Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
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Ba·bo,der(Substantiv, Maskulinum): Chef,
Boss, Anführer. Der Ausdruck leitet sich an-
geblich vom türkischen Baba = Vater ab. Po-
pulär geworden durch den Rapper „Haftbe-
fehl“ und dessen Song „Chabos wissen, wer
der Babo ist“. Jugendwort 2013.
E·hren·mann,der/Eh·ren·frau,die(Substan-
tiv Maskulinum/Substantiv Femininum): Je-
mand, auf den man sich verlassen kann, der
etwas Besonderes für einen tut oder ein ho-
hes Ansehen genießt. Überhaupt ist „Ehre“
weit verbreitet in der Jugendsprache („du
bist so ehrenlos“). Jugendwort 2018.
Fly sein(Ausdruck): Jemand oder etwas geht
voll ab oder ist gut drauf. In sein, cool sein.
Oder so ähnlich. Eigentlich weiß niemand so
genau, was „fly sein“ heißt. Und Jugendliche
schon gar nicht. Trotzdem Jugendwort 2016.
Gam·mel·fleisch·par·ty,die(Substantiv, Fe-
mininum): Eine Feier für Leute über 30. Die
Bezeichnung erinnert an die "Gammel-
fleisch"-Skandale, bei denen im Lebensmit-
teleinzelhandel abgelaufenes Fleisch in die
Kühltheken gelangt. Jugendwort 2018.
hart·zen(schwaches Verb): sinnlos abhän-
gen. Das Verb leitet sich von Hartz IV ab, der
umgangssprachlichen Bezeichnung für das
Arbeitslosengeld II. Jugendwort 2009.
I bims(Ausdruck): Ich bin’s. Begrüßungssatz
aus der Vong-Sprache. Diese zeichnet sich
durch absichtliche Rechtschreib- und Tipp-
fehler, ein grammatikalisches Durcheinan-
der und die Verwendung haarscharf dane-
ben liegender Ausdrücke aus. Parodiert die
schlechten Deutschkenntnisse mancher

Deutscher. Social-Media-Phänomen. Weite-
re typische Ausdrücke: „Was ist das für 1
life?“ oder die nachgestellte Präpositional-
phrase „vong ... her“. Jugendwort 2017.
Läuftbeidir(Satzfragment, subjektfrei): Aus-
spruch bei positivem und vorteilhaftem Aus-
gang einer Situation. Das Verb „laufen“ wird
hier nicht im Sinne von „auslaufen“ verstan-
den, sondern in dem Sinne von „einen Lauf
haben“. Synonyme in etwa: cool, krass. Ju-
gendwort 2014.
Ni·veau·lim·bo, der (Substantiv, Maskuli-
num): Das gegenseitige sich Unterbieten mit
niveaulosen Bemerkungen, Gesten oder Ta-
ten. Der Limbo ist ein karibischer Tanz, bei
dem man mit nach hinten gebeugtem Rü-
cken unter einer Stange hindurchwatscheln
muss. Jugendwort 2010.
Smom·bie,der(Substantiv, Maskulinum): Hy-
bridwort aus Smartphone und Zombie. Je-
mand, der von dem, was um ihn herum pas-
siert, nichts mitkriegt, weil er ständig auf
sein Handy glotzt. Jugendwort 2015.
Swag,der(Substantiv, Maskulinum): lässige
Ausstrahlung, bestehend aus Style, Charis-
ma, Charme. Leitet sich vom englischen to
swagger = großtun, stolzieren ab. Jugend-
wort 2011.
Yo·lo(Akronym): Aufforderung, eine Chance
zu nutzen. Lebensmotto. Setzt sich aus den
Anfangsbuchstaben von „You only live once“
zusammen. Andere beliebte Akronyme: lol
(loughing out loud; Komparativ: loller, Super-
lativ: am lollsten), Rofl (Rolling on the floor
loughing). Jugendwort 2012. NAS

In Göttingen wird eine Frau von einem
Mann erstochen und verbrannt, dessen Lie-
be sie wohl nicht erwiderte. In Frankfurt
geht ein Mann mit einem Küchenmesser
auf seine Partnerin los. Statistisch gesehen
stirbt in Deutschland alle zwei bis drei Ta-
ge eine Frau infolge häuslicher Gewalt. Ei-
nen Mann zu verlassen oder abzuweisen,
das kann für Frauen tödlich enden. Die Par-
tei Die Linke und feministische Gruppen
bemängeln, dass das Strafrecht nicht kon-
sequent genug gegen Frauenmörder vorge-
he. Sie fordern einen eigenen Straftatbe-
stand: den „Femizid“. Leonie Steinl, Vorsit-
zende der Strafrechtskommision des Deut-
schen Juristinnenbundes, kann die Forde-
rung verstehen, sieht jedoch an anderer
Stelle Handlungsbedarf.

SZ: Frau Steinl, was genau ist Femizid?
Leonie Steinl: Viele Leute haben bei dem
Begriff ganz bestimmte Vorstellungen im
Kopf – etwa die Femizide in Mexiko, wo
Frauen entführt, getötet, verstümmelt
und ihre Leichen öffentlich zur Schau ge-
stellt werden. In Deutschland treten Femi-
zide meist als „Trennungstötung“ auf: also
die Tötung der derzeitigen oder ehemali-
gen Partnerin. Manchmal habe ich den Ein-
druck, dass es manchen Menschen schwer-
fällt, eine Trennungstötung auch als Femi-
zid zu verstehen. Dabei geht es immer um
dasselbe: Geschlechtsbezogene Tötungen,
also Tötungen von Frauen, weil sie Frauen
sind, sind der gemeinsame Nenner.

Wie ist in Deutschland der strafrechtliche
Status quo bei Trennungstötungen?
Unser Strafrechtssystem differenziert zwi-
schen Totschlag und Mord. Ich sehe das
Problem nicht im Fehlen eines Straftatbe-
stands „Femizid“ oder „Frauenmord“, son-
dern in der Auslegung und Anwendung
des bestehenden Rechts.

Was genau ist das Problem?
Trennungstötungen werden oft nicht als
Mord eingestuft, also als Tat aus niedrigen
Beweggründen, sondern als Totschlag.

Warum das denn?
Es gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofs
aus dem Jahr 2008. Darin heißt es, das
Mordmerkmal der niedrigen Beweggrün-
de stünde in Zweifel, wenn „die Trennung
von dem Tatopfer ausgeht und der Ange-
klagte durch die Tat sich dessen beraubt,
was er eigentlich nicht verlieren will“.
Dann soll kein Mord, sondern nur ein Tot-
schlag vorliegen. Diese Entscheidung spie-
gelt patriarchale Gedankenmuster wider:
Wenn etwas geraubt wird, muss man es zu-
nächst besessen haben.

Wird die Tötung von Frauen in Deutsch-
land nicht streng genug geahndet?
Stellen wir diese Entscheidung zu Tren-
nungstötungen der Rechtsprechung zu so-
genannten Ehrenmorden gegenüber,
dann fällt auf, dass die Rechtsprechung
dort strenger ist und eher niedrige Beweg-
gründe annimmt. Hier wird eine vergleich-
bare patriarchale Besitzkonstruktion an-
ders gewertet. Da sehe ich keine gleichmä-
ßige Anwendung des Rechts.

Sollte esvor diesemHintergrund einenei-
genen Straftatbestand Femizid geben?
Das ist meines Erachtens nicht notwendig.
Was wir brauchen, ist eine konsequente
Rechtsprechung: Trennungstötungen dür-
fen nicht milder bestraft werden als ande-
re Tötungsdelikte, nur weil es sich um Ta-
ten in einer Partnerschaft handelt.

Wieso hat es so lange gedauert, bis die De-
batte in Deutschland angekommen ist?
Es besteht eine Schieflage bei der Bereit-
schaft, Gewalt gegen Frauen zu erkennen.
Sie wird gesellschaftlich viel eher als Pro-
blem anerkannt, wenn sie sich vermeintlich
exklusiv bei religiösen oder ethnischen Min-
derheiten verorten lässt. Gewalt gegen Frau-
en kommt aber in allen gesellschaftlichen
Gruppen und Schichten vor, und sie muss
überall effektiv unterbunden werden.

Wie kann man das der Gesellschaft be-
wusst machen?
Es liegt auch an Einzelpersonen, die mit
den Gesetzen arbeiten, sie auslegen und an-
wenden müssen. Diese haben bestimmte
Vorstellungen und teilweise auch Vorurtei-
le im Kopf. Hier sind Fortbildungen insbe-
sondere für die Justiz ganz wichtig. Das
Zweite wäre die allgemeine Öffentlichkeits-
arbeit. Ich habe den Eindruck, dass das
Ausmaß von häuslicher Gewalt nicht im ge-
sellschaftlichen Bewusstsein verankert ist.
Exemplarisch finde ich da die mediale Be-
richterstattung.

Inwiefern?
In den vergangenen Tagen hat sich wieder
einmal gezeigt, dass für Trennungstötun-
gen noch immer Begriffe verwendet wer-
den wie „Familientragödie“ oder „Eifer-
suchtsdrama“. Diese sind Ausdruck einer
unangebrachten apologetischen Haltung.
Sie geben dem Opfer eine Art Mitschuld
oder relativieren die Tat.

interview: natascha holstein

von oliver klasen

H


ochverehrter Herr Schmidt, lieber
Pons-Verlag, liebe Jugendworter-
finderinnen und Jugendworterfin-
der, ratlos war ich, verstört, irritiert, kon-
sterniert, also gelinde gesagt völlig von der
Rolle ob der Dinge, die da aus Ihrem Hause
verlauteten. Ist Ihnen klar, was Sie da tun?
Ist Ihnen die Tragweite Ihres Handelns be-
wusst? Haben Sie ein einziges Mal für zehn
Pfennig über die Konsequenzen Ihrer Ent-
scheidung nachgedacht? Ich glaube nein
und ich übernehme im Folgenden einen,
zugegeben etwas verzweifelten, Versuch,
Sie im letzten Moment umzustimmen.
Sie wollen das Jugendwort des Jahres
mir nichts, dir nichts auf den Müllhaufen
der Geschichte werfen, es einmotten, in
die ewigen Jagdgründe schicken. Sie ver-
weisen auf eine profane Unternehmensfu-
sion, die Sie dazu veranlasst habe, den Ste-
cker zu ziehen. Der Zustand des Jugend-
sprache-Lexikons, so schreiben Sie, sei
nicht so gewesen, als „dass wir das Projekt
on diesem Jahr in einem vernünftigen Zu-
stand zu Ende führen können“.

„How dare you?“ bin ich versucht, Ihnen
zu entgegnen, so wie ein junger, inzwi-
schen berühmter Teenager neulich vor
den Vereinten Nationen in New York. Doch
mein Anliegen ist bescheidener. Ich bin
nur ein hilfesuchender Mann mittleren Al-
ters, der auf Sie gezählt hat. Zehn Jahre
lang war Ihr Verlag nun das Bindeglied zwi-
schen den Generationen X, Y und Z. Sie bo-
ten Menschen aus dem vorigen Jahrtau-
send Halt in einer für uns fremden Welt.
Sie waren die Übersetzer, die Vermittler,
die Kundschafter, deretwegen wir uns ver-
standen fühlten und nicht verzweifelten.
Da konnte die Jugend noch so sehr als
Smombie durch die Straßen laufen, Ni-
veaulimbo spielen, ihre Mutter Ehrenfrau
nennen und den Swag aufdrehen, oder wie
das heißt. Sie waren verlässlich an unserer
Seite.

Klar, es gab Nörgler und Niezufriedene.
Mit dem Jugendwort des Jahres, sagten
die, verhalte es sich wie mit Bielefeld: Das
gebe es ja gar nicht. Doch alle Theorien
über die Nichtexistenz der ostwestfäli-
schen Hauptstadt wurden kürzlich ein für
allemal widerlegt. Läuft bei denen ja offen-
bar. Und wer in den vergangenen Jahren
nachmittags gelegentlich an Bushaltestel-
len oder Einkaufszentrumspassagen rum-
hing, wo Jugendliche Spuckefäden auf den
Boden rinnen ließen, der konnte neben
dem fast schon zeitlosen „Alter“ und „Dig-

ga“ auch ein paar Wörter aus Ihrer Liste hö-
ren. Am Ende ist der Lauch (Platz 4 im Jahr
2018) ja sowieso nichts anderes als der
Spargeltarzan anno 1982. Und wenn man
heute jemanden mit dem Spruch „Chabos
wissen, wer der Babo (Platz 1 im Jahr 2013)
ist“ anraunzt, wenn man sich vordrängeln
will, dann rief man 20 Jahre vorher womög-
lich: „Lass mich Arzt, ich bin durch.“ Und sa-
ge noch einer, die Jugend interessiere sich
nicht für Politik. Sie hat offensichtlich vor
zwei Jahren ziemlich viel n-tv geguckt, die
Verhandlungen um die Jamaika-Koalition

mitverfolgt und sagt seitdem „lindnern“,
wenn beschrieben werden soll, etwas lie-
ber gar nicht als schlecht zu machen.
Jaja, manche Oberschlaumeier sagen
jetzt auch, die Liste sei nicht wissenschaft-
lich gewesen und so. Die Wörter, die in der
Liste vorkommen, seien nicht einwandfrei
statistisch erfasst, die empirische Basis
fehle. Chillt mal eure Basis und macht euch
locker. Fußball ist keine Mathematik, hat
der berühmte Sprachkünstler Karl-Heinz
Rummenigge mal gesagt, und Jugendspra-
che ist es auch nicht.
Zugegeben, meine Wertschätzung für
Ihre Jugendwörter-Liste musste erst rei-
fen. Gleich am Anfang, 2008 war das,
schleuderten Sie mir „Gammelfleischpar-
ty“ entgegen und umschrieben damit die
Abendgestaltung von Ü-30-Menschen,
meiner Generation also. Aber dann wurde
es versöhnlicher, liebevoller. Ich sage jetzt
nicht mehr „Schatzi“ oder „Hase“ zu mei-
ner Freundin, ich sage jetzt „Habibi, ich
küsse dein Auge“ (Platz 8 im Jahr 2018).
Früher hatte ich manchmal ein schlechtes
Gewissen, wenn ich in einem unbeobachte-
ten Moment meinen eigenen Namen goo-
gelte, jetzt habe ich dank Ihnen ein harm-
los klingendes Wort dafür: egosurfen
(Platz 3 im Jahr 2010), und ich fühle mich
gleich besser. Und persönliche Niederla-
gen als epic fail (Platz 2 im Jahr 2011) zu ver-
buchen, geht irgendwie leichter von den
Lippen als zu sagen: „Ich hab den Karren
richtig gegen die Wand gefahren.“
Ich kann jetzt auf Augenhöhe kommuni-
zieren mit diesen jungen Menschen, die Un-
boxing-Videos ins Netz stellen, ihr halbes
Leben instagrammen und sich auf You-
tube, auf einem Bildschirm also, stunden-
lang ansehen, wie ein anderer vor einem
Bildschirm sitzt und ein Ego-Shooter-
Game durchzockt. Ich verstehe sie nicht,
aber ich fühle den Vibe. Isso, you know.
Und deshalb, come on, geben Sie sich ei-
nen Ruck, seien Sie kein Frosch, machen
Sie eine neue Liste, sammeln Sie Vorschlä-
ge, veranstalten sie 23 Regionalkonferen-
zen, zum Beispiel in Saarbrücken, Nieder-
Olm und Neubrandenburg, das ist modern
jetzt, und dann haben sie am Ende ein neu-
es, freshes Jugendwort des Jahres. Wär
doch knorke.

Jugendwörter des Jahres


Kimi Räikkönen, seit dieser Woche 40,
finnischer Rennfahrer, geht lieber zum
Zahnarzt als zu einem Interviewtermin.
Der für seine Wortkargheit bekannte
Formel-1-Pilot sagt dies in einem Inter-
view zu seinem Geburtstag, das er der
Schweizer BoulevardzeitungBlickge-
währte. Als Entgegenkommen stellten
die Journalisten 40 Fragen, die er alle
einsilbig beantworten konnte. Auf die
letzte Frage, ob er bereit für weitere
Fragen sei, antwortete er: „Nein.“

Snoop Dogg, 47, US-Rapper hat ein
neues Mitglied in seiner Entourage:
einen professionellen Joint-Dreher, wie
er in der Radiosendung von Howard
Stern erzählte. Der neue Mitarbeiter
verfüge über die hervorstechende Eigen-
schaft, schon am Blick von Snoop Dogg
und seinen Freunden zu merken, wann
wieder eine neue Joint-Runde notwen-
dig sei. Er sei allein
dafür und für nichts
anderes zuständig.
Der vermutlich
einzigartige Job als
Roll-Kommandeur
ist ganz gut bezahlt:
Snoop Dogg sagte,
das Jahresgehalt
liege bei etwa
50 000 Dollar
(45 000 Euro).
FOTO: DPA

Ryan Reynolds, 42, kanadischer Schau-
spieler, geht gerne in den Wald. So ger-
ne, dass er nun auf Twitter ein Bild mit
seiner Ehefrau, der US-Schauspielerin
Blake Lively, 32, und dem gemeinsa-
men, erst wenige Wochen alten Baby
unter Bäumen postete: Er wünsche sich
sehr, seine drei Töchter könnten den
gleichen „Naturspielplatz“ erleben wie
er in seiner Kindheit.

Franziska Knuppe, 44, Model, hat mit
1,82 Meter zwar ideale Model-Maße,
wirkt aber offenbar einschüchternd.
„Ich werde relativ wenig angemacht“,
sagte sie in einem Radio-Interview mit
Barbara Schöneberger. „Die meisten
Männer haben Angst vor mir, weil ich
so groß bin und dann vor ihnen stehe.“

Helene Fischer, 35, Sängerin, hat einen
neuen Fan: Ihr britischer KollegeRob-
bie Williams, 45, schwärmt in einem
Interview mitSpot on newsüber die
Zusammenarbeit mit Fischer für sein
kommendes Weih-
nachtsalbum, für die
er die Sängerin extra
nach London habe
einfliegen lassen. Er
spreche zwar kein
Deutsch, bewundere
aber die „Energie“
ihrer Auftritte und
überhaupt: „Sie
arbeitet unglaublich
hart. Viel härter, als
ich es tue.“FOTO: DPA

Groningen– Die Ermittlungen im mys-
teriösen Fall einer jahrelang isoliert
lebenden Familie in den Niederlanden
konzentrieren sich nun auf den österrei-
chischen Mieter des Bauernhofs. Der
58-jährige Josef B. steht unter Verdacht
der Freiheitsberaubung und bleibt in
Haft. Ein Richter in Groningen bestätigte
am Donnerstag den Haftbefehl und
ordnete eine Verlängerung der Untersu-
chungshaft um zunächst zwei Wochen
an. Der abgelegene Hof im Dorf Ruiner-
wold wurde von einer Spezialeinheit der
Polizei durchsucht. „Wir erfassen alle
Räume digital“, sagte ein Sprecher. In
dem Hof sollen ein Vater und seine sechs
jetzt erwachsenen Kinder seit 2010 in
einem kleinen Raum gehaust haben.
Bislang gibt es keine Beweise dafür, dass
sie gegen ihren Willen festgehalten wor-
den sind.dpa

Haldensleben– Die Obduktion der
beiden Mitarbeiter eines Paketdienstes
in Haldensleben hat ergeben, dass die
Männer eines natürlichen Todes gestor-
ben sind. Die Untersuchungen hätten
keine Hinweise auf Vergiftungen erge-
ben, teilte die Polizei am Donnerstag
mit. Auf dem Gelände des Hermes-Ver-
sandzentrums war in der Nacht zum
Dienstag zunächst ein Toter entdeckt
worden. Der 58-Jährige war am Arbeits-
platz zusammengebrochen. Am Nach-
mittag wurde dann in Haldensleben ein
45-jähriger Hermes-Fahrer leblos hin-
ter dem Steuer seines Transporters
gefunden.dpa

Rödental– Der Sozialwissenschaftler
Fritz Reheis plädiert für einen anderen
Umgang mit Zeit. Es sei nachgewiesen,
dass Menschen am frühen Nachmittag
weniger leistungsfähig seien und deswe-
gen eine „Siesta für alle“ sinnvoll sei.
Die gesellschaftliche Zeitordnung sollte
an die Bedürfnisse der Menschen ange-
passt werden statt an das Getriebe der
Ökonomie, so der Wissenschaftler. Er
plädiert dafür, dass jeder eine bestimm-
te Anzahl von Jahren zur Verfügung
haben sollte, in denen er nicht erwerbs-
tätig sein müsse. Bei 40 Jahren potenzi-
eller Erwerbstätigkeit sollte man sich
für insgesamt zehn Jahre ausklinken
können, meint Reheis. kna

Ein Hinterhof in Moabit, eine Handvoll Menschen mit
deutlichen Anzeichen fortgeschrittener Übersättigung sit-
zen um einen Tisch, der noch gut gefüllt mit Essen ist. Wie-
der einmal zeigt sich die Unfähigkeit des Menschen, die
Relation „Grillgut zu Anzahl der mitessenden Personen“
realistisch zu berechnen. Aber, Idee: Womöglich freut
sich der Obdachlose, der sich im Park nebenan aus Palet-
ten und rissiger Plane einen notdürftigen Schutz vor Wet-
ter und Blicken über seine Matratze gebaut hat, über ein
wenig Essen. Der Gastgeber schürt das Feuer noch mal, er-
wärmt Hühnchen, Lamm, Gemüse und richtet alles samt
Salat, Dip und Brot auf einem Pappteller appetitlich an.
Dann macht er sich auf den Weg. Zehn Minuten später
kommt er mit dem immer noch vollen Teller zurück. Der
Mann habe sich zwar gefreut, aber höflich dankend abge-
lehnt: Er habe bereits gegessen. christian helten

Lembongan, eine kleine Insel vor Bali. Der Frühstücks-
platz der Pension bietet einen herrlichen Blick auf die
Bucht. Gegenüber spritzen die „Teufelstränen“: wilde
Gischt, die hin und wieder vorwitzige Touristen ins Meer
spült. Fast jeden Tag kreisen Hubschrauber über den Klip-
pen, die entweder Schwimmer retten – oder reiche Leute
transportieren, die Land kaufen möchten oder schon hier
residieren. Beim zweiten Cappuccino hört man den Rotor.
Er wirbelt eine Staubwand auf, die Teufelstränen-Besu-
cher werfen sich zu Boden. Der Hubschrauber gehört ei-
nem malaysischen Palmöl-Multimillionär, der gleich
ums Eck seine Villa hat. Blöd bloß, dass der Helikopter
sich selbst die Sicht genommen hat und vor lauter Staub
nicht landen kann. Der Reiche muss zurück nach Bali flie-
gen und wie alle Normalbürger mit dem Schnellboot nach
Lembongan übersetzen. Der Arme. susanne perras

Der Matrose schaut finster, er fürchtet wohl Schlimmes,
als immer mehr Menschen auf das alte große Schiff drän-
gen, das von der Prinzeninsel im Marmarameer ablegt.
Alle wollen am Abend nach Hause, Istanbuler und Hun-
derte arabische Touristen. Ich spüre Fluchtreflexe, wer-
de aber vom Menschenstrom aufs Oberdeck geschoben.
Dort sitzen sie schon überall, auf dem Boden, zwischen
den vollen Bänken. Das Schiff legt sich schräg, oje, aber
tut es das nicht immer? An der nächsten Insel – es gibt
vier – steigen noch mehr Leute zu. Werde ich das hier
überleben? Der Blick aufs schwarze Wasser: abgründig.
Der Blick in den Sternenhimmel: grandios. Dann ein
Trommelschlag, der Ton einer Flöte. Die Ersten stehen
auf, tanzen, immer mehr, alle im Taumel. Nach der An-
kunft in Istanbul gehen alle ganz langsam von Bord. Kei-
ner hat es mehr eilig. christiane schlötzer

Die promovierte Juristin
Leonie Steinl, 32, ist Vorsit-
zende der Strafrechtskom-
mission des Deutschen
Juristinnenbundes. Sie
arbeitet als wissenschaftli-
che Mitarbeiterin an der
juristischen Fakultät der
Universität Hamburg.
FOTO: MICHAEL BUCHMANN

MITTEN IN...


Gar nicht


lol!


Die Wahl zum „Jugendwort des Jahres“


fällt diesmal aus. Och nö, lieber Pons-Verlag,


das könnt ihr nicht bringen. Wie sollen wir


Älteren denn jetzt mit den Teenies kommunizieren?


Ein Umstimmungsversuch


Jede Zeit hat ihre Sprache:
Aus dem Spargeltarzan ist
ein Lauch geworden

(^10) PANORAMA Freitag, 18. Oktober 2019, Nr. 241 DEFGH
Getötet, weil
sie Frauen sind
Braucht es einen Straftatbestand
„Femizid“ in Deutschland?
ILLUSTRATIONEN: MARC HEROLD
COLLAGE: SZ
LEUTE
Österreicher im Fokus
Natürliche Todesursache
Siesta für alle Berlin Lembongan Istanbul
KURZ GEMELDET
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