Frankfurter Allgemeine Zeitung - 26.10.2019

(Michael S) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Kunstmarkt SAMSTAG, 26. OKTOBER 2019·NR. 249·SEITE 13


Jetzt ist also der israelisch-französische
Telekommunikations- und Medien-
magnat Patrick Drahi Eigentümer von
Sotheby’s, und das Unternehmen, das
der amerikanische Geschäftsmann Al-
fred Taubman 1983 gekauft und 1988 an
die Börse gebracht hatte, ist wieder pri-
vatisiert. Das gleiche, so heißt es, vor al-
lem die Wettbewerbsnachteile gegen-
über der Konkurrenz Christie’s aus, die
dem französischen Entrepreneur Fran-
çois Pinault gehört: Statt der minutiösen
Finanzauskünfte der börsennotierten
Firma muss künftig nur der Umsatz
ohne weitere Aufschlüsselungen veröf-
fentlicht werden.
Obgleich Drahi versichert hat, er set-
ze volles Vertrauen in das Manage-
ment von Sotheby’s und plane
keinen Wechsel in der Fir-
menstrategie, erfolgten be-
reits erste Umbauten in der
Führungsebene unterhalb
von Tad Smith, dem Vor-
standsvorsitzenden und
Präsidenten von So-
theby’s. Drahi gilt als lei-
denschaftlicher Kostenein-
sparer. Viele Mitarbeiter
dürften sich deshalb fragen,
wie ihre Zukunft aussehen
wird und wie die Perspektiven
für die einzelnen Standorte.
Das gilt auch für Deutschland.
Hierzulande feiert Sotheby’s
gerade seinen fünfzigsten Ge-
burtstag; gegründet wurde das
Auktionshaus vor 275 Jahren in
London. Die erste deutsche Nie-
derlassung eröffnete 1969 in
München. Auf dem Expansi-
onskurs, den die Firma nach
dem Zweiten Weltkrieg stra-
tegisch betrieb, wurde
Deutschland damit zum drit-
ten Auslandsposten, nach
New York und Paris. Es folg-
ten Standorte in Frankfurt,
Hamburg und Köln; zuletzt,
gleich nach der Wende, auch
in Berlin.
Davon, dass die Firma sich
zugute hält, „den Ausbau
und die Entwicklung am
deutschen Markt maßgeb-
lich vorangetrieben“ zu ha-
ben, ist zunächst wenig
nach außen gedrungen.
Dann übernahm der
Kunsthistoriker Chris-
toph Graf Douglas im
Jahr 1986 die Geschäfts-
führung in Deutsch-
land und brachte mit
so charmanter wie
agiler Art Zug in
die Angelegen-
heit. Im schönen
Saal von Sothe-
by’s am Münch-
ner Hofgarten
kam von nun an
deutsche und

österreichische Kunst des 19. Jahrhun-
derts unter den Hammer; Douglas stand
dabei selbst am Pult des Auktionators.
Als dort 1997 mit 1,4 Millionen Mark
für Spitzwegs Biedermeieridylle „Er
kommt“ der Saalrekord aufgestellt wur-
de, war er zwar schon als selbständiger
Kunstberater und Kunsthändler unter-
wegs, die ersten deutschen Schlossauk-
tionen hatte er aber zuvor noch beglei-
tet.
Nach englischem Vorbild hielt man
sie vor Ort ab; manche Bieter schätzen
Krönchen auf den Schildern mit der Los-
nummer. Die Aufmerksamkeit der an
Kunst und Adel Interessierten richtete
sich 1993 auf Regensburg, wo Gloria
von Thurn und Taxis die fürstlichen An-
sammlungen gründlich durchforstet hat-
te; der Erlös dafür lag bei rund 31 Millio-
nen Mark. Zwei Jahre später ging es
nach Baden-Baden zur Auktion mit den
Beständen der Markgrafen und Groß-
herzöge von Baden. Rund 77 Millio-
nen Mark wurden eingespielt, die
dazu dienen konnten, finanzielle Eng-
pässe der Familie zu überbrücken.
Hinter dem Einfädeln so sensib-
ler Geschäfte stehen meistens enge
persönliche Verbindungen. Auf die-
sem Gebiet hat Heinrich Graf Spre-
ti eine Schlüsselrolle, der langjähri-
ge Direktor der Münchner Nieder-
lassung, zeitweilig Deutschland-
Chef von Sotheby’s und jetzt der
Honorary Chairman. Auch
Schloss Marienburg bei Hannover,
wo 2005 mit Inventar des einst kö-
niglichen Hauses Hannover die
nach Umfang und Erlös – knapp
42 Millionen Euro – größte
Schlossauktion, über die Bühne
ging,die jemals stattgefunden
hat, sah Spreti in den Kulissen.
Im Jahr 1998 trat Philipp Her-
zog von Württemberg sein
Amt als Managing Director
and Chairman Europe an. Da-
mals stellte Sotheby’s die
Münchner Versteigerungen
zum 19. Jahrhundert ein:
Die einzige Sparte, die
man hierzulande veräu-
ßerte, rentierte sich of-
fenbar nicht.
Deutsche Kunst der
Klassischen Moderne
und zeitgenössischer
Künstler hatte Sothe-
by’s immer schon
hier akquiriert,
aber in London auk-
tioniert oder in
New York, heute
Hauptsitz des
Unterneh-
mens. Kunst-
richtungen
von
bis dato eher
nationaler Be-
deutung ver-
schaffte man

so, nach Überzeugung des Hauses, inter-
nationalen Zuspruch, will heißen: Wert-
steigerung: so geschehen mit den „Zero“-
Werken der Sammlung Lenz Schönberg,
die 2010 in London umgerechnet 46 Mil-
lionen Dollar einspielten. Die Liste je-
ner, aus deren Besitz Sotheby’s mit ho-
hen Millionen-Ergebnissen verkaufte,

kennt illustre Namen wie Helmut Beck,
Wolfgang Joop, Christian Graf Dürck-
heim, Helga und Walther Lauffs, Gunter
Sachs, Gustav Rau (zugunsten von
Unicef) oder auch das ehemalige preußi-
sche Königshaus, dessen Beau-Sancy-
Diamant in der Schweiz zu Geld
gemacht wurde. Nicht zu vergessen
die Commerzbank, deren „L’Homme
qui marche“ von Giacometti, aus dem
Bestand der vormaligen Dresdner Bank

kommend, mit 65 Millionen Pfund seit
2010 den weltweiten Auktionsrekord für
Skulpturen hält. Was Kunst der Gegen-
wart angeht, nennt Sotheby’s sich der-
zeit Marktführer bei Gerhard Richter,
Sigmar Polke und Georg Baselitz.
Im November 2018 verließ Württem-
berg das Haus; seine eigene Kunstbe-
ratungsfirma ist im Aufbau. Wie aber
geht es weiter mit Sotheby’s Germany?
„Die Suche nach einem Nachfolger be-
treiben wir sehr aktiv“, sagt Spreti, „aber
selbstverständlich müssen wir uns mit
dem neuen Eigentümer und seinem
Team abstimmen. Ein Wechsel, wie die
Firma ihn gerade erlebt, bringt immer
ein gewisses Maß an Veränderung. Die
Zusammenarbeit ist jedoch sehr vertrau-
enswürdig.“ Ob es weiterhin fünf Nieder-
lassungen und gleichbleibend viele Mit-
arbeiter geben wird, ist abzuwarten.
Bleibt die Frage, ob New York auf Dau-
er Hauptsitz sein wird. Der Hauptkonkur-
rent von Sotheby’s, der Weltmarktführer
Christie’s, wird von London aus regiert.
Sein Eigentümer Pinault ist Franzose –
wie auch Patrick Drahi. Ob ihn ein Kopf-
an-Kopf-Rennen auf europäischem Bo-
den reizt? Spreti ist da sehr klar: „Kauf-
kraft und Umsätze sind zu gut in Ameri-
ka, der Hauptsitz wird New York blei-
ben. Angesichts der allgemein bekann-
ten Unsicherheiten in Bezug auf den Bre-
xit wird Sotheby’s in ganz Europa weiter-
hin stark aktiv sein.“ BRITA SACHS

PARIS, im Oktober


D


ie Leonardo-Retrospektive im
Louvre hat begonnen (F.A.Z.
vom 24. Oktober) – ohne das hei-
ßest umstrittene Bild überhaupt, jenen
„Salvator Mundi“, der nicht nur den
Kunstmarkt, sondern auch die Experten
in Atem hält, spätestens seit dem 15. No-
vember 2017. Da wurde die kleine Holzta-
fel bei Christie’s in New York für 400 Mil-
lionen Dollar zugeschlagen; mit Aufgeld
sind das 450,3 Millionen Dollar. Nach ei-
ner Welttournee und mit der Vorgabe, es
handle sich um ein eigenhändiges Werk
von Leonardo da Vinci. Es geschah in ei-
ner Cross-Over-Auktion mit zeitgenössi-
scher Kunst, passenderweise neben
einem „Abendmahl“ von Andy Warhol
(das bei dieser Gelegenheit immerhin auf
knapp 61 Millionen Dollar kam). Seither
wurde der „Weltenretter“ nicht mehr in
der Öffentlichkeit gesehen. Wie auch der
Mann, der die singuläre Kampagne einge-
fädelt hatte, der Schweizer Loïc Gouzer,
bald darauf von der Bildfläche des Markts
verschwand. Einen Zusammenhang muss
es nicht geben, eine Pointe ist das schon.
Die Vorgeschichte hat es in sich: Zwei
New Yorker Händler kauften 2005 das
Bild in schlechtem Zustand in einem klei-
nen Auktionshaus in New Orleans für
1175 Dollar. Gereinigt und restauriert
schaffte es das bis dahin für unbedeutend
gehaltene Gemälde in die Ausstellung
„Leonardo da Vinci. Painter at the Court
of Milan“ 2011 in der National Gallery in
London. Der Kurator Luke Syson schrieb
es beherzt Leonardo
als eigenhändig zu;
eine Sensation war in
der Welt. Die beiden
Händler boten den
„Salvator Mundi“ dar-
aufhin, gestützt von
der Expertise des Ox-
forder Leonardo-Ken-
ners Martin Kemp,
diversen Museen an,
die aber nicht anbis-
sen. Schließlich ver-
kauften sie die Tafel
für genannte achtzig
Millionen Dollar an
Yves Bouvier, einen
Genfer Händler und
Betreiber von Zollfrei-
lagern. Bouvier flipp-
te sie umgehend wei-
ter zum aus Russland
stammenden Multi-
milliardär Dmitri Ry-
bolowlew, für 127,5 Millionen Dollar.
Bouvier und Rybolowlew gerieten in juris-
tischen Streit über Vermittlungsgebüh-
ren, nicht nur für dieses Bild. Sehr wahr-
scheinlich Rybolowlew selbst gab es 2017
zu Christie’s, versehen mit einer Erwar-
tung von hundert Millionen Dollar; kein
Risiko, mindestens dieser Preis war zuvor
durch eine dritte Partei garantiert.
Zunächst anonym, gilt inzwischen
Kronprinz Mohammed bin Salman von
Saudi-Arabien als Käufer, der Mann, der
auch für die Ermordung des Journalisten
Jamal Khashoggi 2018 in Istanbul verant-
wortlich gemacht wird. Der „Welten-
retter“ sollte dann im Louvre Abu Dhabi,
ausgestellt werden, von September 2018
an – was nie geschah. Wo er jetzt ist, weiß
niemand. Auf der Yacht „Serene“ des
Kronprinzen? Oder in einem Tresor in
der Schweiz?
In der Louvre-Schau gibt es eine bemer-
kenswerte Anordnung im letzten Saal: an
der Stirnwand Leonardos „Anna Selb-
dritt“, begleitet von „Johannes dem Täu-
fer“, beide im Besitz des Louvre, dazu der
grandiose Londoner Karton der „Anna
Selbdritt“. (Die „Gioconda“ hat man in
der allgemeinen Sammlung gelassen, die
Besucher können dort „Mona Lisa“ be-
wundern.) Im Saal hängt aber auch, flan-
kiert von zwei eigenhändigen Detailstu-
dien Leonardos zum „Salvator Mundi“
aus der Sammlung der britischen Köni-
gin, eine – wenig auratische – Variante
des Motivs aus einer Privatsammlung, ge-
nannt die „Version Ganay“ nach ihrem
früheren Besitzer, dem Marquis de Ga-
nay, und bezeichnet schlicht als „Atelier
Léonard de Vinci“; das Begleitheft sagt
noch: von einem Schüler gemalt unter der
Aufsicht des Meisters. Das Gefälle zwi-
schen diesem Bild und den Meisterwer-
ken außen herum ist immens. Der myste-
riöse, von Sfumato überhauchte 450-
-Millionen-Dollar-Christus, auf den alle
gewartet haben, ist (jedenfalls noch)
nicht in Paris erschienen. Immerhin hat
ihn der sehr kritische Leonardo-Kenner
Frank Zöllner, bei allen Einwänden in Sa-
chen unklarer Provenienz und problemati-
scher Restaurierung, in seinem aktuellen
Werkverzeichnis als „Werkstatt Leonar-
dos, nach Entwurf Leonardos und mit Be-
teiligung Leonardos“ bezeichnet, ihm
„ikonische Präsenz“ und „außerordent-
lich auratische Wirkung“ bescheinigt.
Alles Nachfragen beim Louvre stößt
auf eisernes Schweigen, keine Stellung-
nahme, nur so viel: Es gebe bis dato kei-
nen Leihvertrag mit dem Eigentümer,
aber den Kontakt zu einemintermédiaire,


einer Mittelsperson. Ob das Bild doch
noch in die Ausstellung kommen werde?
Auch dazu entsprechend kein Kommen-
tar; schon gar nicht, wie die Kuratoren
des Louvre dessen Status einschätzen.
Was bedeutet das? Es könnte heißen,
dass der Louvre nicht dem britischen Kol-
legen Luke Syson folgt, auch nicht Martin
Kemps Expertise. Sondern sich eher an
Zöllners Einschätzung hält. Dann würde
der „Salvator Mundi“ in der Schau als
„Werkstatt mit Beteiligung Leonardos“
hängen müssen. Das wäre aber eine gran-
diose Düpierung für den derzeitigen Be-
sitzer. Er müsste sich nicht nur in seinem
eigenen Urteil blamiert fühlen. Er wäre
um unglaublich viel Geld gebracht. Denn
diese Degradierung des Gemäldes – von
der Eigenhändigkeit des Genies zur nur-
mehr Beteiligung – wäre gleichbedeutend
mit einem Sturz des Marktpreises, dessen
Fallhöhe ziemlich unauslotbar ist.
So könnte es, muss es aber nicht sein.
Es lässt sich auch vorstellen, dass ein un-
erwartetes Auftauchen des „Salvator
Mundi“ vor aller Augen seinen geheimnis-
vollen Reiz nur noch steigert. Der Kunst-
markt ist ein Hasard, der auch vor den
Tempeln der Kunst nicht haltmacht. Ei-
nes aber ist sicher: Noch an keinem ande-
ren, durch eine Auktion gegangenen
Kunstwerk ist die intime Verschränkung
von Expertenwesen, Markt und Museum
so dramatisch deutlich geworden. Diese
Allianz entscheidet, wo die eindeutigen
Belege für eine Zuschreibung fehlen,
nicht bloß über die Zugehörigkeit zu
einem Œuvre. Sie entscheidet über ein
paar hundert Millionen Dollar.
Das gilt, in kleinerer Münze, auch für
jene „Bella Principessa“, die vor einigen
Jahren Leonardo-Furore machte. Von ihr
hat der Louvre die Finger gleich ganz weg-
gelassen. Die hübsche Feder- und Kreide-
zeichnung auf Pergament gelangte im Ja-
nuar 1998 bei Christie’s in New York zum
Aufruf als „deutsch, frühes 19. Jahrhun-
dert“, geschätzt auf 12 000 bis 16 000 Dol-
lar; der Zuschlag lautete auf 19 000 Dol-
lar. 2007 kam das Blatt in die Hände des
Händlers Peter Silverman, der die Hand
Leonardos erkennen
wollte, nicht zuletzt
eines Fingerab-
drucks wegen, der
vergleichbar ist mit
einem auf dessen un-
vollendetem „Heili-
gen Hieronymus“ im
Vatikan (im Louvre
gezeigt). Die Porträ-
tierte sollte die un-
eheliche Tochter von
Ludovico Sforza,
Herrscher Mailands,
sein, in dessen
Dienst Leonardo
stand. Martin Kemp
schloss sich, nach ge-
meinsamen Untersu-
chungen mit einem
Spezialisten für Spek-
tralanalyse, der Zu-
schreibung an, die
den Marktpreis des
Blatts über die Hundert-Millionen-Gren-
ze hätte heben können. Die Fachwelt rea-
gierte höchst skeptisch. Die „Schöne Prin-
zessin“ schaffte es 2011 nicht in die Natio-
nal Gallery – so wenig wie jetzt in den
Louvre.
Dorthin kamen zwei Doppelseiten aus
dem „Codex Leicester“. Er war das letzte
Manuskript Leonardos auf dem Markt,
als er vor 25 Jahren bei Christie’s in New
York versteigert wurde. Da hieß er noch
„Codex Hammer“, nach seinem letzten
Besitzer, dem amerikanischen Ölmilli-
onär Armand Hammer. Der hatte die
Handschrift, als er 1990 starb, dem Ham-
mer-Museum in Los Angeles vermacht.
Die einzige Erbin, eine Nichte seiner
Frau, focht das Testament an. Das Muse-
um musste den Kodex 1994 verkaufen,
um die Prozesskosten zu bezahlen. Die
Schätzung lag bei zehn Millionen Dollar.
Der Zuschlag erging bei 28 Millionen Dol-
lar an einen anonymen Telefonbieter. Ent-
täuschter Unterbieter im Saal war Ales-
sandro Penati von der Mailänder Bank Ca-
riplo, der den Codex nach Mailand zu-
rückbringen wollte, wo er um 1506/10 ent-
standen war. Der Käufer am Telefon war
der damals schon Software-Tycoon Bill
Gates; in seiner Sammlung befindet sich
das Manuskript bis heute. Gates gab ihm
seinen früheren Namen zurück, nach
Lord Leicester, dem er seit 1717 gehörte.
Als dessen Nachkommen Geld brauch-
ten, hatten sie den Kodex – für 2,42 Millio-
nen Pfund – 1980 an Armand Hammer
verkauft. Noch immer ist er das teuerste
Manuskript aller Zeiten.
Ein Leonardo ist derzeit am Markt: Zu-
nächst für Juni, dann für November ange-
kündigt war vom Pariser Auktionshaus
Tajan die Studie für einen heiligen Sebas-
tian in einer Landschaft; verso der klei-
nen Tinte- und Federzeichnung befinden
sich wissenschaftliche Skizzen und ein
Text, von rechts nach links geschrieben.
Carmen Bambach, Kuratorin am Metro-
politan Museum in New York und Leonar-
do-Spezialistin – die übrigens dem „Salva-
tor Mundi“ skeptisch gegenübersteht –,
hält das Blatt für eigenhändig. Es ergänzt
die Studie des gemarterten Sebastian in
der Hamburger Kunsthalle, die derzeit im
Louvre zu sehen ist. Ein pensionierter
Arzt hatte es vor drei Jahren zu Tajan ge-
bracht. Eingestuft als national wertvolles
Kulturgut, darf es Frankreich nicht verlas-
sen. Was natürlich seine Marktchancen
massiv mindert; offiziell lautet die Taxe
auf zwölf bis fünfzehn Millionen Euro.
Man stehe mit dem Louvre in Verhand-
lungen, sagt Tajan. ROSE-MARIA GROPP

D


ie Qualität der Lose bei Reiss &
Sohn in Königstein profitiert dies-
mal besonders vom Eingang mehrerer
Privatsammlungen. Einer von ihnen ist
ein eigener Sonderkatalog gewidmet, un-
ter dem Titel „Exploring and Mountai-
neering“. Es handelt sich um ein Konvo-
lut antiquarischer Bücher und Fotogra-
fien, das die Erkundung der höchsten
Gipfel der Erde seit der Mitte des


  1. Jahrhunderts dokumentiert, vorwie-
    gend im alpinen und zentralasiatischen
    Bereich. Dabei ist zum Beispiel ein rarer
    Erstdruck von 1787 des Berichts über die
    Erstbesteigung des Mont Blanc durch Ho-
    race Bénédict de Saussure (Taxe
    4000 Euro). Oder es gibt ein unikales
    Konvolut aus dem Nachlass des Doku-
    mentarfilmers Paul Lieberenz, mit Tage-
    büchern, Dokumenten und Originalfoto-


grafien zur Hedin-Expedition durch die
Mongolei und Chinesisch-Turkestan im
Jahr 1927 (5000). Das teuerste Los ist
ein Konvolut von 21 Aquarellen mit Dar-
stellungen der kaukasischen Bergwelten,
die der malende Bergsteiger Edward
Theodore Compton für die Illustration ei-
nes Buchs anfertigte; die Schätzung liegt
bei 12 000 Euro. Kurios ist ein Abzug der
berühmten Fotografie des Yeti-Fußab-
drucks, der 1951 von Eric Shipton bei
der Erkundung des Mount Everests ent-
deckt wurde (500).
Das Angebot der Herbstauktion mit
Büchern, Drucken, Handschriften und
Landkarten, die vom 29. bis zum 31. Ok-
tober in Königstein stattfindet, zählt
mehr als 2700 Lose. Angeführt wird es
von Werken aus der Frühzeit des Buch-
drucks. Die Liturgieerklärungen des Wil-
helm Durandus von 1459 gelten als das

vierte, gedruckte Buch der Geschichte
überhaupt: Die auf Pergament gedruckte
Inkunabel ist eines von nur drei bekann-
ten Exemplaren in privater Hand – und
sollte ihrem Erwerber 280 000 Euro wert
sein. Für eine lateinische Ausgabe der
Schedelschen Weltchronik aus dem Jahr
1493 mit Illustrationen in altem Kolorit
werden 100 000 Euro erwartet. Genauso
viel wie für ein Exemplar der ersten ge-
druckten und farbig illustrierten Bibel
von 1483.
Die berühmten Illustrationen von Ma-
ria Sibylla Merian lassen sich in gleich
zwei Ausgaben ihres Hauptwerks über
die Insekten Surinams bewundern: in der
Amsterdamer Edition bei Bernard von
1730 (60 000) und in der Pariser Edition
bei Desnos von 1771 (75 000). Eine
ausgesprochen interessante Provenienz
hat das Studienexemplar der Komödien

des Terenz, das in der Literatur-Abtei-
lung firmiert. Es gehörte einst dem jun-
gen Friedrich Nietzsche und ist mit zahl-
reichen eigenhändigen Korrekturen und
Ergänzungen versehen (6000).
Die Sektion Fotografie widmet sich
Reisealben und besticht mit Aufnahmen
aus aller Welt, zu Taxen bis 3000 Euro.
Wer nicht so weit in die Ferne schweifen
möchte, dem seien die Fotografien von
Carl Friedrich Mylius nahegelegt: Der
Frankfurter Fotograf dokumentierte die
Veränderungen, die das Stadtbild in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert er-
fuhr. Bilder des Doms zu Frankfurt und
des mittelalterlichen Eschenheimer
Turms sollen 300 bis 400 Euro kosten.
Ein Abzug der wohl ersten, im Taunus
aufgenommene Fotografie mit einer An-
sicht der Burg Falkenstein soll tausend
Euro wert sein. JONATHAN KRESS

Bilderfreudig: Die Herbstauktion bei Reiss & Sohn in Königstein


Edward Theodore Compton, Entwurfszeichnung zu einer Illustration von Gottfried Merzbachers Buch „Aus den Hochregionen des Kaukasus“, 1901 Foto Katalog


Alles Gute zum Geburtstag!


Seitfünfzig Jahren ist Sotheby’s in Deutschland anwesend: Ein Blick in die Geschichte – und nach vorne


Er ist nicht da


JEAN DUBUFFETL'Esplanade rose 1953 € 400.000-600.


JUBILÄUMSAUKTION


Informationen/kostenfreie Kataloge: 089 552440 http://www.kettererkunst.de



  1. / 7. DEZEMBER


VORBESICHTIGUNG
HAMBURG31. Okt.-2. November ZÜRICH5. - 7. November

Foto dpa


Ist er noch zu retten? Foto dpa ANZEIGE


REISS & SOHN

http://www.reiss-sohn.de•Tel. 0 61 74 - 92 72 0

Nächste Auktion






      1. Oktober 2019






Spezialauktionshaus seit 1971
für wertvolle Bücher•HandschriDen
Atlanten•Landkarten

Experten, Markt,


Museen:In der


Leonardo-Schau im


Pariser Louvre steckt


eine enorme Brisanz


für das weltweite


Geschäft mit Kunst.


Bis heute die teuerste Skulptur der Welt:
Alberto Giacomettis „L’Homme qui marche I“,
aus der Sammlung der Commerzbank 2010 ver-
steigert von Sotheby’s für 65 Millionen Pfund.
Free download pdf