Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
FOTO: DAVID DOLLMANN/NDR/ARD DEGETO

Auf einem Dachboden in Hamburg-Oth-
marschen steht eine Kiste, rotbraunes
Holz, die Ecken rund gestoßen, der Deckel
in Schwarz beschriftet mit einem Namen:
Gustav Schröder.
Es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis
Jürgen Glaevecke diese Kiste öffnete. Bis
er begriff, dass die kleine Truhe eine
Schatzkiste ist. Die Hinterlassenschaft
seines Großonkels, einstmals Kapitän der
„St. Louis“ und Beschützer von mehr als
900 Juden, die 1939 mit dem Schiff aus
Deutschland geflüchtet waren.
Als Jürgen Glaevecke, 67, den Nachlass
vor vier Jahren sichtete, fand er Briefe,
Fotos und Buchmanuskripte. Hier, in die-
ser schlichten Kiste, liegt die Geschichte
von Gustav Schröder, eine Heldenge-
schichte, wie es sie zur Zeit des National-
sozialismus nur selten gab. Und über die
in der Familie des Kapitäns immer nur
leise gesprochen wurde.
„Mein Großonkel wollte nicht gefeiert
werden“, sagt Glaevecke. „Er war ein be-
scheidener Mann, der seine Rolle immer
relativiert hat, wenn es um die Rettung der
Juden ging.“
Nun wird Schröders bewegende Ge-
schichte und die seines Schiffes in einem
Dokudrama erzählt. „Die Ungewollten“
(Das Erste, 21. Oktober, 20.15 Uhr) zeichnet
den langen Weg der „St. Louis“ über die
Weltmeere nach, die verzweifelte Suche
nach einem Land, das bereit ist, die Flücht-
linge aufzunehmen. Es ist ein großer,
historischer Filmstoff – mit Bezügen zur
Gegenwart. Die Berichte über Flüchtlings-
boote, die im Mittelmeer liegen und
denen das Anlanden in Europa verwehrt
wird, sie scheinen wie eine Endlos-

A


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Kapitän Schröder,
gespielt von
Ulrich Noethen,
sucht für seine
Passagiere nach
einem sicheren
Hafen


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