Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1

TITEL


Die Firmenjäger


greifen immer mehr


nach dem deutschen


Mittelstand


Fotos: Volker Hinz/Stern/Picture Press, Ulrich Wagner

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ökonomische Souveränität des Landes.
Das Kommando führen jetzt Investment-
fonds in London, New York und Singa-
pur oder Staatskapitalisten in Peking. In
den Aufsichtsräten der deutschen Firmen
bedienen Amerikaner, Briten, Chinesen
und immer mehr Ölscheichs die Schalt-
hebel der Macht.
Das hat Folgen. Nach der volkswirt-
schaftlichen Gesamtrechnung des Sta-
tistischen Bundesamts für 2018 geht der
Anteil der Industrie an der Bruttowert-
schöpfung hierzulande immer weiter


zurück. Mit aktuell 22,7 Prozent liegt der
Wert bereits deutlich unter der Zielmarke
von 25 Prozent.
Unterdessen entstehen überall auf der
Welt neue industrielle Champions – aber
immer weniger hierzulande. Der letzte
Versuch, die Bahnsparte von Siemens
mit der französischen Alstom zu einem
europäischen Eisenbahn-Champion zu
fusionieren, um gegen China bestehen
zu können, wurde von der EU-Kommis-
sion untersagt.
Die Profite aus den ausländischen
Beteiligungen an den deutschen Unter-
nehmen fließen derweil außer Landes
auf fremde Konten. Dementsprechend
sinkt der Anteil der Kapitalseite am deut-
schen Steueraufkommen in der Relation
zum Gesamtaufkommen kontinuierlich
(siehe Grafik Seite 61). Die Konsequenz
der schleichenden Verschiebung von Ver-
mögenswerten ins Ausland: Der deutsche

Fiskus holt sein Geld kaum noch über
die Körperschaftsteuer bei den Unter-
nehmen, sondern kassiert verstärkt den
Bürger ab, der mit immer höheren Ein-
kommen-, Umsatz-, Energie- und Kon-
sumsteuern den Staat finanzieren muss.

Die Erträge fließen auf fremde Konten
Bedroht vom Ausverkauf ist eine gan-
ze Reihe bekannter deutscher Firmen:
Neben Thyssenkrupp dürfte auch die
Industrie-Ikone Bayer zu einem Test-
fall für die Zukunft der heimischen
Wirtschaftsunternehmen werden. An
dem Chemie- und Pharma-Konzern ist
seit Sommer dieses Jahres der Hedge-
fonds Elliott beteiligt, einer der am meis-
ten gefürchteten Firmenjäger der Wall
Street. Der von US-Milliardär Paul Singer
gegründete Fonds hat schon mehrfach
bewiesen, dass er mächtigen Großkon-
zernen seinen Willen aufzwingen und sie

Fazit: Ausländische Investoren haben die
Mehrheit bei Daimler. Bislang gab es noch
keine großen Eingriffe, aber bleibt das ange-
sichts des radikalen Technikwandels infolge
des E-Antriebs und der Digitalisierung so?

Ausländische Investoren
in Prozent

An Conghui und Li Shufu von Geely mit
Dieter Zetsche und Ola Källenius
Mitarbeiter:
Umsatz: 298 683
Gewinn: 167,4 Mrd. €
Gründung: 11,1 Mrd. €
1998

DAIMLER

68,3

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