Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
ILLUSTRATION: JÖRG DOMMEL

Material einfach eingeschmolzen und an-
schließend wiederverwertet. Ausnahmen
bilden lediglich handwerklich besonders
schön gearbeitete Schmuckstücke, für die
auch mal etwas mehr als der reine Mate-
rialwert rausspringen kann.
Für den Laien ist der Goldgehalt seiner
Stücke allerdings schwer abschätzbar.
Denn meist werden Legierungen verwen-
det, das sind Mischungen mit anderen
Metallen, wie Silber oder Kupfer, die dem
ansonsten eher weichen Edelmetall die
nötige Härte geben. Bei Schmuck gibt die

B


ehutsam lege ich das unschein-
bare Tütchen in die schwarze
Durchreiche. Der Inhalt besteht
aus ein paar bröckeligen Zahn-
kronen, die mir mein Zahnarzt
vor Jahren nach umfangreichen
Reparaturarbeiten zugesteckt hatte. Jah-
relang lagen sie vergessen in der hinters-
ten Ecke der Schreibtischschublade. Nun,
wo an den Börsen immer neue Höchst-
stände vermeldet werden, habe ich mich
wieder erinnert. Mal gucken, was die Über-
reste bringen!
Die Frau hinter der dicken
Panzerglasscheibe nimmt das
Häufchen Metall schweigend
entgegen, schaut einmal kurz
drauf und schwingt dann den
Hammer. Krawumm – mit
kräftigen Schlägen befreit sie
die Kronen von Kunststoff-
und Kleberresten. Dann schiebt
sie die einzelnen Bruchstücke
nacheinander in ein Röntgen-
gerät, das den Reinheitsgehalt
ermittelt und murmelt: „Hm,
hier haben wir ja was ganz Fei-
nes, 75 Prozent Gold. Oha, eine
Beimischung mit Palladium,
Zinn und Platin“. Erstaunlich,
was so alles in meinen hohlen
Zähnen verbaut war. Dann legt
sie die einzelnen Teile auf eine
Waage, tippt wild in ihren Ta-
schenrechner und knapp fünf
Minuten später schiebt sie mir
drei Fünfziger, zwei Zwanziger
und ein paar Münzen durch
die Durchreiche: 193,02 Euro,
bar auf die Hand.
Deutschland im Goldrausch.
Der Preis für das Edelmetall
ist in den vergangenen fünf
Jahren um gut vierzig Prozent
gestiegen. Aktuell steht das
Gramm Feingold bei rund 43
Euro. Der richtige Zeitpunkt
also, sich von alten Erbstücken
zu trennen? Die Antwort ist ein
klares: Jein. Denn wer sein Altgold ver-
kauft, muss gerade bei Kleinstmengen mit
ordentlichen Abschlägen rechnen. Juwe-
liere und Goldhändler verlangen bis zu
20 Prozent, bisweilen auch mehr, für ihre
Dienstleistungen, wie etwa die Reinigung
und Aufbereitung des Materials.
Was für sie zählt, ist vor allem der Rein-
heitsgehalt, denn in der Regel wird das

Punzierung Auskunft über den Anteil
des hochwertigsten Edelmetalls. Dies ist
ein kleiner Stempel an einer unauffälli-
gen Stelle. Früher war die Punzierung,
auch Punze genannt, nicht zwingend vor-
geschrieben. Das macht die Sache gerade
bei alten Schmuckstücken schwierig.
Ansonsten können Onlinerechner im
Internet, etwa auf gold.de, eine erste
Orientierung bieten. Voraussetzung: Zu
Hause steht ein gutes Messgerät, bei-
spielsweise eine Briefwaage oder eine sehr
genaue Küchenwaage.
Verbraucherschützer emp-
fehlen vor dem Verkauf, meh-
rere konkrete Angebote einzu-
holen und sich umfangreich
zu informieren. In den Fußgän-
gerzonen jeder größeren Stadt
gibt es meist mehrere Händler.
Auch viele Juweliere nehmen
Altgold an. Doch die Preis-
unterschiede sind deutlich. Für
mein Tütchen Zahngold hätte
ich in einem kleinen Laden
im Hamburger Bahnhofsvier-
tel nur 172 Euro bekommen.
Glatte 20 Euro weniger als bei
der Dame mit dem Hammer.
Im Internet lässt sich seit ei-
niger Zeit Altgold noch beque-
mer verkaufen. Die Ankaufs-
preise können auf einen Blick
verglichen werden. Und auch
welcher Händler die besten
Bewertungen bekommen hat.
Aber Achtung, es fallen er-
höhte Versandkosten an, weil
die Sendung versichert werden
muss. Verbraucher sollten
mit Portokosten von zehn bis
zwanzig Euro rechnen. Das
lohnt erst bei größeren Men-
gen. Das Prozedere ist dagegen
recht einfach: Versandtasche
anfordern, das Gold eintüten,
und innerhalb von 48 Stunden
kommt ein Angebot. Fällt dies
nicht zufriedenstellend aus,
kann die Ware kostenlos zurückgefordert
werden.
Doch bei aller Rechnerei sollte man eines
nicht vergessen. Gold, insbesondere alter
Schmuck, hat immer auch einen emotiona-
len Wert. So mancher kurz entschlossene
Verkäufer wollte seine Kette oder den Ring
einige Zeit später gern wiederhaben, doch
da war das Stück längst eingeschmolzen. 2

Der Goldpreis ist so hoch wie seit


Jahren nicht. Eine gute Gelegenheit, sich von


alten Schätzen zu trennen?


So macht man Gold zu Geld


Die Idee zu diesem Text verdankt Silke Gronwald ihrem Zahnarzt. Er tröstete sie angesichts hoher Zahnreparatur-Rechnungen
damit, dass sich Altgold doch zu Geld machen lasse. Die goldene Uhr ihrer Mutter und eine Münze will sie hingegen nie verkaufen

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