Der Stern - 17.10.2019

(Jacob Rumans) #1

te, in dem die Kobra gesichtet worden war.


Zu diesem Zeitpunkt hielt er viele, sogar


sehr viele Schlangen, auch Monokelkobras.


Er verkaufte sogar hin und wieder welche.


Aber, so versicherte er: Die entlaufene


Schlange sei ihm völlig unbekannt.


Wie soll man einem beweisen, dass er


Eigentümer einer Schlange ist, wenn die


Schlange sich nicht in seiner Obhut befin-


det? Den Behörden blieb erst einmal nichts


anderes übrig, als die anderen Reptilien des


Mannes vom Ordnungsamt sicherstellen


zu lassen. Kurzzeitig erwog man, alle vier


Häuser mit Folie abzudichten und ein Gift-


gas einzuleiten, das nur Schlangen scha-


den sollte. Aber die Bewohner wollten kein


Giftgas. Die Bewohner waren genervt.


Fünf Tage nach dem Beginn der Suche be-

schloss die Stadt Herne, die evakuierten


Wohnungen wieder freizugeben. Und als


dem Bürgermeister bei einer Ortsbe-


gehung vorgeschlagen wurde, doch auch


noch das verwilderte Rasenstück hinter


dem Fundhaus mähen zu lassen, schreck-


te endlich ein Mähroboter die Kobra auf, sie


flüchtete in den Kellereingang. Dort fing sie


der Schlangenexperte Roland Byner ein.


Mit den Worten „Wir hamse!“ beendete

er die Suche und verfrachtete die Kobra in


eine Kiste mit Totenkopf. Die Geschichte
hätte hier zu Ende sein können, mit Happy
End. Wäre da nicht die Frage, wer für den
Schaden aufzukommen hat. Der Mann mit
den vielen Schlangen blieb dabei, dass er
mit dieser speziellen Monokelkobra nichts
zu tun habe. „Aber außer diesem Mann
hatte hier niemand Schlangen“, sagt eine
Bewohnerin der Bruchstraße. „Nur Hams-
ter und Hunde!“ Die Stadt versuchte, prü-
fen zu lassen, ob sich DNA der geflohenen
Kobra in der Wohnung des Mannes befand.
Oder wenigstens ein Foto. Vergebens.
„Da es sich im Falle der entlaufenen
Schlange um eine Ordnungswidrigkeit
handelt und nicht um eine Straftat, haben
wir keine Handhabe, Ermittlungen zu er-
wirken“, sagt Christoph Hüsken, Sprecher
von Herne. Trotzdem sei die Stadt sich „ab-
solut sicher, dass der Schlangenhalter voll-
verantwortlich für die Geschehnisse rund
um die entwischte Kobra ist“. Auch wenn
sich der mutmaßliche Halter „bislang noch
windet wie eine Schlange“.
Herne hatte in den vergangenen Jahren
immer wieder mal tierische Probleme. In
einem Winter zog ein Zirkus einfach in ein
leer stehendes Autohaus ein, legte Säge-
späne aus und ließ die Kamele durch

die Ausstellungsräume traben. Kurz vor
der Kobrasache wurde ein frei laufender
Luchs gesichtet. „Aber das war mit der
Schlangensuche nicht vergleichbar“, sagt
Hüsken. „Die Kobra war ein anderes Kali-
ber.“ Auch finanziell. Und Herne geht es wie
den meisten Städten im Ruhrgebiet: Die
öffentlichen Kassen sind leer.
Jetzt, Wochen nach der Suchaktion, wer-
den die Kosten für den fast einwöchigen
Einsatz addiert. Hüsken rechnet mit einer
Summe im „mittleren fünfstelligen Be-
reich“. Der Gebührenbescheid an den
mutmaßlichen Schlangenhalter soll bald
abgeschickt werden – allerdings haben ihn
seine Nachbarn schon länger nicht mehr
gesehen. Und Nachbarn wissen zu berich-
ten, dass der 22-Jährige ohnehin arbeitslos
sei und von Hartz IV gelebt habe. Bei dem
sei nichts zu holen.
Es gibt Momente, da klingt es, als bedau-
re Hüsken, bei aller Sympathie für die Nach-
barstädte, dass die Monokelkobra nicht ein-
fach ein bisschen fortbewegungsfreudiger
war. Nur knapp fünf Meter hinter dem Haus
in der Bruchstraße verläuft die Grenze zu
Cast rop-Rauxel. „Beinahe“, seufzt Hüsken,

„wären wir gar nicht zuständig gewesen.“ (^2)
Nora Gantenbrink

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