Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1
FOTO: MAURITIUS IMAGES

D


er Anfang allen Übels war ein-
einhalb Meter lang, sandfarben,
hochgiftig und gehörte eigent-
lich in den östlichen Himalaya
oder in die Tiefebenen Südost-
asiens – und eben nicht nach
Herne im Ruhrgebiet.
Nahezu unbemerkt bewegte sich die
Schlange an einem Sonntagnachmittag
durch den Hausflur eines dieser typischen
Reihenhäuser in der Bruchstraße im Stadt-
teil Holthausen. Anwohner, die sie im
Hausflur erspähten, schossen ein Foto und
riefen die Polizei, die wiederum einen Ex-
perten alarmierte. Kurz darauf stand fest:
In der Bruchstraße war eine Giftnatter
unterwegs, genauer: eine Monokelkobra.
Die gilt als angriffslustig und leicht erreg-
bar, sie sollte nur von Spezialisten oder bes-
ser gleich in zoologischen Einrichtungen
gehalten werden. Wer von einer Monokel-
kobra gebissen wird, ist ohne Behandlung
des Todes. Ein Antiserum musste her.
Während Anrufe bis nach Weißrussland
gingen, um das Gegengift zu besorgen,
rückte in der sonst so beschaulichen Bruch-
straße das ganz große Gedeck an: Feuer-
wehr, Ordnungsamt, Polizei, Tatütata. Das
Schlangen-Suchkommando streute Mehl

und legte doppelseitiges Klebeband aus, um
die Schlange zu fangen. Vier Wohnhäuser,
alle über Kellerräume verbunden, wurden
evakuiert und abgesucht. Rep-
tilienexperten aus Düssel-
dorf unterstützten, auch
ein Schlangenexperte
der Feuerwehr Bochum
war vor Ort. Der Oberbür-
germeister versicherte: „Mit
Nachdruck arbeiten wir daran, die
Schlange zu finden.“ Aber allem Nachdruck
zum Trotz: Die Kobra blieb verschwunden.
Wäre sie einmal kurz aufgetaucht, hätte
sie sich wahrscheinlich sofort wieder ver-
zogen. Denn in der Bruchstraße kamen
inzwischen Schaulustige mit Schulter-
kameras und Fotoapparaten zusammen. Ju-
gendliche sagten nach der Schule: „Komm,
lass Kobra gucken“, ein Bewohner des Fund-
hauses spricht bis heute vom „Kobra-Tou-
rismus“. Sogar bis in die „New York Times“
und die „Arab News“ („Es caped deadly co-
bra terrorizes German town“) schaffte es die
verschwundene Schlange aus Herne.
Immerhin hatten die Behörden schon
ziemlich schnell eine Idee, woher das Tier
kommen könnte. Sie kontaktierten einen
jungen Mann, der in ebendem Haus wohn-

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sind giftig – und
leicht erregbar

Tagelang fahndeten


Einsatzkräfte in


Herne nach einer aus-


gebüxten Kobra.


Wer zahlt die Rechnung?


SCHLANGEN-


GESELLSCHAFT


GRUBE

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