Frankfurter Allgemeine Zeitung - 26.10.2019

(Michael S) #1

ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND


Samstag, 26. Oktober 2019·Nr. 249/43 R1 HERAUSGEGEBEN VON GERALD BRAUNBERGER, WERNER D’INKA, JÜRGEN KAUBE, BERTHOLD KOHLER 3,20€ D 2955 A F. A. Z. im Internet:faz.net


Thüringens Träume: Eine Reise


durch das Land mit der höchsten


Theaterdichte der Bundes-


republik.Feuilleton, Seite 9 und 11


Bei Teppichknüpfern in Nepal,


zu Hause bei Louis Vuitton, im


Leben von David Chipperfield


Weil die Politisierung des Sports


zugenommen hat, pochen


Verbände auf das Verbot


politischer Gesten.Sport, Seite 36


Südamerika versinkt in


Hoffnungslosigkeit. Jetzt bricht


auch noch in Chile das Chaos aus.


Die Lounge.Wirtschaft, Seite 20


Auf einer Auktion wurde ein


Malt für den Rekordpreis


versteigert. Das liegt auch an der


Liebe zum Detail.Finanzen, Seite 28


Nach den jüngsten Niederschlägen


hat sich die Natur etwas erholt.


Für Entwarnung ist es aber zu


früh.Rhein-Main-Zeitung, Seite 37


Trotzdem will der Angeklagte


nicht viel darüber gewusst haben.


Die Richterin überzeugt


die Aussage nicht.Politik, Seite 4


Der Ort ihrer Wahl


Regen bringt Segen


D


ieKommunen werden gerne als
die Keimzelle der Demokratie be-
zeichnet. Besonders leidenschaftlich
loben Politiker aus den Regierungsvier-
teln in Ländern und Bund die meist eh-
renamtliche Arbeit der Stadträte und
Ortsvorsteher in Osnabrück, der Ucker-
mark oder Nordhessen. Die SPD etwa
spricht von sich selbst als der wahren
Kommunalpartei: nah am Menschen,
nah an seinen Problemen. Zuletzt
schien das Band zwischen der bundes-
politischen und der kommunalen Poli-
tik aber äußerst gespannt zu sein.
In der Stadtvertretung von Penzlin
in Mecklenburg-Vorpommern schlos-
sen sich im Juli die CDU-Vertreter mit
einem AfD-Mann zu einer Zählgemein-
schaft zusammen. Die CDU bekam so
mehr Sitze in den Ausschüssen. Ist das
nur pragmatische Politik? Es ist auf je-
den Fall eine Provokation für die Bun-
des-CDU. Deren Vorsitzende Anne-
gret Kramp-Karrenbauer war gerade
dabei, den Kurs gegen Parteimitglieder
zu verschärfen, die über eine Zusam-
menarbeit mit der AfD nachdenken.
Sie könne sich nicht vorstellen, „dass
es jemals eine Zusammenarbeit mit
dieser Partei geben kann“. Der CSU-
Vorsitzende Markus Söder sagte gar,
dass selbst „der Kaffeeplausch in ei-
nem Kommunalparlament“ abzuleh-
nen sei, eine Zusammenarbeit bedeute
schweren Schaden für die Union.
Im Landkreis Meißen gab der CDU-
Landrat seiner Partei nach einem Be-
such der AfD-Fraktion zu verstehen,
dass er von „ideologischen Standpunk-
ten“ nicht viel halte. Um eine Zusam-
menarbeit mit der AfD auf kommuna-
ler Ebene richtig einzuschätzen, forder-
te er von Bundes- und Landes-CDU
eine „differenzierte Betrachtung“.
Selbst der krasse Fall von Altenstadt,
wo die demokratischen Parteien einen
NPD-Mann zum Ortsvorsteher ge-
wählt hatten, hat zuletzt gezeigt, dass
ein Bundestagsabgeordneter unter
Pragmatismus und bürgernaher Politik
etwas vollkommen anderes verstehen
kann als der Bürgermeister eines Ortes
mit 12 000 Einwohnern.
Noch ein Beispiel, diesmal trifft es
die SPD: In Sassnitz auf Rügen wollten
die Sozialdemokraten gemeinsam mit
der AfD sieben Anträge in die Stadtver-
tretung einbringen. Der SPD-Stadtprä-
sident sah keinen Grund, die Anträge
zurückzunehmen. Er kenne die AfD-
Leute, sie seien sachorientiert. Gene-
ralsekretär Lars Klingbeil pfiff die Sass-
nitzer zurück. Der Stadtpräsident for-
derte eine Klarstellung: Wie soll man
denn nun mit der AfD auf kommuna-
ler Ebene umgehen?
Eigentlich ist die Antwort eindeutig:
Sowohl CDU als auch SPD schließen
jegliche Zusammenarbeit aus. Es
scheint aber, als würde im Bundestag
und im Sassnitzer Stadtrat nicht nur
über inhaltlich unterschiedliche Dinge
diskutiert, sondern als lebten Bundes-
tagsabgeordnete und Funktionäre auf
der einen und Stadtverordnete auf der
anderen Seite in ganz verschiedenen

Politikwelten; als gebe es überhaupt
kein gemeinsames Verständnis mehr
davon, wie mit wem politisch und ver-
antwortungsvoll gearbeitet wird. Ist
das nur ein kommunikatives Problem,
oder droht in manchen Kommunen
der Kompass in Sachen Demokratie
verlorenzugehen?
Zwischen programmatischem An-
spruch und kommunalem Alltag ist
viel Platz. Den Bürgern begegnet der
Staat in der Regel nicht alle paar Jahre
im Wahllokal, sondern beim Bürger-
amt, im Gespräch oder Streit mit Ver-
kehrspolizisten. Wo Politik kleinteilig
und manchmal auch banal ist, wird Ver-
trauen schnell geschaffen und auch
schnell zerstört. Kommunen haben ihr
Eigenleben – jenseits des Staates. Die
beiden Sphären verhalten sich nicht

nach dem Prinzip von Befehl und Ge-
horsam zueinander.
Gelten also unterschiedliche Spielre-
geln für die „große“ und die „kleine“
Politikwelt? Die eigentliche Frage ist,
wie ernst Politik genommen wird,
auch wenn es „nur“ um den Posten ei-
nes Ortsvorstehers geht. Zu oft wird
das ehrenamtliche Engagement eben
nur in Sonntagsreden gelobt, werden
die Kommunen an den übrigen sechs
Tagen aber mehr zum Verwalter als
zum Gestalter gemacht.
Kommunale Verantwortungsträger
sehen sich auch deshalb immer mehr
als entpolitisierte Manager denn als fel-
senfeste Politiker. Das kann, sollte
aber nicht dazu verleiten, den Kolle-
gen aus dem Stadtrat vor allem nach
dem nachbarlichen Gespräch an der
Käsetheke zu beurteilen. Ohne seine
Funktion im politischen Raum – sei es
als SPD-, CDU-, AfD- oder NPD-Mit-
glied – ist aber auch der Kommunalpo-
litiker nicht zu denken. Wenn man das
ernst nimmt, dann wird nicht, wie in
Altenstadt geschehen, ein Mann mit
Computer-Knowhow, der zufällig auch
NPD-Mitglied ist, zum Ortsvorsteher
gewählt. Politik ist keine triviale Ne-
bensache. Nirgends.
Das bedeutet auch: Sie muss mehr
wertgeschätzt werden von den kommu-
nalen Amtsträgern selbst, die, wenn
sie sich vor oder nach der Arbeit in Ak-
ten vertiefen, durchaus staatsbürgerli-
chen Stolz empfinden dürfen. Ihrer Ar-
beit gebührt wiederum Anerkennung
von der „großen“ Politik. Diese Aner-
kennung kann sich auch darin ausdrü-
cken, dass man voneinander lernt.
Kommunale Politiker machen vor, wie
sich die Parteiendemokratie wandelt
und anpassen muss. Im Kommunalen
geht es mehr um Bedürfnisse als um
Ideologie. Wo Politik präsent ist, han-
delt, sich kümmert, kann sie auch wie-
der attraktiver werden.

Steinbach–Als die DDR noch existierte, hatten in dem klei-
nen Ort in Thüringen mehr Menschen Arbeit, als heute dort
wohnen. Doch wer denkt, damit sei schon alles gesagt, irrt
gewaltig. Das Dorf hat nicht nur den steilsten Bergfriedhof
Deutschlands, es kann auch Mut machen. Mit viel Engage-

ment halten die Steinbacher ihre Heimat am Leben. Wie,
das steht aufSeite 3.Am Sonntag werden sie und die ande-
ren Thüringer einen neuen Landtag wählen. Warum das
Land nach der Wahl politisch bewegten Zeit entgegensieht –
dazuSeite 2. Foto Robert Gommlich

loe.BERLIN, 25. Oktober. Bundeswirt-
schaftsminister Peter Altmaier (CDU)
hat sich für seine geplante europäische
Daten-Cloud „Gaia-X“ die Unterstützung
mehrerer Dax-Konzerne gesichert. An ei-
nem Strategiepapier, das Altmaier am
kommenden Dienstag auf dem Digitalgip-
fel der Bundesregierung in Dortmund vor-
stellen will, haben unter anderen die
Deutsche Bank, SAP, Siemens und die Te-
lekom mitgewirkt. Gaia-X soll eine Platt-
form zum Speichern, Austauschen und
Analysieren von großen Datenmengen
werden. Bislang greifen europäische Un-
ternehmen dafür meist auf ausländische
Anbieter wie Amazon und Google zu-
rück. Starten soll Gaia-X im ersten Halb-
jahr 2020.(Siehe Wirtschaft, Seite 19.)

Politik ist nirgends trivial


Von Mona Jaeger


moja.FRANKFURT, 25. Oktober. Bran-
denburgs Ministerpräsident Dietmar Woid-
ke (SPD) hat die geplante Regierung mit
CDU und Grünen als „Koalition der Mit-
te“ gelobt. Er hob besonders hervor, dass
es gemäß Koalitionsvertrag, der am Frei-
tag in Potsdam vorgestellt wurde, mehr
Personal bei Polizei und Justiz geben soll.
Außerdem nannte er die Beitragsfreiheit
für Kindergartenplätze. CDU-Verhand-
lungsführer Michael Stübgen nannte die
Einigung „fast grandios“. Die Kenia-Koali-
tion plant einen Sonderfonds für Investitio-
nen in Höhe von einer Milliarde Euro.
Nach eigener Aussage wird die Klimapoli-
tik eine herausgehobene Bedeutung ein-
nehmen. In der Lausitz soll es keine neuen
Tagebaue geben.(Siehe Seiten 4 und 8.)

Altmaier konkretisiert


Pläne für Daten-Cloud


Er war Wächter im KZ


Vor Sonnenaufgang


Das Pulverfass


Whisky für 1,7 Millionen


Halt den Mund und lauf


D


ieserStaat kann nur ein Ort frei-
er, offener Auseinandersetzung
sein – oder er kann gar nicht sein. Je-
denfalls nicht als Republik, als „öffent-
liche Sache“, über die alle befinden
und in der jeder frei ist, solange er
nicht die Freiheiten anderer verletzt.
Doch wie steht es um dieses Land,
wenn sogar an seinen Universitäten
Unfreiheit herrscht? Nun sind heftige
Auseinandersetzungen, auch Störun-
gen und Blockaden keine neuen Phä-
nomene. Aber heute paaren sich eine
selbstproklamierte Weltoffenheit und
eine Hypermoral mit einer militanten
Intoleranz gegenüber Andersdenken-
den. Ein „Antifaschismus“, der ge-
wählte Politiker demokratischer Par-
teien am Reden hindert oder ordentli-
che Professoren in ihren Vorlesungen
bedroht, sollte das „Anti“ streichen.
„Nazis raus“-Rufe müssten ihm selbst
entgegenschallen. Denn hier geht es
um das Verhindern von Meinungsäu-
ßerungen, um das Ersticken jedweder
Diskussion schon im Keim – und das
durch Zwang und Gewalt.
Es kann nicht sein, dass die „Stö-
rer“ obsiegen. Ebenso wenig, wie der
Staat nicht dulden darf, dass erlaubte,

friedliche Versammlungen von Gegen-
demonstranten unmöglich gemacht
werden, so darf er, so darf eine Univer-
sität nicht den Krawallmachern das
Feld überlassen. Nein, das Feld ist von
Gewalttätern zu räumen, damit die
Luft der Freiheit wehen kann. Es ist
bezeichnend, aber offenbar notwen-
dig, dass nun auch der Bundespräsi-
dent daran erinnert hat, dass niemand
schweigen muss, wenn ihm etwas
nicht gefällt. Dass es aber nicht akzep-
tabel ist, Menschen mit einem ande-
ren Weltbild zum Schweigen zu brin-
gen. Der Staat muss politischen Streit,
das „Herzstück der Demokratie“, mög-
lich machen. Er soll aber nichts vorge-
ben.
Es sollte nämlich auf das Argument
ankommen. Und darauf, ob jemand
sich heute im Rahmen des weiten Ver-
fassungsbogens bewegt – und nicht
darauf, was er vor dreißig Jahren ge-
schrieben hat oder mit wem er beim
Mittagessen fotografiert wurde. Man-
cher hat sich vor Jahrzehnten mit Poli-
zisten geprügelt, ein anderer war An-
gehöriger der Waffen-SS. Entschei-
dend ist doch, ob und was man daraus
gelernt hat. Und um das herauszube-
kommen, hilft es nicht, zu krakeelen,
den Ton abzudrehen oder Rücktritts-
petitionen zu unterschreiben. Man
muss zuhören, reden, streiten.

Kenia-Koalition will


massiv investieren


Heute


Gibt es zwischen Dorf
undHauptstadt noch ein
gemeinsames Verständnis
von Verantwortung?

hmk.BRÜSSEL, 25. Oktober. Die EU
hat die Entscheidung über einen Auf-
schub des Brexits vertagt. Die Mitglied-
staaten seien sich zwar grundsätzlich
einig darüber gewesen, dass die Aus-
trittsfrist verlängert werden solle, hieß
es am Freitag nach einem Treffen der
EU-Botschafter in Brüssel aus Diplo-
matenkreisen. Die Gespräche über die
Dauer der Verlängerung sollten aber
Anfang kommender Woche im Licht
der Entwicklungen in London fortge-
setzt werden. Der britische Premiermi-
nister Boris Johnson hatte am Don-
nerstag Neuwahlen am 12. Dezember
vorgeschlagen. Das britische Unter-
haus soll am Montag darüber abstim-
men. Johnson benötigt eine Zweidrit-
telmehrheit. Der Brexit-Chefunter-
händler der EU, Michel Barnier,
sprach nach dem Treffen von einer
„ausgezeichneten Diskussion“. Grund-
sätzlich gebe es unter den Mitgliedstaa-
ten eine starke Tendenz für eine Ver-
schiebung des Brexits auf den 31. Janu-
ar 2020, wie es die Briten beantragt ha-
ben, sagte ein Diplomat. Dem steht je-
doch Frankreich entgegen. Paris unter-
stützt bisher nur eine kurze technische
Verlängerung, um den Druck auf Lon-
don aufrechtzuerhalten. Ein Beschluss
von Neuwahlen in Großbritannien kön-
ne die Einschätzung Frankreichs aber
verändern, hieß es in Brüssel.(Siehe
Seite 2; Kommentar Seite 8.)


F.A.Z.FRANKFURT, 25. Oktober. Vor
dem Türkei-Besuch von Außenminister
Maas (SPD) hat der SPD-Fraktionsvorsit-
zende Rolf Mützenich die Nato-Mitglied-
schaft Ankaras in Frage gestellt: „Jeder
muss für sich selbst prüfen, ob er noch Teil
der Nato sein kann und will“, sagte er der
Funke-Mediengruppe am Freitag. „Das
gilt auch und gerade für die Türkei.“ Das
Auswärtige Amt wollte sich die Überlegun-
gen nicht zu eigen machen. Es sei immer
besser, mit jemandem zu sprechen als über
jemanden, sagte ein Sprecher. Unionspoli-
tiker kritisierten die Äußerungen Mütze-
nichs. Die Nato-Mitgliedschaft sei ein „Ein-
flusshebel, den wir nicht aus der Hand ge-
ben sollten“, sagte Jürgen Hardt (CDU).
(Siehe Seite 2; Kommentar Seite 8.)

Mützenich stelltAnkaras


Nato-Zukunft in Frage


ami.BERLIN, 25. Oktober. Die von der
Bundesregierung am Freitag ins Parla-
ment eingebrachten ersten Gesetzentwür-
fe für mehr Klimaschutz sind auf massi-
ven Widerspruch der Opposition gesto-
ßen. Die Grünen beklagten unzureichen-
de Zielvorgaben, die Linke eine mangeln-
de soziale Ausgewogenheit, der FDP fehl-
ten marktwirtschaftliche Ansätze zur
Steuerung. Die AfD zweifelte an Sinn und
Zweck der Gesetzesvorschläge, denen
bald weitere folgen sollen. Die Koalition
hatte vereinbart, die Kernstücke ihrer Kli-
magesetzgebung bis Jahresende in Bun-
destag und Bundesrat zu verabschieden.
Bundesumweltministerin Svenja Schul-
ze (SPD) lobte das von ihr eingebrachte
Bundesklimaschutzgesetz als das „Herz-
stück“ der Reformpläne. Es legt fest, dass

die klimaschädlichen Emissionen bis 2030
sinken sollen, bei Kohlendioxid um 55 Pro-
zent gegenüber 1990. Das Ziel einer Min-
derung um 40 Prozent bis 2020 hatte die
Koalition aufgegeben. Das Gesetz legt
fest, wie viele CO 2 -Emissionen in den Sek-
toren Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft,
Industrie und Energie noch zugelassen
werden. Die Fachministerien haben dafür
zu sorgen, dass die Werte eingehalten wer-
den. Das wird vom Umweltministerium
und einem unabhängigen Expertenbeirat
überwacht. Bei Überschreiten der Vorga-
ben muss die Regierung Gegenmaßnah-
men vorschlagen.
Die Union, die das einst als „Klima-
planwirtschaft“ kritisiert hatte, hat damit
inzwischen ihren Frieden gemacht. Ihr
stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Andreas Jung (CDU) sagte, man sorge da-
für, dass Klimaziele verbindlich festge-
schrieben und kontrolliert würden. Das
sei ein „Paradigmenwechsel“.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz
(SPD) hob die Fördermaßnahmen her-
vor, mit denen die Koalition den Bürgern
den Umstieg zu mehr Klimaschutz leich-
ter machen wolle. Konkret geht es um Hil-
fen bei der energetischen Gebäudesanie-
rung, einer reduzierten Umsatzsteuer auf
Bahntickets, einer höheren Pendlerpau-
schale und höheren Steuern auf Flugti-
ckets. Georg Nüßlein (CSU), der für Kli-
mapolitik verantwortliche stellvertreten-
de Fraktionsvorsitzende der Union, sagte,
man werde sicherstellen, dass niemand
überlastet werde.(Siehe Seite 2 und Wirt-
schaft, Seite 19.)

Briefe an die Herausgeber Seite 33


EUuneins


über neuen


Brexit-Termin


oll.BERLIN,25. Oktober.Mit deutlicher
Kritik hat Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier auf die Störung und Verhinde-
rung von Politikerauftritten in dieser Wo-
che reagiert. Was man gewiss nicht brau-
che – das wolle er auch aus gegebenem
Anlass sagen –, „das sind aggressive
Gesprächsverhinderungen, Einschüchte-
rung und Angriffe“, sagte Steinmeier am
Freitag in Berlin. „Niemand muss schwei-
gen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Aber
andere zum Schweigen bringen zu wol-
len, nur weil sie das eigene Weltbild irri-
tieren, ist nicht akzeptabel“, sagte Stein-
meier und trat für den politischen Streit
im Respekt für den anderen ein. „Er ist
das Herzstück der Demokratie“, sagte er
anlässlich der Gesprächsreihe „Geteilte
Geschichte(n)“ im SchlossBellevue drei-

ßig Jahre nach der friedlichen Revolution
und dem Mauerfall.
Studenten hatten an der Universität
Hamburg eine Vorlesung des AfD-Grün-
ders Bernd Lucke verhindert. Lucke soll-
te seine Tätigkeit als Volkswirtschaftspro-
fessor wiederaufnehmen, nachdem er bei
der Europawahl aus dem EU-Parlament
ausgeschieden war. Am Montag verhin-
derten linke Aktivisten beim Göttinger
Literaturherbst eine Lesung des früheren
Bundesinnenministers Thomas de Mai-
zière (CDU).
Auch Bundesbildungsministerin Anja
Karliczek (CDU) warnt im „Spiegel“ vor
Meinungszensur in Deutschland.Der poli-
tische Diskurs dürfe nicht so eingeengt
werden, dass ein Teil der Gesellschaft
verlorengehe. „Es geht nicht, dass sich

Studentengruppen oder Aktivisten als
Meinungszensoren aufspielen.“ Das sei
eine Entwicklung, die den Kern der Frei-
heit von Wissenschaft und Lehre berüh-
re. Universitäten müssten „die Ausübung
dieser Freiheiten“ gewährleisten.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lind-
ner, dem ein Auftritt an der Universität
Hamburg untersagt worden war, obwohl
Sahra Wagenknecht und Kevin Kühnert
dort reden durften, meinte, formal gebe
es das Grundrecht auf Meinungsfreiheit,
praktisch sei es aber eingeschränkt. Wer
„davon Gebrauch macht, muss mit schar-
fen Sanktionen rechnen, etwa in den so-
zialen Netzwerken“, sagte Lindner dem
Deutschlandfunk. Er sieht eine Domi-
nanz von Meinungen aus dem links-grü-
nen Spektrum.

Opposition kritisiert Klimaschutzgesetz im Bundestag


Grüne: Nicht ehrgeizig genug / Linke: Sozial unausgewogen / AfD zweifelt an Sinn


Steinmeier verurteilt


„aggressive Gesprächsverhinderung“


Nach Vorfällen in Hamburg und Göttingen / Karliczek warnt vor „Meinungszensoren“


Demokratie in Gefahr


Von Reinhard Müller


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