Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1

POLITIK JUNGE UNION


15%

14% 14%

13%

18%

20% 29%

weiß nicht/
k. A.

Friedrich
Merz

Annegret
Kramp-Karrenbauer

Jens
Spahn

Armin
Laschet

keiner
davon

Markus Söder

Fotos: Harald Tittel/dpa

34 FOCUS 43/2019


Jungen Union (JU) geht dem
Ende entgegen. Sonntagmor-
gen ist ein denkbar schlechter
Zeitpunkt, um die Menge zu
rocken.
Was haben sie gejubelt, als
an den Tagen zuvor Armin
Laschet auf die Bühne kam,
Jens Spahn oder Markus
Söder und, natürlich, Friedrich
Merz. Was haben sie gelästert
über AKK. Jetzt steht an glei-
cher Stelle eben sie und blickt
auf eine Wand aus Skepsis.
Kramp-Karrenbauer nimmt
entschlossen ihr Mikro in die
Hand. Zaghafter Applaus,
kein ehrlicher, sondern höfli-
cher. Sie beginnt zu sprechen.
Über ihre Fehler. Über Euro-
pa. Über die Zukunft der CDU.
Und tatsächlich, es gibt wieder
Applaus.
Der Termin ist wichtig. Die
Junge Union ist wichtig. Sie
ist die Sammelstelle für den
Führungsnachwuchs. Wer
etwas werden will in der CDU,
behauptet sich in der Regel
vorher in der JU. Die Organisa-
tion hat 105 000 Mitglieder und
eine Reihe prominenter Spit-
zenpolitiker hervorgebracht.
Leute wie Wolfgang Schäuble
oder Hermann Gröhe.


Der innerparteiliche
Oppositionelle


Kramp-Karrenbauer spürt, wie
sie allmählich Sympathie gewinnt. Es flie-
gen ihr nicht die Herzen zu. Aber da ist
plötzlich so etwas wie Respekt im Raum.
Sie kämpft. Immer wieder gibt es Applaus.
Aber immer noch kein Vergleich zu ihm.
Ihre Leute hatten ihr natürlich gesagt, was
los war an den Tagen zuvor. Wie er gefeiert
wurde. Denn bei der CDU gibt es so etwas
wie eine innerparteiliche Opposition. Und
die heißt Friedrich Merz.
Zwei Tage zuvor, 20.50 Uhr. Bevor Merz,
der einstige CDU/CSU-Fraktionschef, sei-
ne Rede begann, war die Junge Union
in Feierlaune. Es wurden schon die ers-
ten Plakate in die Luft gehalten: „Mehr
Sauerland für Deutschland“. Er sprach die
ersten Worte, die Menge jubelte. Was er
gesagt hatte? Egal. Sie lieben ihn.


Merz hat gut reden. Er
muss kein Ressort führen,
keine Partei, er hat kei-
ne Verpflichtung, er ist ein
politischer Junggeselle, frei
und ungebunden. Mit seiner
Kritik, mit seinen Ideen, mit
seiner gelassenen Ehrlich-
keit bezirzt er seine Anhän-
ger. Er ist die Projektionsflä-
che all derer, die von einer
Merkel-CDU enttäuscht sind.
Der Hoffnungsträger der Kon-
servativen.
Kramp-Karrenbauer weiß
das alles. Sie ist rein geogra-
fisch schon ein Minderheiten-
programm. Das Saarland stellt
gerade mal 14 der rund 300
Delegierten des Deutschland-
tages, 79 kommen aus dem
Merz-Land NRW. Als FOCUS
am Samstag etliche Jungpoli-
tiker bittet, ihren Kanzlerfavo-
riten auf ein Schild zu malen,
hatte jedenfalls keiner die Par-
teichefin auf dem Zettel.
Aber sie lässt sich an diesem
Sonntag nicht beirren. Setzt
das Mikro an und sagt: „Wir
müssen Schrittmacher sein
und nicht die, die im Brem-
serhäuschen sitzen.“ Applaus.
Kein höflicher, sondern ehrli-
cher. Überrascht legt der eine
oder andere das Handy weg,
setzt sich auf, hört zu. „Irgend-
jemand hat in den vergange-
nen Tagen geschrieben, es sei
ein Fehler, dass die Vorsitzende als Ver-
teidigungsministerin auf Einsatzreise im
Baltikum war. Sie hätte doch besser in
Saarbrücken sein sollen, um mit der JU zu
kuscheln“, sagt AKK. Stille. „Wer so was
schreibt, hat von der JU keine Ahnung.
Mit der JU kuschelt man nicht. Mit der
JU streitet man.“ Und da sind sie endlich,
die Jubelrufe.
Es ist 14 Uhr. Das Kongresszentrum
leert sich. Kramp-Karrenbauer ist längst
weg. Merz ist schon am Freitag abgereist.
Und irgendwie hängt der Gedanke im
Raum, dass sie heute Friedrich Merz zum
zweiten Mal besiegt hat. Einfach, weil sie
nicht untergegangen ist. n

SARA SIEVERT

Und dann sagt AKK: „Mit der JU kuschelt man nicht. Mit der JU streitet man“


FOCUS fragt die Bundesbürger: Wer soll
Kanzlerkandidat von CDU/CSU werden?

Mehrheit für Merz Fast ein Drittel der Befrag-
ten sprechen sich für Friedrich Merz als Kanz-
lerkandidaten aus. AKK nennen nur 14 Prozent

Dafür Applaus Während ihrer Rede gesteht Annegret Kramp-Karren-
bauer ein, Fehler gemacht zu haben, und zeigt sich offen für Kritik

Darauf ein Bier Nach seiner Rede stößt Friedrich Merz mit JU-Chef
Tilman Kuban (r.) an. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt

Quelle: Kantar Emnid

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