Frankfurter Allgemeine Zeitung - 26.10.2019

(Michael S) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen SAMSTAG, 26. OKTOBER 2019·NR. 249·SEITE 23


JAKARTA, 25. Oktober (Reuters/dpa).
Der Absturz einer Boeing 737 Max der in-
donesischen Gesellschaft Lion Air vor ei-
nem Jahr ist auf eine ganze Verkettung
von Fehlern zurückzuführen. Dies geht
aus dem offiziellen Abschlussbericht her-
vor, der am Freitag in Jakarta vorgestellt
wurde. Die Ermittler sparen nicht mit
Kritik an dem amerikanischen Herstel-
ler, in erster Linie soll eine Fehlfunktion
des Kontrollsystems verantwortlich sein.
Allerdings ist das bei weitem nicht die
einzige Ursache.
Chefermittler Nurcahyo Utomo
sprach von „neun Faktoren“ für den Ab-
sturz, die alle miteinander verbunden ge-
wesen seien. „Wenn einer von ihnen
nicht geschehen wäre, hätte es mögli-
cherweise keinen Absturz gegeben.“
Dazu zählten Technikprobleme, Fehler
im Cockpit und Wartungsmängel. Im
Zentrum steht aber das MCAS-System.
Es führt zum automatischen Absenken
der Flugzeugnase bei einem drohenden
Strömungsabriss. „Die Bauweise und
die Zertifizierung des MCAS haben die
Wahrscheinlichkeit eines Kontrollverlus-
tes des Flugzeugs nicht ausreichend be-

rücksichtigt“, heißt es in dem Bericht.
Wegen fehlerhafter Daten eines defek-
ten Sensors hatte das System fälschli-
cherweise in die Steuerung eingegriffen,
die Piloten konnten das Flugzeug nicht
mehr stabilisieren. 189 Menschen ka-
men bei dem Absturz ums Leben.
Der Bericht erwähnt auch, dass der
Kopilot nicht schnell genug eine Check-
liste gefunden oder im Kopf gehabt
habe, was er im Notfall leisten muss. Er
habe schon bei Trainings schlecht abge-
schnitten. Die Boeing-Sicherheitsregeln
seien davon ausgegangen, dass die Pilo-
ten in drei Sekunden auf eine Systemstö-
rung reagieren müssten. Der Kapitän
soll an Grippe erkrankt gewesen sein.
Ein Sensor, der Daten für das Kontroll-
system liefert, sei von einer Werkstatt in
Florida falsch kalibriert worden, von
Lion Air aber nicht mehr getestet wor-
den. Nach Fehlern auf vorherigen Flü-
gen hätte Lion Air die Maschine am Bo-
den lassen müssen. Boeing erklärte, das
für die Abstürze verantwortliche System
sei grundlegend überarbeitet worden.
Noch gilt aber ein Flugverbot für das Mo-
dell.(Aktie im Blick: Boeing, Seite 29)

ppl.LONDON,25. Oktober. Die briti-
sche Großbank Barclays glänzt mit gu-
ten Zahlen im Investmentbanking, muss
aber im dritten Quartal wegen einer Mil-
liarden-Strafzahlung einen geringeren
Gewinn hinnehmen. Die neuen Zahlen,
die Barclays am Freitag in London vor-
legte, trieben den Aktienkurs im Handel
um fast 2 Prozent auf rund 170 Pence in
die Höhe. Insgesamt hat die Aktie in die-
sem Jahr damit um 13 Prozent zugelegt.
Die Erträge vor Steuern im dritten Quar-
tal gibt die Bank mit 4,9 Milliarden
Pfund (gut 5,5 Milliarden Pfund) an, um
Prozesskosten und anderes bereinigt wa-
ren es 3,3 Milliarden Pfund. Allerdings
musste Barclays eine Zahlung von
1,4 Milliarden Pfund leisten als Entschä-
digung von Kunden wegen des Verkaufs
unnötiger Restschuldversicherungen.
Der Skandal hat die britische Bankbran-
che insgesamt sogar 43 Milliarden Pfund

gekostet. Abzüglich der Strafzahlung
stand für Barclays im dritten Quartal so-
gar ein kleiner Verlust.
Im Geschäftskundengeschäft und In-
vestmentbanking konnte Barclays den
berichteten Gewinn stärker als seine in-
ternationalen Rivalen sogar um drei
Viertel steigern. Die Erträge im Handel
mit Anleihen, Rohstoffen und Devisen
stiegen um 19 Prozent, im Aktienhandel
legten sie um 5 Prozent zu. Vorstands-
chef Jes Staley bekräftigte, dass er eine
Eigenkapitalrendite von mehr als 10 Pro-
zent im nächsten Jahr anstrebe. In die-
sem Jahr bis September liege man bei
9,7 Prozent. Gleichzeitig schlug Staley
vorsichtige Töne an. Der Ausblick für
das nächste Jahr sei „zweifellos schwieri-
ger als vor einem Jahr, insbesondere an-
gesichts der Unsicherheit über die briti-
sche Wirtschaft und das Zinsumfeld“,
sagte er.

pwe. TOKIO, 25. Oktober.In Sachen
Elektroautos sind die japanischen Auto-
hersteller mit Ausnahme vonNissanMo-
tor Nachzügler. Lange betrachteten sie die
Batterietechnik als nicht ausgereift genug,
um sie den Kunden anzubieten. Doch un-
ter dem Druck strengerer Umweltvor-
schriften rollen nun neben Nissans Leaf
bald auch andere Elektroautos aus japani-
scher Produktion auf den Markt.Mazda
Motor etwa, das in Japan als einziger Her-
steller noch fortschrittliche Dieseltechnik
für Personenwagen hochhält, stellte auf
der Tokyo Motor Show sein erstes Elektro-
auto vor. Der MX-30, ein hochgewachse-
ner Crossover mit Heckklappe, soll im
kommenden Jahr zunächst in Japan ver-
kauft werden. Den Umweltschutzgedan-
ken fortführend, sind die Türverkleidun-
gen aus Plastikflaschen recycelt und die
Konsole mit Kork verkleidet.
Die großen drei in Japan versuchen der-
weil, den Markt für Elektroautos von un-
ten mit Kleinwagen aufzurollen.Honda
Motor präsentierte den knuffigen Viersit-
zer Honda E schon auf der IAA in Frank-
furt. In Europa wird er vom kommenden
Sommer an ausgeliefert zum Grundpreis
von fast 30 000 Euro. Auch in Japan wird
man das Auto 2020 kaufen können.Toyo-
ta Motor zeigt in Tokio einen kleinen elek-
trogetriebenen Zweisitzer, der Ende des
kommenden Jahres in Japan verkauft wer-
den soll. Nissan stellt in Tokio die Studie
IMK für einen elektrischen Kei-car aus.
Diese steuerbegünstigten Kleinstwagen
sind in Japan äußert beliebt und machen
rund 37 Prozent der Neuzulassungen aus.
In den oft engen Straßen und Gassen in Ja-
pans Städten sind diese Kleinstwagen pas-
send, und sie kommen auch den Bedürfnis-
sen älterer Menschen entgegen.
Deutlich wird daran, dass Toyota und
Co. mit den elektrischen Kleinwagen auch
versuchen, sich der Automobilnachfrage
einer alternden Gesellschaft anzupassen.
Auf dem eher dünnbesiedelten japani-
schen Lande, wo die Zahl der Tankstellen
sich in den vergangenen 25 Jahren hal-
biert hat, kann die im eigenen Haus abruf-
bare Elektrizität sich in den kommenden


Jahren als die beste Energiequelle für die
Mobilität erweisen.
Am radikalsten denkt die Rolle des Au-
tos in einer alternden Gesellschaft Toyota
vor. Auf seinem Messestand verzichtet der
Marktführer darauf, Serienfahrzeuge aus-
zustellen, und widmet alles Zukunftsplä-
nen. Präsident Akio Toyoda zeigte sich
Journalisten erst als Avatar in digitaler
Form und entstieg dann einer „E-Palette“.
Das sind elektrisch angetriebene, Klein-
bus-artige, selbstfahrende Autos, die 2020
testweise während der Olympischen Spie-
le in Tokio Athleten befördern sollen.
2025 will Toyota die Autos kommerziell
nutzen. Als Büro, als Schminkkabine oder
als Hotel stellt Toyota sich die Transport-
module vor.
Das vielleicht überzeugendste Nut-
zungsbeispiel zielt auf die alternde Bevöl-
kerung. Die E-Paletten könnten als mobi-
le Arztpraxis in entlegene Dörfer fahren
und dort Patienten einfache automatisier-
te medizinische Tests anbieten. Per Video-
telefon könnten Patienten und Arzt mit-
einander sprechen und entscheiden, ob
die E-Palette den Patienten zur größeren
Untersuchung ins Krankenhaus fährt.

Auch als mobiler automatisierter Super-
markt könnte die E-Palette dienen.
Es sind solche Visionen, die Toyoda im
Kopf hat, wenn er von der Jahrhundertkri-
se der Autowirtschaft spricht. Die Floskel,
die er seit Jahren im Munde führt, war auf
der Tokio Motor Show auch in vielen Prä-
sentationen zu hören. Die Messe selbst
kann als Symbol des Niedergangs dienen.
Die Internationalität ist dahin, als auslän-
dische Aussteller kamen nur Mercedes, Re-
nault und BMW Alpina. Von 2005 bis zur
letzten Autoschau hat sich die Zahl der Be-
sucher auf 770 000 halbiert. Immerhin
hält sich die Zahl der im Jahr neu zugelas-
senen Autos in Japan seit Jahren unter
Schwankungen um knapp 4,4 Millionen.
Doch junge Menschen in Japan verzich-
ten zunehmend auf ein Auto. Die Kosten
seien zu hoch, begründete neulich eine
junge Polizistin ihr autoloses Dasein.
Wenn sie Lust darauf habe, Auto zu fah-
ren oder ein Auto brauche, miete sie ein
Fahrzeug. Ob relativ teure Elektro-Klein-
wagen die Japaner zu mehr Käufen moti-
vieren, ist ungewiss. Der japanische Her-
stellerverband versucht mit Möglichkei-
ten, Elektroautos, Elektroroller oder Elek-

trorollstühle zu testen, mehr Besucher an-
zulocken. Doch in der Metropole Tokio
wirkt es unterdimensioniert, wenn in ei-
ner Ecke einer Wiese neben Essbuden
eine Handvoll Campingwagen stehen, um
Japaner zur Mobilität zu verführen.
Eine andere Anbiederung an die japani-
sche Seele versucht derweil Nissan, das
noch in den Wirren des Skandals um den
früheren Chef Carlos Ghosn gefesselt ist.
Mit viel Bohei bemüht sich das Unterneh-
men, seine japanische Tradition herauszu-
stellen. Das Standdesign wird zur Kabuki-
Bühne erklärt, Linien und Details der Stu-
dien für neue Elektroautos mit japani-
schem Designethos aufgeladen. Auch so
zeigt sich der Wunsch nach einer Japani-
sierung Nissans, den viele hinter dem
Sturz von Ghosn und dem Beharren auf Ei-
genständigkeit in der Partnerschaft mit Re-
nault vermuten. Die japanischen Herstel-
ler auf der Schau, Toyota, Honda, Mazda,
Mitusbishi, Subaru oder Yamaha, erwei-
sen zu Beginn ihrer Präsentationen den
Opfern des Taifuns, der vor zwei Wochen
über Japan brauste, Mitgefühl und Re-
spekt. Diese ureigenste japanische Geste
aber lässt Nissan einfach aus.

Bericht nennt neun


Ursachen für 737-Absturz


Boeing-Software spielte zentrale Rolle


Buße beschert Barclays Verlust


Investmentbanking wirft höhere Erträge ab


Die Japanisierung der Tokyo Motor Show


Digital statt greifbar:Der Toyota-Präsident trat zunächst als Avatar auf der Automesse in Tokio auf. Foto Patrick Welter


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Wirsindstolz


unddankenIhnen!


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Mit elektrischen Kleinstwagen


wollen sich die Autohersteller


Japans an die alternde


Gesellschaft des Landes


anpassen. Nissan unterläuft


dabei aber ein fataler Fehler.

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