Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
die Balance halten. Doch mehr als ein paar Zentimeter
bewegen sich die Räder nicht, ehe sie wackelig wieder
mit den Füßen nachhilft. Dann, nach einer Stunde, platzt
bei ihr der Knoten: Azam fährt Rad. Unterdessen und
laut lachend stoßen die anderen zusammen. Bremsen
klappt noch nicht. Binnur sagt: Pause.
„Für Frauen, die noch nie in ihrem Leben etwas mit
Sport zu tun hatten, ist es besonders schwer“, erzählt sie.
Die 39-jährige Friseurin ist schon lange Mitglied im SC
Urania. Dann kam das Angebot einer Ausbildung zur
Fahrradlehrerin. „Ich habe Spaß dabei, rede gern mit den
Frauen und erfahre ihre Geschichten.“ Auch das sei ein
wichtiger Bestandteil des Kurses. „Die Frauen kommen
aus verschiedenen Nationen, üben hier Deutsch, quat-
schen, machen Sport und lernen dabei.“ Eine Teilneh-
merin sei in diesem Jahr zum dritten Mal im Kurs –
obwohl sie es schon beim ersten Mal gelernt hat. Sie
wolle einfach reden und mit den anderen Frauen
Fahrrad fahren.
Auch Teilnehmerin Naomi scheint die Fröhlichkeit
im Fahrradkurs zu genießen. Die gebürtige Nigeriane-
rin ist selbstbewusst, trägt grellen lila Lippenstift. In
ihrer Heimat habe sie das Fahren nicht lernen können:
„Ich bin in der Stadt aufgewachsen. Es gibt dort keine
Fahrradwege, die Straßen sind schlecht und voll.“ Ra-
deln ist dort lebensgefährlich. Ob sie nichts Besseres zu
tun hätte, habe ihre Schwester sie gefragt. Da winkt sie
nur ab. Sie wolle das Fahrradfahren vor allem wegen
ihrer Tochter lernen: „Sie ist sechs. Klar, sie kann es, hat
es einfach selbst gelernt“, sagt Naomi. „Ich will endlich
mithalten können.“ 2 Mona Pekarek

In Fahrt: Auf dem
Sportplatz des
SC Urania in
Hamburg bringt
Binnur Urkal
(Mitte) Frauen das
Radfahren bei

Kurs in Hamburg hilft


Deutsch ins Rollen


17.10.2019 61
Free download pdf