Focus - 19.10.2019

(Jacob Rumans) #1

KULTUR


Egal, wie viele große Rollen man
gespielt hat: Schauspieler zu sein bedeu-
tet immer, sich von einem Job zum
anderen zu hangeln. Es stellt sich nie
das Gefühl einer sicheren Zukunft ein.
Aber das macht es so interessant.
Wann dachten Sie erst-
mals, Schauspielerei
wäre der richtige Beruf?
Mein Vater war Rich-
ter beim Militär, und
während meiner Kindheit
zogen wir alle paar Jahre
um. Wir lebten in Pana-
ma, Alaska, Texas, New
York. Ich besuchte neun
Schulen, und mein Abitur
machte ich in Deutsch-
land auf der Frankfurt
American School. Dort
stand ich mit 17 zum ers-
ten Mal auf einer Bühne.
In Deutschland
entdeckten Sie Ihre
Leidenschaft?
Ja, denn meine Eng-
lischlehrerin förderte mich.
Ich las viel, ich liebte Li-
teratur. In den Jahren, in denen wir so
oft umgezogen waren, verbrachte ich viel
Zeit mit Büchern. Weil ich mich ständig in
neuen Umgebungen befand, in denen ich
alle Beziehungen neu etablieren musste,
habe ich wenige richtige Freundschaften
gepflegt.
Und was hatte das mit Schau-
spielerei zu tun?
Ich lernte dabei, wie man sich an
neue Gegebenheiten anpasst. Ohne es
zu wissen, war ich da bereits als Kind
eine Schauspielerin. Und dann kam die
Lehrerin und sagte: „Wir spielen jetzt
‚Tartuffe‘.“ Wahrlich kein leichter Stoff
für Teenager. Aber sie gab mir den Denk-
anstoß: Das kannst du als Beruf machen,
denn es macht unheimlich Spaß.
Was war die größte Heraus-
forderung, wenn Sie in einer
neuen Schule anfingen?
Weil ich ja bereits wusste, dass ich bald
schon wieder in einer anderen Stadt oder


sogar in einem anderen Land leben wür-
de, schien es keinen Sinn zu machen,
Freundschaften zu beginnen. Ich stellte
schnell fest, wie wandelbar menschliches
Verhalten ist. Ich lernte, genau zu beob-
achten, die Dynamik in einer Schulklasse
zu verstehen. Und was noch wichtiger
war: Ich verstand, dass sich alle Men-
schen unabhängig von ihrer Herkunft
in ihren Bedürfnissen ähnlicher sind, als
sie glauben. Uns verbindet mehr mitei-
nander, als wir denken. Ich erfand mich
also immer wieder neu. Man könnte
sagen, ich passte mich an, indem ich Rol-
len spielte.

Sie speicherten diese Erfahrungen
auf Ihrer inneren Festplatte und können
Sie heute bei der Arbeit abrufen?
Es half mir ungemein, so viele unter-
schiedliche Verhaltensmuster kennen-
gelernt zu haben – besonders zu Beginn
meiner Karriere. Ich versuche, in meiner
Arbeit immer herauszuarbeiten, was uns
als Menschen verbindet, nicht, was uns
trennt.
Wann wussten Sie, dass Sie mit Schau-
spielerei Ihr Geld verdienen würden?
Mit 17.
Wie reagierten Ihre Eltern?
Sie hatten sich vorgestellt, dass ich Ärz-
tin oder Anwältin werden würde. Außer-
dem sollte ich als Vorbild für meine bei-
den jüngeren Geschwister dienen.
Klingt problematisch ...
Ich erinnere mich genau: Wir saßen
beim Abendessen zusammen, und ich
erklärte, zum Theater gehen zu wollen.
Die Reaktion meiner Mutter: „O Gott,

warum willst du dein exzellentes Gehirn
an so was verschwenden?“
Aber Ihre Entscheidung stand?
Ja, und meine Eltern unterstützten
mich, obwohl sie nicht gerade begeistert
waren. Das rechne ich ihnen bis heute
hoch an. Sie erlaubten mir, eine Schau-
spielschule zu besuchen. Einzige Bedin-
gung war, dass ich einen Abschluss auf
einer Universität mache, um wenigstens
etwas in der Hand zu haben. Ich ging auf
die Boston University, weil ich unbedingt
in der Stadt leben wollte.
Unsere Lebensläufe sind geprägt von einer
Mischung aus Zufällen und bewussten
Handlungen. Ein zentrales
Thema von „After The
Wedding“ ist dabei: Wir
entscheiden nach bestem
Wissen und Gewissen, wie
es so schön heißt. Aber erst
20, 30 Jahre später können
wir feststellen, ob wir alles
richtig gemacht haben.
Theresa, Ihre Figur, glaubt
allerdings, jeden Aspekt
ihres Lebens kontrollieren
zu können – was sich als
Irrtum herausstellt.
Das könnte mir nicht
passieren, denn als
Schauspielerin begreift
man sehr schnell, dass
man nichts kontrolliert.
Die Autoren schreiben
vor, was man sagt; der Re-
gisseur erklärt, wie man
es sagt. Manchmal hängt alles vom Zufall
ab. Wie in meinem ersten Film, einem
billigen Horrorschocker, in dem ich ein
Auto fahren sollte.
Das klingt allerdings nicht
so sonderlich schwer.
Aber ich hatte niemandem gesagt, dass
ich noch nie ein Steuerrad in der Hand
gehalten hatte. Ich saß im Auto, und mir
lief der Angstschweiß die Stirn herun-
ter. Ich wusste nicht mal, wie man den
Motor richtig anlässt. Dann musste der
Regisseur zum Glück wegen Geldmangel
den Drehplan ändern, und der Wagen
wurde einfach von der Crew ein Stück
geschoben. Wer weiß, wie meine Kar-
riere verlaufen wäre, wenn ich gleich an
meinem ersten Filmset gefeuert worden
wäre, weil ich hinsichtlich meines Führer-
scheins gelogen hatte? Ob wir dann auch
hier sitzen würden?n

INTERVIEW: LARS JENSEN

FILM

Foto: TELEPOOL

94 FOCUS 43/2019


„Schauspieler zu sein


bedeutet immer, sich


von einem Job zum


anderen zu hangeln“


Engagiert und reich
In Bart Freundlichs US-Remake von Susanne Biers Drama „After The Wedding“ treffen in den Cha-
rakteren von Michelle Williams (l.) und Moore zwei unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander

Dieser Text


zeigt evtl. Pro-


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