Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1
BANKEN

Fotos: REUTERS, dpa, ullstein bild


FOCUS 43/2019 67

London von einer britischen Versiche-
rung holte. Thiam bewohnt ein Anwesen
mit Seeblick in Herrliberg, dem Züricher
Starnberg. Und er hat einen Nachbarn,
der sein Untergebener war, Iqbal Khan.
Der 43-Jährige galt als Regenmacher der
CS. Also als einer, der Kunden und damit
neues Geld in die alte Bank holte.
Zu viele Kunden, zu viel Geld für Thiam?
Dieser, erzählt man am Paradeplatz,
wäre selbst gern ein Regenmacher, nicht

nahm die Verdächtigen vorü-
bergehend in Haft.
Die Geschichte erinnert
an eine Provinzposse, dabei
führt sie mitten hinein ins eli-
täre Zentrum der Schweizer
Finanzwelt. Hintergrund des B-Movies
vom Paradeplatz, wo die Banken ihre
schicken Hauptsitze haben, ist ein Nach-
barschaftsstreit unter CS-Spitzenleuten,
sagt man. Mittendrin:Tidjane Thiam, Vor-
standsboss mit einem Jahresgehalt von
mehr als elf Millionen Euro.
Der Franco-Ivorer war früher mal Minis-
ter der Elfenbeinküste und ansonsten in
Zürich gänzlich unbekannt – bevor Prä-
sident Rohner den heute 57-jährigen aus

bloß der Chefsparer, als der
er aufgefallen ist in den ver-
gangenen vier Jahren. Noch
lieber wäre er Präsident –
der Weltbank oder der CS
wenigstens. So viel zu den
großen Plänen.
Im Hier und Jetzt jedenfalls
fiel ihm der Hausumbau seines
erfolgreichen Vermögensver-
waltungschefs und Nachbarn
Khan auf die Nerven. Er soll
sich bei Rohner über den Lärm
beschwert haben. Zudem
pflanzte er Bäume, die den
Blick des Aufsteiger-Unterge-
benen über den See störten.
Worüber Khan sich sehr auf-
geregt haben soll. Mehr noch
ärgerte ihn wohl, dass die aus seiner Sicht
fällige Beförderung ausblieb. Also wech-
selte er zur schärfsten Rivalin am Parade-
platz, der UBS – mit einem Begrüßungs-
Bonus von dreieinhalb Millionen Euro.

Ins eigene Schwert gefallen
Das scheint CEO Thiam auch wieder nicht
zu passen. Er steckt in einem Dilemma.
Zwar ist er den Typ los, der an seinem Stuhl
sägte, andererseits ist mit diesem auch
der beste Leistungsträger perdu. Wäre
es da nicht hilfreich, Jungaufsteiger Khan
zu diffamieren? Als einen, der Kollegen
zur Konkurrenz UBS mitnehmen wollte?
Ein Beschattungsjob für das
Einmanndetektivbüro aus der
Vorstadt ...
Wenn einem das viele Geld
nicht die Sinne vernebelt, ver-
mag das manchmal eben Tes-
tosteronüberschuss. Oder war
doch alles anders? Präsident
Rohner stützt sich auf den
Untersuchungsbericht einer
Züricher Anwaltsfirma, die
beschränkt Einsicht in Unter-
lagen nehmen durfte. Dem-
nach hatte CEO Thiam von
dem Überwachungsschlamas-
sel keine Ahnung; der Chief
Operating Officer der Bank
soll es allein angerichtet haben. Deshalb
musste er jetzt gehen. Und mit ihm der
Sicherheitschef. Die beiden „fielen auf ihr
Schwert“, wie man im Angloamerikani-
schen so sagt, wenn Subalterne statt ihrer
Vorgesetzten entlassen werden.
Doch die Metapher ist in diesem Fall ge-
schmacklos: Der Vermittler zwischen dem
Sicherheitschef und der Kleinstdetektei
brachte sich um, kurz nachdem erste Jour-
nalisten angerufen und sich nach der

Höllische Kollegen
Tidjane Thiam war
Khans Chef. Und
wohnt nebenan.
Er neidete ihm so
ziemlich alles: das
Haus, den Erfolg.
Dann wurde es fies ...

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