Frankfurter Allgemeine Zeitung - 26.10.2019

(Michael S) #1

SEITE 34·SAMSTAG, 26. OKTOBER 2019·NR. 249 Sport FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


MildeStrafe für Can
Fußball-Nationalspieler Emre Can ist
nach seiner Roten Karte in der EM-Qua-
lifikationspartie in Estland (3:0) nur mit
der Mindestsperre von einem Spiel be-
legt worden. Bundestrainer Joachim
Löw muss somit nur im kommenden Län-
derspiel gegen Weißrussland am 16. No-
vember in Mönchengladbach auf den
Profi von Juventus Turin verzichten. Im
abschließenden EM-Qualifikationsspiel
gegen Nordirland am 19. November in
Frankfurt ist der 25-Jährige wieder spiel-
berechtigt. Can war im Oktober in Tal-
linn nach einer Notbremse in der 14. Mi-
nute des Feldes verwiesen worden. (sid)

25 Spiele Sperre für NBA-Profi
NBA-Profi Deandre Ayton von den Phoe-
nix Suns ist wegen Dopings für 25 Spiele
gesperrt worden. Der 21 Jahre alte Cen-
ter von den Bahamas wurde positiv auf
ein Diuretikum getestet, teilte die nord-
amerikanische Basketball-Profiliga am
Donnerstagabend (Ortszeit) mit. Damit
kann das große Talent erst Mitte Dezem-

ber wieder spielen. Diuretika wirken ent-
wässernd und harntreibend; mit diesen
verbotenen Substanzen kann aber auch
die Einnahme anderer Doping-Mittel
verschleiert werden. (dpa)

Schiedsrichter-Streik in Berlin
Die Berliner Fußballverband (BFV) hat
nach der Streikankündigung der Schieds-
richter für dieses Wochenende sämtliche
Spiele unterhalb der Berlin-Liga abge-
sagt. Dies gelte für alle vom BFV ange-
setzten Pflicht- und Freundschaftsspiele,
für alle Spiele im BFV-Futsalbereich und
für alle Spiele im Freizeit- und Betriebs-
sportspielbetrieb. Der Verband reagierte
damit auf einen geplanten Ausstand der
Schiedsrichter wegen der gestiegenen
Gewalt auf den Fußballplätzen. (dpa)

Kohlbacher bleibt ein Löwe
Nationalspieler Jannik Kohlbacher hat
seinen Vertrag beim Handball-Bundesli-
gateam Rhein-Neckar Löwen vorzeitig
bis Mitte 2023 verlängert. Dies teilte der
Klub am Freitag mit. (sid)

In Kürze


SÖLDEN. Auch mit „neuer Vorwahl“
hat sich für Viktoria Rebensburg nichts
großartig geändert im Leben. Die beste
deutsche Skirennläuferin ist jetzt 30 Jah-
re alt, aber die Zahl bereitet ihr keine grö-
ßeren Schwierigkeiten. Persönlich neigt
sie ohnehin dazu, „die Dinge eher posi-
tiv zu sehen“. Und auch sportlich ist sie
mit sich und ihren Fahrkünsten als reife-
re Athletin im Reinen. „Natürlich mache
ich keine Mordssprünge mehr in mei-
nem Alter“, sagte die Riesenslalom-Spe-
zialistin vor dem Weltcup-Auftakt der al-
pinen Skirennläufer an diesem Samstag
in Sölden (10 und 13 Uhr) über ihre Ski-
Technik. Zugleich gibt die selbsternann-
te „Tüftlerin“ zu erkennen, dass es im-
mer wieder „Feinheiten und Nuancen
gibt, die es zu verbessern gilt“. Und die-
ser Aufgabe stellt sie sich mit Akribie
und Freude.
Wintersportler werden im Sommer ge-
macht, heißt es, und Viktoria Rebens-
burg ist „sehr gut über den Sommer ge-
kommen“. Eigentlich war ein Trainings-
lager in Chile geplant, doch sie entschied
sich dagegen, „und das war genau die
richtige Entscheidung“. Am Tag, an dem
sie fliegen sollte, wurde im fernen Süd-
amerika das Skigebiet zugemacht –
Schneemangel sorgte für ein verfrühtes
Saisonende, der Klimawandel macht
auch vor den chilenischen Anden nicht
halt. Stattdessen trainierte die Kreuthe-
rin in Saas Fee, wo sie sich ohnehin woh-
ler fühlt. Insgesamt, so hat Rebensburg
nachgerechnet, verbrachte sie 31 Tage
beim Gletschertraining in dem Schwei-
zer Skiort unweit der italienischen Gren-
ze, den sie mittlerweile als zweite Hei-
mat betrachtet. Sie hatte dort eine gute
Zeit, habe „sehr viel mit den Jungs trai-
niert“, wie sie erzählt: mit Schweden,
Norwegern, Schweizern. „Sie zeigen das
Limit auf“, schwärmt sie: „Es ist faszinie-
rend, wie sich die Technik entwickelt.“
Selbst imfortgeschrittenen Rennfah-
re ralter staunt sie noch über die Entwick-
lungen – und meint damit sowohl das Ma-
terial als auch die Fahrweise. Die Olym-
piasiegerin von 2010, zweimalige WM-
Silbermedaillengewinnerin und dreimali-
ge Siegerin des Riesenslalom-Weltcups
weiß, „dass mein Konzept funktioniert“.
Aber sie ist zugleich bereit, weiterhin zu
lernen. Sie habe sich bei den Testfahrten
einiges abgucken können, wie sie sagt,
ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen.
Nur so viel ließ sie durchblicken: „Es
geht immer darum, den Weg abzukürzen
zwischen den Toren.“ Und zugleich soll
am Tor wenig Reibung erzeugt werden,
um den Speed nicht wieder herzugeben.
Diese Reibungsverluste zu minimie-
ren ist das Ziel, und dabei wähnt sich Re-
bensburg auf einem guten Weg. Zugleich
weiß sie auch: „Das Rennen beginnt bei
null.“ Und auch der gesamte Winter be-

ginnt bei null. Der Saisonauftakt in Söl-
den ist traditionell auf den Herbsttermin
Ende Oktober terminiert. Danach blei-
ben vier Wochen, um sich auf die Haupt-
saison einzustellen. Rebensburg sieht die-
se Pause „positiv“. Gelinge der Auftakt,
habe man die Gewissheit, „man ist in der
Spur“. Gelinge der Auftakt nicht, wisse
man, „was man noch üben kann“.
Das Glas ist also immer halbvoll bei
Viktoria Rebensburg, und gemäß dieser
Devise hat sie auch die vergangene WM
abgehakt. In Are war sie im Super-G Vier-
te geworden. Danach hatte sie im Riesen-
slalom nach dem ersten Lauf geführt,
und auch bei der Zwischenzeit im zwei-
ten lag sie vorne. Doch im Ziel fehlten 14
Hundertstel auf Petra Vlhova. „Ich habe
Silber gewonnen, nicht Gold verloren“,
sagt sie und lässt sich im Abstand eines
halben Jahres schon gar keinen Negativ-
Blickwinkel einreden. Wenn sie es genau

betrachte, bewerte sie dieses sogar als
„schönsten Moment“ ihrer Karriere, die
gewiss einige Höhepunkte aufzuweisen
hat. Das Einfahren sei an jenem Tag in
Schweden eine „Katastrophe“ gewesen,
und dennoch sei es ihr gelungen, sich auf
den Lauf zu konzentrieren und eine gute
Performance abzuliefern. Und das zeige
ihr, was sie erreichen könne mit „guter
mentaler Verfassung“.
In der nun anstehenden Weltcup-Sai-
son will sie sich auch nicht verrückt ma-
chen lassen und nicht jedes Rennen be-
streiten. Es ist ein „Zwischenwinter“
ohne Großereignis wie WM oder Olym-
pia, weshalb der Weltcupkalender noch
vollgestopfter ist als ohnehin. Rebens-
burg will sich auf ihre Kernkompetenzen
Riesenslalom und Super-G konzentrie-
ren und die Abfahrten nur temporär an-
gehen. Den Gesamt-Weltcup, in dem sie
zuletzt Vierte wurde, kann sie so nicht ge-
winnen. Aber der erscheint ohnehin un-
erreichbar, solange die amerikanische Al-
leskönnerin Mikaela Shiffrin mitmischt.
Und die ist erst 24. Ganz andere Vor-
wahl. Doch die entspannt gereifte Ski-
rennläuferin Rebensburg bleibt positiv:
„Ich habe den schönsten Beruf, den ich
mir wünschen kann.“ ACHIM DREIS

Viktoria Rebensburgfreut sich
auf einen „Zwischenwinter“
ohne Großereignis. Foto AP

TOKIO/KÖLN(sid). Ungeachtet aller
Beschwerden hat das Internationale
Olympische Komitee (IOC) offenbar
Nägel mit Köpfen gemacht. Die Verle-
gung der Marathon- und Geher-Wettbe-
werbe bei den Olympischen Sommer-
spielen 2020 von Tokio nach Sapporo
steht gut eine Woche vor einer geplan-
ten Sondersitzung wohl längst fest. Die
Entscheidung sei „endgültig“, sagte
John Coates, Vorsitzender der zuständi-
gen IOC-Kommission, am Freitag in To-
kio. Coates äußerte sich im Rahmen ei-
nes Treffens mit Yuriko Koike zur Sa-
che, die Gouverneurin der Stadtverwal-
tung von Tokio hatte zuvor die Pläne ab-
gelehnt und das IOC-Vorhaben im japa-
nischen Fernsehen als „Blitz aus heite-
rem Himmel“ bezeichnet. Zudem seien
keine Regierungsvertreter in die Diskus-
sionen rund um die Verlegungspläne
eingebunden worden. Die Proteste än-
derten nichts.
Aufgrund der verstörenden Bilder
bei der Leichtathletik-WM in Doha und
der drohenden Hitze in Tokio hatte das

IOC in Zusammenarbeit mit dem
Leichtathletik-Weltverband eine Verle-
gung der Wettbewerbe ins 800 Kilome-
ter nördlich gelegene Sapporo ins Spiel
gebracht. Dort herrschen niedrigere
Temperaturen als in der Hauptstadt, wo
mehr als 35 Grad Celsius und hohe Luft-
feuchtigkeit erwartet werden. „Ich stim-
me der Lösung Sapporo nicht zu“, sagte
Koike. Coates verteidigte den IOC-
Standpunkt. „Wir wollten nicht, dass To-
kio für ähnliche Bilder in Erinnerung
bleibt, wie man sie in Doha beim Mara-
thon und bei den Geher-Wettbewerben
gesehen hat“, sagte er schon vor dem
Treffen mit Koike.
Das IOC sei mit Blick auf die zu er-
wartenden Bedingungen in Tokio da-
von „geschockt“ gewesen, was in Doha
passiert sei. Man sorge sich um „die Ge-
sundheit und das Wohlbefinden der
Athleten“. Allerdings versprach Coates,
die „große Enttäuschung“ der Men-
schen in Tokio und die wirtschaftlichen
Nachteile für die Stadt durch die Verle-
gung in den kommenden Gesprächen
zu berücksichtigen.

R


und zwei Kilometer Luftlinie
sind es vom Aeropuerto Inter-
nacional Benito Juárez zum
Autódromo Hermanos Rodrí-
guez. Zwei Kilometer, das dau-
ert in Mexiko-Stadt. Über 21 Millionen
Menschen leben im Ballungsraum der
Ciudad de México, mehr sind es nur in To-
kio, Neu-Delhi, Schanghai und São Paulo.
Auf den Straßen mischen sich Mexiko-Kä-
fer, japanische Hybrid-Fahrzeuge und un-
zählige andere Autos, alt, neu, groß,
klein, amerikanisch, asiatisch, europä-
isch. Am Rande der Straßen ein paar Au-
tohäuser, vor allem aber Werkstatt an
Werkstatt. Unter der Haltestelle der Me-
tro verrotten alte amerikanische Vans
und Pick-ups und ein paar Bullis, die in
Niedersachsen entwickelt wurden, als die
Metro in Mexiko-Stadt die Zuschauer zu
den Wettkämpfen der Olympischen Spie-
le 1968 brachte. Der kurze Weg vom Flug-
hafen zur Autorennstrecke ist eine Fahrt
durch einen Infrastrukturpark des Zeital-
ters des Verbrennungsmotors, eine Fahrt
durch eine Hochland-Megalopolis auf
Erdöl, unter dem Licht einer leicht fahlen
Sonne. Der Smog.
Es ist Donnerstag Vormittag im Presse-
saal des Autódromo, und es ist nicht die
erste Pressekonferenz in der For-
mel-1-Saison 2019, in der es um das glo-
bal bestimmende Thema des Jahres geht:
die Umwelt. Schon vor acht Wochen in
Spa-Francorchamps, Belgien, die Brände
im brasilianischen Amazonas-Gebiet
machten Schlagzeilen, Greta Thunberg se-
gelte nach New York, war Sebastian Vet-
tel gefragt worden, ob er zufrieden sei,
wie die Formel 1 sich in den Zeiten des
Klimawandels gut aufstelle. „Einfach die
Effizienz der Motoren zu betonen reicht
nicht“, antwortete Vettel, „zumal das
meiste an Technologie im Auto sowieso
nicht in die Serienproduktion geht.“ Über
die Notwendigkeit könne man streiten.
Vettel ist kein Freund der Hybrid-Moto-

ren in den Rennautos, die vor allem des-
halb eingeführt wurden, damit es den Au-
toherstellern leichter gemacht wird, ihr
Engagement in der Serie zu rechtfertigen.
„Ich glaube, die Formel 1 sollte viel mehr
tun“, hatte Vettel in Spa gesagt, „auf und
neben der Strecke.“
In der Zwischenzeit hat das Thema an
Fahrt aufgenommen, was insbesondere
an ein paar Posts von Lewis Hamilton bei
Instagram liegt, wo ihm 13,2 Millionen
User folgen. Vor ein paar Tagen beklagte
der Weltmeister, geradezu frustriert klin-
gend, dass ihm danach sei, alles hinzu-
schmeißen, wenn er sehe, wie wenig die
meisten Menschen für die Umwelt tun.
Das kam nicht sonderlich gut an, jeden-
falls nicht bei einem, der ohnehin nie Ha-
miltons bester Freund war: Im spanischen
Radio gab Fernando Alonso in dieser Wo-
che zu bedenken, jeder wisse doch, was
Hamilton für einen Lebensstil pflege:
„Formel-1-Fahrer nehmen 200 Flüge im
Jahr.“ Alonso, Formel-1-Rentner, wird im
Januar wieder am Steuer sitzen, bei der
Rallye Dakar, bei der Autos durch die
Wüste geschickt werden, künftig in Sau-
di-Arabien. Das war Alonsos Botschaft:
lieber Vollgas-Reputationspflege für das
Königreich, dessen Folterknechte den Re-
gimekritiker Jamal Khashoggi vor einem
Jahr mit der Knochensäge zerlegten, als
scheinheilig. Er behalte lieber für sich,
wie er esse, sagte der Spanier dem Vega-
ner Hamilton noch.
Aber tatsächlich erzeugen die Bilder
der Formel 1 Widersprüche, nicht nur bei
Hamilton. Vettel soll mehr als 30 Millio-
nen Euro im Jahr dafür bekommen, dass
er möglichst schnell seinen Ferrari über
die Rennstrecken befördert, damit der
Ruhm der berühmtesten Sportwagenfir-
ma der Welt in jeden Winkel der Welt ge-
tragen wird. Kommendes Jahr dann in Vi-
etnam, auf dass die real existierende sozia-
listische Hautevolee im Ein-Parteien-
Staat mit ihren Dong-Ferraris Konten fül-

le. Der Hauptsponsor von Mercedes ist
der global operierende, staatliche malaysi-
sche Ölkonzern Petronas. Kann ein Auf-
ruf von Formel-1-Piloten zu mehr Um-
weltbewusstsein glaubwürdig sein?
„Ich denke, es wäre ignorant, wenn
man sich nicht damit beschäftigen wür-
de“, sagt Vettel am Donnerstag in Mexi-
ko. „Es ist auf bestimmte Art sehr schwie-
rig für uns, von außerhalb Akzeptanz zu
finden, denn wir haben nicht den kleins-
ten Fußabdruck (CO 2 -Fußabdruck; d.
Red.), weil die Rennen in aller Welt statt-
finden.“ Aber gerade deshalb, so argu-
mentiert er, müsse die Formel 1 insge-
samt mehr tun. Ein Vorbild solle die Serie
sein, hatte er schon vor acht Wochen in
Belgien gesagt. „Das ist ein sehr ernsthaf-
tes Thema.“
Eine kohärente, aktive Herangehens-
weise an das Thema ist bei den Vermark-
tern der Formel 1 allerdings nicht zu er-
kennen. Dabei stehen der Motorsport im
Allgemeinen und die Formel 1 im Beson-
deren seit Jahrzehnten in der Kritik von
Umweltschützern, vor allem in Deutsch-
land. Dem Motorsport-Boom der Schuma-
cher-Jahre ging eine mit dem Erstarken
der Grünen einhergehende Verbreitung
einer tief verankerten Grundskepsis wei-
ter Teile der Bevölkerung voraus. Der
Boom hat sich längst gelegt, die Skepsis
gegenüber der Formel 1 ist geblieben.
Rund 50 Liter Hochleistungskraftstoff
verbraucht ein modernes Formel-1-Auto
auf 100 Kilometern. Einschließlich der
Testfahrten, aber ohne die Motorentests
kommen bei 21 Rennen und 20 Fahrern
etwa 200 000 Liter zusammen. Das führt
dazu, dass andere Sportarten, Stichwort
CO 2 -Abdruck, im Windschatten der Kri-
tik, die die Formel 1 auf sich zieht, recht
unbeobachtet zu Werke gehen. In der For-
mel E, der angeblich grünen Motorsport-
alternative, wurden zum Saisonstart
2018/19, ebenfalls in Saudi-Arabien, Die-
selgeneratoren angeworfen, um Strom zu

erzeugen. An einem einzelnen Bundesli-
gaspieltag werden, wenn man einen Zu-
schauerschnitt von 40 000 ansetzt und je-
der Zuschauer nur einen Liter Benzin bei
der Anreise verbraucht, 360 000 Liter
Benzin verbrannt. Und es sitzen wohl we-
der Fußballspieler europäischer Topklubs
seltener im Flieger als Formel-1-Piloten
noch die besten 100 oder 150 Tennisspie-
lerinnen und Tennisspieler der Welt.
Deutschland leistet sich Skihallen für
Hobbysportler, Schneedepots für Biathle-
ten und Langläufer und vier Bob- und Ro-
delbahnen, vor allem für den olympi-
schen Ruhm, den diejenigen einfahren,
die sich auf ihnen jahrein, jahraus einen
Wettbewerbsvorteil antrainieren. Und die
übliche Praxis deutscher Fußball-Klubs,
ihre Dieselbusse aus dem Herzen Euro-
pas bis in die geographischen Extremitä-
ten des Kontinents zu fahren, damit die
Bundesligaprofis mit dem aus der Bundes-
liga gewohnten Komfort zum Training
vor dem Europapokal-Kick kutschiert
werden, ist klimapolitisch ebenfalls kaum
satisfaktionsfähig – aber nicht Gegen-
stand eingehenderer Diskussionen.
Die Formel E als Alternative? Daran
habe er überhaupt kein Interesse, sagt Ha-
milton am Donnerstag in Mexiko. Vettel
und er positionieren sich ungeachtet aller
Widersprüche als umweltpolitische Spre-
cher der Formel 1. „Angsteinflößend für
uns alle“ seien die Zeiten, sagt Hamilton
in Mexiko. Die Politik habe versagt,
meint Vettel, jedenfalls in der Vergangen-
heit. „Ich möchte den Planeten unterstüt-
zen, die Lage ist kritisch.“ Jeder Einzelne
müsse sich fragen, was er tun kann. „Die
Veränderungen werden kommen. Wir
sollten sie nicht ignorieren, sondern an-
nehmen, bevor es wahrscheinlich zu spät
ist.“ Nicht jeder im Fahrerlager fühlt sich
angesprochen. Ein paar Stunden nach der
Pressekonferenz mit dem Thema konfron-
tiert, sagt Renault-Pilot Nico Hülkenberg:
„Das ist nicht mein Bier.“

YOKOHAMA. Wenn es gegen die legendä-
ren All Blacks geht, dann schwingt bei je-
der Rugby-Nationalmannschaft die Wahr-
nehmung eines nahen Scheiterns gegen ei-
nen eigentlich nicht zu bezwingenden
Gegner mit. Auch deshalb konnte der eng-
lische Trainer Eddie Jones die Aura der
All Blacks in den vergangenen Tagen
nicht unangetastet lassen. Überraschend
erschien er am Dienstag auf einer Presse-
konferenz und warf dem Gegner im Halb-
finale der Rugby-WM in Japan vor, dass
sein Training von den Neuseeländern aus-
spioniert worden sei. Zudem lästerte er
über die neuseeländischen Journalisten;
das seien doch nur „Fans mit einer Tasta-
tur“. Und überhaupt liege der Druck an
diesem Samstag (9.30 Uhr, Pro7 Maxx)
auf den Schultern des Weltmeisters. „Auf
uns gibt hier keiner einen Pfifferling“, sag-
te der Australier mit stechendem Blick:
„Aber wir werden das Drehbuch für dieses
Match selbst schreiben.“
Und wer die Helden in dieser Under-
dog-Geschichte sein sollen, das schienen
zumindest die englischen Medien in den
vergangenen Tagen ziemlich genau zu wis-
sen. „Jones lässt seine ,Kamikaze-Kids‘
von der Leine“, heißt es da: "Sie haben
den Auftrag, alles zu vernichten, was
schwarz ist und sich bewegt." Hinter dem
Vergleich mit den berüchtigten japani-
schen Kampfpiloten verstecken sich der
21-jährige Tom Curry und sein zwei Jahre
älterer Partner Sam Underhill. Beide spie-
len auf der sogenannten „Doppel-Sieben“.
Es sind die Spieler, die am flexibelsten auf
veränderte Spielsituationen reagieren kön-
nen. Sie müssen Tackling und Passspiel be-
herrschen, sind die größten Allrounder
auf dem Spielfeld und vor allem die Köni-
ge in der sogenannten „Breakdown-
Area“. Dort werden die Angreifer geta-

ckelt, dort wird gerungen und getreten.
Und dort liegt das Königreich von Curry
und Underhill.
Es ist noch kein halbes Jahr her, dass
Trainer Eddie Jones dieses Duo Infernale
zum ersten Mal in einem Länderspiel auf-
bot und ihm prompt seinen mittlerweile
berühmten Spitznamen verpasste. Der
Presse erklärte er damals: „Wenn sie zupa-
cken, treffen sie alles, was sich bewegt. Au-
ßerhalb des Spielfeldes sind die beiden
sehr nette Studenten.“ Trotz ihres jungen
Alters haben die beiden schon einige be-
eindruckende Statistiken vorzuweisen. So
liegt zum Beispiel die gemeinsame Erfolgs-
quote bei den Tacklings bei 90 Prozent,
besser waren bei dieser WM nur die „Dop-

pel-Siebener“ der All Blacks, Ardie Savea
und Sam Cane. Tom Curry, der nach dem
Sieg gegen die Australier im Viertelfinale
zum „Man of the Match“ gewählt worden
war, ist mit 21 Jahren der jüngste Stürmer,
der England jemals bei einer Rugby-Welt-
meisterschaft vertreten hat. Und Under-
hill war vor vier Jahren noch Student in
Cardiff, als England sein WM-Auftakt-
spiel gegen Wales verlor und wenig später
aus dem Turnier flog. Jetzt sind Curry und
Underhill ein Symbol dafür, was sich in
England seit dem beschämenden Vorrun-
den-Aus bei der Heim-WM geändert hat.
Trainer Jones hatte den Posten auch des-
halb übernommen, weil die Mannschaft
sehr jung war, zahllose Talente hatte und

deshalb ideal für die Modellierung zu ei-
nem ernsthaften Titelanwärter schien.
Eine seiner wichtigsten Entdeckungen
sind Curry und Underhill. „Wenn jemand
bei einem Rugby-Länderspiel mit Flügel-
läufen glänzt, dann liegt das oft daran,
dass ein anderer Spieler harte Arbeit ge-
leistet hat, die nicht unbedingt besonders
gut aussieht“, sagte Jones zur Rolle der bei-
den: „Sie machen diesen schmutzigen Job
für England.“
Den 1,86 Meter großen und 103 Kilo-
gramm schweren Sam Underhill bezeich-
nete der erfahrene Coach kürzlich als ei-
nen der „kämpferischsten Siebener“, die
er seit langem gesehen habe. Auch Tom
Curry, mit 1,85 Metern und 106 Kilo etwa
gleichen Formats, hat schon das ein oder
andere außergewöhnliche Kompliment er-
halten.
Doch für beide geht es nun gegen den
Weltmeister. Und auch wenn die Auftrit-
te der Engländer bisher überzeugend wa-
ren – vor ihnen steht nun ein riesiger Berg
an entmutigenden Statistiken. Neusee-
land hat 18 WM-Spiele in Folge gewon-
nen. Gegen England traten sie bisher drei-
mal an – und gewannen jedes Mal. Der
letzte Länderspielsieg Englands gegen
die All Blacks liegt schon zwölf Jahre zu-
rück. Der Einzige, der also wirklich weiß,
wie man die Neuseeländer schlägt, ist Jo-
nes. Zwischen 2002 und 2005 gewann er
als Trainer von Australien fünf von elf Be-
gegnungen gegen den Erzrivalen. „Gegen
eigentlich überlegene Artillerie hat sich
Jones immer wieder als listiger Scharf-
schütze erwiesen“, schrieb die Zeitung
„Guardian“ über dessen Fähigkeit, die
Männer in Schwarz zu überraschen. Und
nun bekommt er mit Sicherheit die tat-
kräftige Unterstützung seiner „Kamika-
ze-Kids“. CHRISTIAN HENKEL

Verlegung ist „endgültig“


Marathon- und Geher-Wettbewerbein Sapporo


Rund 50 Liter Hochleistungskraftstoffverbraucht ein Formel-1-Auto auf 100 Kilometern. Foto Nordphoto


Mit Vollgas im Klimawandel


Die Kamikaze-Kids


Tackeln, ringen, treten: Englands Rugby-Team setzt gegen Neuseeland auf Tom Curry und Sam Underhill


Wenig Reibungsverluste


Gereift und voller Tatendrang: Viktoria Rebensburg
ist vor dem Start der Skisaison mit sich im Reinen

In der Formel 1 positionieren sich Hamilton und Vettel als umweltpolitische Sprecher.


Wie glaubwürdig ist das?Von Christoph Becker, Mexiko-Stadt


Schwer zu bremsen:SamUnderhill (links) und Tom Curry Fotos picture alliance, AP

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