Focus - 19.10.2019

KULTUR

Foto: Luiz Maximiano/laif

Wie nah sind Sie den Indigenen und dem

Regenwald bei Ihrer Arbeit gekommen?

Für 30 Reportagen habe ich mit zehn,

zwölf verschiedenen Völkern über sie-

ben Jahre hinweg gearbeitet. Die Koru-

bos im Vale do Javari haben erst seit

2015 Kontakt mit Weißen, andere schon

seit dem 19. Jahrhundert. Ein Volk ist

Nachfolger der Inkakultur, vertrieben

von den Spaniern, kam es nach Brasilien

und betreibt eine ausgefeilte Landwirt-

schaft, Fisch- und Schildkrötenzucht. Ich

habe auch viele Luftaufnahmen Amazo-

niens gemacht, das System der Flüsse,

der Bäume und der Berge fotografiert.

Was hilft Ihnen, sich in Amazonien gleich hei-

misch zu fühlen, wie Sie einmal gesagt haben?

Es fällt mir sehr leicht, mich den Men-

schen anzunähern. Wir haben das glei-

che Verhalten, auch wenn ich nicht die

Sprache der Indigenen spreche. Aber wir

gehören der gleichen Spezies an. Der

praktische Zugang ist schwer. Es gibt

Reisen zu Völkern, für die ich sieben,

acht Tage brauche, um hinzukommen.

Und wenn die Völker geschützt

sind, noch wenig kontaktiert,

muss ich in Quarantäne, bevor

ich aufbreche. Amazonien selbst

ist das Paradies auf Erden – es ist

ein großes Vergnügen, dort hin-

zureisen, Zeit zu verbringen, dort

zu arbeiten.

Wussten Sie immer, dass solche

gewichtigen Themen für Sie

in Schwarz-Weiß sein würden?

Bei einer anderen Form muss

es ein anderer Fotograf sein. Ich

kann nur in Schwarz-Weiß fotografieren.

Heutzutage glaubt fast jeder,

dass er mit dem Mobiltelefon

Fotos machen kann. Aber ist

das auch Fotografie?

Ein Handy-Bild ist eine neue, moderne

Sprache der Kommunikation. Man macht

ein Bild und verschickt es. Fotografie ist

Erinnerung. Ein Foto ist etwas, das man

ausdruckt, berührt, in die Hand nimmt,

das eine Geschichte erzählt. Was Ihre

Mutter, Ihr Vater gemacht haben, als Sie

klein waren: Sie machten Fotos, ließen sie

in einem Laden an der Ecke Ihrer Straße

entwickeln, klebten sie in ein Album,

das Sie Jahre später noch anschauten.

Das ist Fotografie; das ist Erinnerung,

die Geschichte Ihres Lebens. In dem

Moment, in dem Ihr Handy geklaut wird,

Sie es wegwerfen oder wechseln, sind

diese Bilder meist verloren.

Haben Ihre Eltern früher auch

Fotoalben angefertigt, so wie meine

Eltern in Deutschland?

Fotograf und Aktivist Sebastião Salgado ließ das

Gebiet um die Farm seiner Eltern in Brasilien aufforsten

Salgado sieht die Welt anders als ein Europäer

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