Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
FOTO: JOVAN NENADIC

Dall, 1941 im ost-
friesischen Emden
geboren, begann
seine Karriere als
Mitglied der Ko-
mödiantengruppe
„Insterburg & Co.“
(o.). In den 80er
Jahren trat er in
Sendungen wie
„Verstehen Sie
Spaß?“ auf und
bekam eigene
Shows im Privat-
fernsehen („Dall-
As“). Zudem ging

er mit eigenen
Bühnenprogram-
men auf Tournee,
war im TV als
Talk-Gast präsent
und sang: Zu seinen
erfolgreichsten
Liedern gehören
„Diese Scheibe ist
ein Hit“ und
„Millionen Frauen
lieben mich“. Dall
ist seit 1971 mit
seiner Frau Barba-
ra verheiratet und
lebt in Hamburg.

H


err Dall ...
Auf dieser letzten Seite aufzutau-
chen, das war bisher der Horror
für mich!
Wie hilfreich, dass es an Schre-
cken verloren hat ...
Wahrscheinlich habt ihr mich vor Kurzem
mal wieder irgendwo auf dem Bildschirm
gesehen. So ging’s ja wohl auch der Redak-
tion vom Pilawa, die sich jüngst gemeldet
hat, weil sie dringend Ersatz für ihre
Quiz-Show brauchte. Also: Was mache ich
eigentlich? Für mein Alter von fast 79 Jah-
ren bin ich noch ziemlich dick im Geschäft
und suche mir aus, was ich mache.
Auf Tour gehen Sie ja nicht mehr.
Dafür bin ich gern gebuchter Zeitzeuge.
Zeitzeuge?
Für all diese Rückblicksendungen. Zuletzt
war es für eine Dokumentation zum 75. Ge-
burtstag von Gunther Emmerlich, irgend-
wann wird es etwas zur Erinnerung an
Helga Feddersen geben. Heinz Erhardt,
Peter Frankenfeld und so weiter, aufgrund
meines Alters kannte ich die ja alle. Aber

nur noch solche Formate, da habe ich auch
keinen Bock drauf. Ich bin noch hungrig.
Ihrer Einschätzung nach besteht ja aku-
ter Fachkräftemangel. Kürzlich haben
Sie kritisiert, dass es im Fernsehen nur
noch „angepasste Scheiße“ gebe, es feh-
le jemand wie Sie, der die „Drecksarbeit“
erledige und nicht nur rumschleime.
Ich habe niemanden persönlich ange-
griffen, nur bemerkt, dass ich gerade in
meinem Alter meine Zeit lieber anders
verbringe, als sie mit dem Anschauen von
Sendungen zu verschwenden, die vorge-
ben, Humor zu liefern.
Was stört Sie genau?
Die Austauschbarkeit. Mich konnte nie
jemand kopieren. Heute drängeln sich
Hunderte Comedians um den Napf. Deren
Witze hat man alle schon mal besser oder
schlechter gehört. Sogar Frauen haben
jetzt ihre „Ladies Night“.
Ja, und?
Die bedienen sich auch schon dieser Fäkal-
sprache, reden vulgär wie die Männer.
Zurückhaltend waren auch Sie nie!
Wenn ich austeile, hat das seinen Charme.
Diesen Idiotenschein habe ich mir in mei-
nen 50 Jahren im Showbusiness auch hart
erarbeitet. Wer mich engagiert, weiß, auf
wen er sich einlässt. Und zu Insterburg-
Zeiten waren wir regelrecht dezent, in Tex-
ten braucht die Fantasie schließlich auch
noch ihren Platz.
Ihr Hunger auf mehr: Was soll’s denn sein?
Ich würde gern mal einen gebrochenen,
fiesen Typen spielen. Aber so eine Chance
habe ich mir in Deutschland durch die
vielen schlechten Kinofilme von früher
wohl selbst versemmelt.
Dabei hat sogar Hollywoodstar Dustin
Hoffman mal Talent in Ihnen gespürt.
Der hat mich auf einer kleinen Film-
Premiere hier in Hamburg gesehen und
meinte schließlich: „Da kann Deutschland
ja noch hoffen.“ Ist das nicht schön?
Sie haben immer wieder mal öffentlich
bekannt: „Ich bin ein Sozi.“ Wie steht’s
denn derzeit um Ihr Verhältnis zur SPD?
In der Beziehung bin ich spießig.
Heißt?
Treu. Eine Frau tauscht man ja auch nicht
einfach so aus. Viel an ihrer Lage hat die
SPD sich allerdings selbst zuzuschreiben,
nicht nur, dass sie sich dauernd selbst
zerfleischt.
Sie haben jetzt mehrmals Ihr Alter er-
wähnt. Beschäftigt Sie das so sehr?
Ach, ich habe nur keine Lust, als frustrier-
ter Opa im Rollstuhl zu enden. Ich will jetzt
Friede, Freude, Eierkuchen.
Altersmilde, Herr Dall?
Das geht zu weit! 2 Interview: Felix Rettberg

1967 als Komiker bekannt geworden, unterhielt er über
Jahrzehnte das deutsche Fernsehpublikum

Karl Dall


Karl Dall, 78,
kürzlich zu
Besuch bei seiner
Tochter Janina
in Vancouver, die
dort als Stunt-
frau arbeitet

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