Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1

POLITIK AUSLAND


Foto: Deirdre Brennan/Redux/laif

48 FOCUS 43/2019


pro Woche. Varadkar weiß, was auf dem
Spiel steht, und bleibt unbeirrbar. Das
mag auch mit seiner Herkunft und sei-
nem bisherigen Werdegang zu tun haben.


Der Unkonventionelle


Einen Premierminister wie ihn hatte das
früher erzkatholische Irland noch nie:
Der 1,93-Meter-Hüne ist homosexuell
und wurde mit nur 38 Jahren Taoise-
ach (sprich: Tih-schock), wie der irische
Regierungschef nach dem gälischen
Begriff für Häuptling genannt wird. Sein


Vater ist Arzt und Hindu, seine Mutter
eine katholische Krankenschwester.
Vor dem Referendum über die Homo-
Ehe vor vier Jahren hatte Varadkar sein
Coming-out. „Ich bin schwul. Es ist kein
Geheimnis, aber vermutlich weiß es nicht
jeder“, sagte er während eines Radio-Inter-
views. Das waren in Irland unerhörte Sätze,
schließlich wurden gleichgeschlechtliche
Beziehungen bis 1993 noch bestraft. Dass
die Iren 2015 für die Zulassung gleich-
geschlechtlicher Ehen stimmten, nannte
Varadkar eine „soziale Revolution“. Er
selbst lebt mit dem Kardiologen Matt Bar-
rett zusammen. Während der Arzt in Chica-
go praktische Erfahrungen sammelte, führ-
te das Paar zeitweise eine Fernbeziehung.
Varadkar legte eine steile Polit-Karriere


hin, zog mit 28 Jahren für die konser-
vativ-liberale Partei Fine Gael (Familie
der Iren) ins Parlament ein, wurde wirt-
schaftspolitischer Sprecher und leitete
verschiedene Ministerien. Während sei-
nes Aufstiegs litt Irland unter den Folgen
der Finanzkrise. Varadkars Vorgänger
Enda Kenny sanierte die Republik mit
drakonischer Sparpolitik. Das kostete ihn
das Amt: Bei der Wahl 2016 reichte es für
Fine Gael nur zu einer Minderheitsregie-
rung – Varadkar löste Kenny ein Jahr spä-
ter als Parteivorsitzender und Premier ab.

Lange Verhandlungsnächte nicht nur in
Sachen Brexit bewältigt Varadkar mithilfe
von Mars-Schokoriegeln, fit hält er sich
mit Tough-Mudder-Läufen – Hindernis-
rennen durch Schlamm. Er gilt als Symbol
für ein junges, modernes und weltoffenes
Irland und steht für eine bürgerliche und
wirtschaftsliberale Politik. Varadkar will
Politik für die Tüchtigen machen. Seine
Botschaft: „Ich leite eine Partei für alle,
die morgens früh aufstehen.“

Neues Selbstbewusstsein dank Brexit
Die Brexit-Diskussion hat Varadkar nicht
nur neue Macht gebracht, sondern auch
Selbstbewusstsein. Kritiker werfen ihm
vor, das sei ihm zu Kopf gestiegen. Gera-
de die konservativen britischen Zeitun-

gen zeichnen ihn gern als den Schurken
im Brexit-Stück, weil er sich von Beginn
an eindeutig auf der Seite der EU posi-
tionierte und nie offen für Deals zwischen
London und Dublin – eventuell an der EU
vorbei – zeigte. Womöglich träumte man-
cher Nostalgiker in Westminster davon,
dass die Strategie des „divide et impera“,
des Spaltens und Beherrschens, mit dem
die Briten einst ihr Empire aufbauten,
auch beim Brexit erfolgreich sein könnte.
Arlene Foster, Chefin der nordirischen
DUP, warf Varadkar vor, er verhalte sich
„widerspenstig“, verweigere sich „ver-
nünftigen bilateralen Diskussionen“ und
verstecke sich „hinter dem Schutzman-
tel der EU“. Der britische Ökonom und
„Telegraph“-Kolumnist Liam Halligan
klagte über einen „unerfahrenen“ Pre-
mier, der sich mit „Briten-Bashing“ sei-
nen Wählern andiene. „Er hat die riesigen
Fortschritte in den Beziehungen zwischen
den Iren und dem Königreich seit dem
Karfreitagsabkommen gefährdet.“
In Dublin sieht man das ganz anders.
In einer Umfrage diese Woche erklärten
51 Prozent der Iren, Varadkar mache einen
guten Job. 60 Prozent unterstützen seinen
Brexit-Kurs. Lange wird das Lob allerdings
nicht von seinen innenpolitischen Prob-
lemen ablenken können: Das Gesund-
heitssystem steht vor dem Kollaps, und
der chronische Mangel an Wohnraum hat
die Obdachlosigkeit in den Städten rasant
ansteigen lassen. Nur: Als Chef einer Min-
derheitsregierung kann Varadkar von sei-
ner innenpolitischen Agenda wenig durch-
setzen. Seine Partei drängt ihn deshalb zu
Neuwahlen, sobald der Brexit-Deal einge-
tütet ist. „Sollte er danach als Gewinner
dastehen“, sagt sein Biograf, der Journalist
Philip Ryan, „wird er daraus schnell Kapi-
tal für die Wahl schlagen.“
Allerdings droht nach einer Einigung
eine neue Front. Und die liegt in Brüssel.
Schließlich ist die EU-Kommission wei-
terhin äußerst verärgert über die irischen
Niedrigsteuersätze für US-Konzerne wie
Apple. Die alte und neue Wettbewerbs-
kommissarin Margrethe Vestager verlangt,
dass der US-Konzern 13 Milliarden Euro
an Steuern nachzahlt. Der Fall steht vor
Gericht. Hinzu kommt der Streit um die
Internet-Steuer, die die EU-Kommission
einführen will. Varadkar wehrt sich dage-
gen, er hat schon mit einem Veto gedroht.
Doch die neue Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen will das auch in
Deutschland umstrittene Thema vorantrei-
ben. Der Honeymoon mit Brüssel könnte
früher enden als es Varadkar lieb ist. n

ERIC BONSE / REINHARD KECK

„Ich bin schwul. Es ist kein Geheimnis, aber


vermutlich weiß es nicht jeder“
Leo Varadkar, Premier Irlands

Soziale Revolution in Irland Leo Varadkar zeigt sich auf einem Gay-Pride-Festival in Dublin. 2015
wurde in Irland die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, bis 1993 war Homosexualität noch strafbar


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