Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1

WISSEN


Infografik: Oleksiy Aksonov für FOCUS-Gesundheit

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anschauen“, sagt Forsting. Anders Kolle-
ge Computer. Beim Gebärmutterhalskrebs
hat Forstings Team ein System entwi-
ckelt, das mit einer Sicherheit von 97 Pro-
zent bestimmen kann, ob der Tumor ge-
streut hat. Die KI vergleicht dazu 2000 un-
terschiedliche Parameter aus computer-
tomografischen Aufnahmen. Bei Leber-
krebs tüfteln die Forscher an einem Ver-
fahren, das vorhersagt, wie gut sich das
Organ erholt, nachdem ein Teil entfernt
wurde. Am MIT in Boston arbeiten For-
scher an schlauen Systemen, die Brust-
krebs identifizieren, der erst zwei bis drei
Jahre später ausbricht. „Die
Muster dafür existieren, sie
sind uns nur entgangen“, sagt
Forsting. „Um sie zu identi-
fizieren, benötigen wir gute
Datensätze.“
Gute Daten. Das sind sol-
che, an denen die künstliche
Intelligenz lernen kann. Ech-
te Fälle, authentische Muster
von Krankheiten in allen Sta-
dien, gelungene und korrekte
Diagnosen, welche die KI mit
den Mustern Gesunder ver-
gleichen und an ihnen abglei-
chen kann, was harmlos und
was gefährlich ist. Erst dann


können sich die Algorithmen in die unsi-
chere Realität wagen.
Intelligente Krankenhäuser können sol-
che Daten erheben und sie über digitale
Patientenakten für Forschungszwecke les-
bar machen. Aber auch Tech-Giganten
wie Google oder Amazon verfolgen das
Ziel, sich medizinische Daten von Patien-
ten zu sichern – um so am Gesundheits-
markt der Zukunft zu verdienen. Über
kurz oder lang würden sie daher selbst
Krankenhäuser eröffnen, vermutet Fors-
ting. Amazon hat bereits eine Klinik für
Mitarbeiter gegründet. Google arbeitet
mit dem israelischen Start-up
Zebra zusammen, das radiolo-
gische Aufnahmen analysiert.
In „Silicon Ruhr“ wollen sie
dabei nicht zuschauen. Mit
Sitz im Stadtteil Rüttenscheid
haben sie ein Institut für künst-
liche Intelligenz in der Medi-
zin gegründet, zusammen mit
der Universität Duisburg-Es-
sen. Vier Informatik-Professo-
ren werden sich mit den Al-
gorithmen der Zukunft be-
schäftigen. „Künstliche Intelli-
genz“, sagt der Neuroradiologe,
„wird die Medizin ebenso ver-
ändern, wie es im 20. Jahrhun-

dert Röntgenbilder, Ultraschall und Labor-
analysen getan haben.“
Dass Patienten sich dieser Entwicklung
in den Weg stellen, kann sich Forsting
nicht vorstellen, solange sie selbst bestim-
men dürfen, wozu ihre Daten verwendet
werden. Datenschutz, meint der Neuro-
radiologe, sei etwas für Gesunde. Keine
Frau mit Brustkrebs hätte ein Problem
damit, ihr Genom analysieren und aus-
werten zu lassen. „Ich bin seit 30 Jahren
Arzt und habe noch nie erlebt, dass Pati-
enten nicht geheilt werden wollen.“

Smarte Daten, kluge Entscheidungen
Patient Schowald absolviert mittlerweile
eine Reha. Die Ärzte hatten sich gegen
eine Notoperation entschieden, denn sie
barg das Risiko, dass er auf dem OP-Tisch
verblutet. Stattdessen erstellten sie eine
CT-Aufnahme. Darauf war zu sehen, dass
an der unteren Aorta Blut in den Bauch-
raum austrat. Mit einem Katheter und
einer speziellen Gefäßstütze verschlossen
die Mediziner das Leck von der Leiste
aus. Anschließend überbrückten sie die
Arterie, um die Blutversorgung wieder-
herzustellen. Die Datenübertragung aus
dem smarten Rettungswagen hatte gehol-
fen, Zeit zu sparen und die richtige Ent-
scheidung zu treffen. n

Das vernetzte
Krankenhaus

OP-Navigationssystem
Über Pedale und Hebel steuert der
Chirurg ultrapräzise Maschinenarme.
Ihr Vorteil: Sie zittern nicht

Live-Scanner In modernen
Hybrid-OP-Sälen rotieren
Röntgengeräte um den Patienten
und liefern aktuelle Aufnahmen

Hightech-Notaufnahme
Bereits aus dem Rettungs-
wagen senden die Ärzte
wichtige Daten an die Klinik

Digitale
Patienten-
akte Kern-
stück einer
modernen
Klinik. Sie
bündelt alle
Daten Intelligente Apotheke
Ihr System hinterfragt Dosierun-
gen, checkt Wechselwirkungen,
optimiert den Einnahmeplan

Zentrallabor Die Analyse von
Blut und Urin erfolgt vollauto-
matisch. Die Ärzte sehen die
Ergebnisse auf ihren Monitoren

Pflegeroboter Maschinen
liefern Medikamente,
Spritzen, Tupfer oder auch
Bettwäsche

Smarte Diagnose Künstliche
Intelligenz hilft bei der Aus-
wertung von Röntgen-, MRT-
oder Mammografiebildern

Top-Kliniken Digitale
Medizin ist Schwerpunkt
im neuen FOCUS-
Gesundheit (im Kiosk
ab 22.10., 9,90 Euro)

Tele-Medizin Digitale
Geräte, etwa für die
Messung von Blutdruck
und EKG, helfen bei
Diagnosen und Beratung
aus der Ferne

ECKART VON HIRSCHHAUSEN
Exklusiv fotografiert
für HÖRZU

Einer, der


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