Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
Nein, Francesco Ge-
miniani spielte nicht
früher bei Juventus
Turin im Mittelfeld.
Er spielte Geige
im 18. Jahrhundert.
Außerdem war er Musikwissenschaftler,
Kunstsammler, Schriftsteller und ein
glänzender Komponist, der quer
durch Europa reiste. Warum er heute
praktisch vergessen ist, gehört zu den
Geheimnissen der Musikgeschichte.
Zum Glück hat das Concerto Köln eine
Schwäche für die Vergessenen und
Verlorenen. Auf ihrem hörenswerten
Album „Quinta Essentia“ haben die
Barockspezialisten mehrere Concerti
grossi von Geminiani in leuchtenden
Klangfarben eingespielt. Danke
für’s Wiederfinden! 22222

KLASSIK


Während der
Aufnahmen für ihr
zweites Album
habe sie jeden Tag
geweint, hat Laetitia
Tamko, die unter
dem Künstlernamen Vagabon auftritt,
kürzlich gestanden. Weil sich die
24-Jährige, aufgewachsen in Kamerun
und New York, nie sicher war, ob sie
als Musikerin und Produzentin gut
genug sein würde. Schließlich hatte
sie zuvor Elektrotechnik studiert, ihren
Eltern zuliebe und als Sicherheitsnetz.
Ihre Sorgen, sie sind unbegründet.
Zu zauberhaft ihre Melodien, zu
verführerisch ihre Arrangements aus
digitalen und analogen Klängen und
mit einer Stimme, die weich fließt
und doch viel Stärke ausstrahlt.
Zeit zum Lächeln. 22222

POP


Der Wahnsinn fängt
schon mit dem Titel
an. „There Existed
an Addiction to Blood“
heißt das vierte
Studioalbum von
Clipping, und schon nach wenigen
Minuten wird klar, wie ernst das Rapper-
Trio aus Los Angeles das Blutvergießen
meint. Hier wird geschossen und
gestorben, Polizisten verwandeln sich
in Werwölfe, Dämonen werden aus-
getrieben. Musik wie ein Hörspiel aus
alten Horrorfilmen, Black Power und
Weltuntergang, die virtuos Hip-Hop mit
Industrial und Lärmexzessen anreichert,
dazu Hochgeschwindigkeitstexte,
die selbst Eminem neidisch machen
würden. Am Ende wird, deutlich
hörbar, ein Klavier verbrannt.
Unheimlich gut. 22222

HIP-HOP


FOTO: JOSEPH BRANSTON/RECORDKICKS

hatte. Williams sagt: „Wir rätselten, wie viel
er wohl verwenden würde.“
Es waren schließlich 30 Sekunden, und
die veränderten ihr Leben. Als Tochter
eines Pastors hatte Williams, heute 32,
einst klassische Kirchenmusik gesungen.
Später entdeckte sie ihre Liebe zum Soul,
doch hatte sie nie vor, daraus einen Beruf
zu machen. Nachdem Jay Zs Song 2017 er-
schienen war, waren vor allem Soul-Fans
in den USA neugierig, wem denn diese
kräftige Stimme gehörte – Hannah Wil-
liams & The Affirmations spielten rund 100
Konzerte in aller Welt.
Mit „50 Foot Woman“, ihrem mittlerwei-
le dritten Studioalbum, sollte Williams wie-
der für internationales Aufmerken sorgen.
Sie singt, nein schmettert wieder voller
Hingabe Soul- und Funk-Stücke, als wäre
Motown gerade erst gegründet worden.
Bitte sampeln Sie jetzt ... Alf Burchardt

S


ie war mit einem ihrer Chöre auf
dem Weg zu einem Festival, als
sie einen Anruf ihres Schlagzeu-
gers erhielt: Jay Z habe sich ge-
meldet und angefragt, ob er einen
ihrer Songs sampeln dürfte. Der
Hip-Hop-Superstar, einer der erfolg-
reichsten Musiker, wollte etwas von ihr,
der Hobbysängerin Hannah Williams,
hauptberuflich verantwortlich für aller-
lei musik alische Aktivitäten an der Uni-
versity of Winchester? „Das konnte nur
ein Scherz sein“, sagt Williams, und sie
lacht auch heute noch laut, wenn sie
davon erzählt.
Bei ihrer Rückkehr fand sie auf ihrer
Mailbox eine unbekannte Nummer. Sie rief
zurück: Es war tatsächlich Jay Z. Seine Frau
Beyoncé hatte sich auf ihrem letzten
Album bitterlich über seine Untreue be-
klagt, nun plante er, sich zu entschuldigen,
ebenfalls mit Musik. Vor seinen Track
„4:44“ wollte er ein paar Takte von „Late
Nights & Heartbreaks“ stellen, einem Song,
den Williams mit ihrer Band eingespielt

Knallige Haarfarbe,
kräftige Stimme:
Hannah Williams
mit ihrer Band
The Affirmations

Die britische Soulsängerin Hannah Williams war
Hobbymusikerin – bis sich eines Tages Jay Z meldete

Der Anruf ihres Lebens


Hannah Williams & The Affirma-
tions: „50 Foot Woman“ Klassischer
Soul mit Wucht 22222

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KULTUR


MUSIK

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