, wenn jeder anständige
Mann und jede anständige Frau ein Mes-
ser in der Tasche haben dürfte, und wir
würden die Schwerkriminellen einsper-
ren. Das wäre der richtige Weg.“
Das sind beschämende Sätze für einen
stellvertretenden Ministerpräsidenten.
Er ist also anscheinend der Meinung,
dass Schwerkriminelle hierzulande nicht
eingesperrt werden – da könnte er sich
vielleicht mal beim Innen- oder Justizmi-
nister informieren, wie Polizei und Justiz
funktionieren. Dann wüsste er auch, dass
speziell „Schwerkriminelle“ sehr wohl
eingesperrt werden. Seine Äußerung
lässt sich aber auch so interpretieren,
dass sich anständige Bürger mit Messern
bewaffnen sollten, weil Bayern unsicher
ist. Das ist nicht nur falsch, es ist sogar ge-
fährlich, auch wenn es Aiwanger anders
gemeint haben will.
Mit dem eigentlichen Thema – dem
möglichen Verbot von bestimmten Mes-
sern in der Öffentlichkeit und den Sorgen
der Brauchtumsvereine – hat Aiwangers
Dahergerede nichts mehr zu tun. Aber es
geht ihm ja auch um das Schüren von
Emotionen und nicht um praktische Poli-
tik, die halt immer ein bisschen komple-
xer als ein Stammtischspruch ist. Am Wo-
chenende treffen sich die Freien Wähler
zur Landesversammlung. Man darf ge-
spannt sein, auf wen Aiwanger dann ein-
drischt und wie lange die Partei seine Aus-
fälle noch mittragen will.

(^26) MÜNCHEN · BAYERN Mittwoch, 16. Oktober 2019, Nr. 239 DEFGH
Jüdische Einrichtung in Bayern sollen noch besser geschützt werden – hier die hun-
dert Jahre alte Synagoge Augsburg. FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA
Signal der Solidarität
Nach dem Mordanschlag von Halle sollen jüdische Einrichtungen in Bayern besser geschützt werden
Vocke schmeißt hin
Nach langem Streit zieht sich Bayerns Jägerpräsident zurück
Vizepräsident Thomas Schreder
hat übergangsweise Vockes
Aufgaben übernommen

Seit neun Jahren lebt Linda Strehl in ihrer Wohnung. Ihre Miete sollte nach den Modernisierungsarbeiten um knapp 700 Euro steigen – nach dem Urteil dürfen es höchstens 195 Euro sein. FOTOS: ROBERT HAAS
Pflanzkübel als Stopper
an U-Bahn-Treppe

Das Hohenzollernkarree in Schwabing: Etwa 200 von insgesamt 230 Mietparteien
sind von Modernisierung und Mieterhöhungen betroffen.
Gericht untersagt drastische Mietsteigerung
In der bundesweit ersten Musterfeststellungsklage im Mietrecht weisen Richter eine Immobiliengesellschaft in die Schranken. Sie darf die Mieten
im Zuge einer Modernisierung nicht um bis zu 163 Prozent erhöhen. Das Unternehmen wollte noch von der alten Gesetzeslage profitieren
Das Urteil gilt für alle
145 Parteien, die im Klageregister
eingetragen waren
Justizminister Georg Eisenreich
will Hetze in Zukunft
stärker ahnden

MITTEN IN BAYERN
Aiwangers
Messertrick

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