Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
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„Ihr mit eurer Mentalitätsscheiße“, sagte
der Dortmunder Kapitän Marco Reus neu-
lich nach dem 2:2 gegen Frankfurt zu ei-
nem Journalisten im TV-Interview, erbost
über das vorgeschlagene Erklärungsmus-
ter. Seitdem hat der BVB zwei weitere Male
2:2 gespielt – und Reus’ Kollegen haben
diese Ergebniskrise oft mit dem Wort Men-
talität oder entsprechenden Synonymen er-
klärt. Auch diesen Samstag, nach dem
Spiel gegen Mönchengladbach, wird wohl
wieder darüber gesprochen werden.
Der Linguist Simon Meier-Vieracker
von der TU Dresden hat laut eigener Aussa-
ge eigentlich wenig Ahnung von Fußball,
aber er beschäftigt sich in seiner For-
schung mit der Fußballsprache. Er be-
treibt den Blogfussballlinguistik.de, er hat
den „Livetickergenerator“ programmiert,
der täglich zufallsgenerierte Livetickermel-
dungen twittert, und er hat in Tickereinträ-
gen verschiedener Medien 180 Synonyme
für „schießen“ gefunden. Ein Gespräch
aus aktuellem Anlass.

SZ: Herr Meier-Vieracker, Borussia Dort-
mund führt eine „Mentalitätsdebatte“. Ge-
schäftsführer Hans-Joachim Watzke sag-
te neulich im SZ-Interview: „Entweder
hast du Mentalität – oder nicht.“ Ergibt
das aus linguistischer Perspektive Sinn?
Meier-Vieracker: Das ist eine sehr fußball-
spezifische Verwendungsweise des Worts,

die sich seit vielen Jahrzehnten beobach-
ten lässt. Man würde eigentlich eher von ei-
ner partikularisierten Mentalität spre-
chen: von der deutschen Mentalität, von
der Arbeitermentalität, von der südländi-
schen Mentalität, was auch immer. Im Fuß-
ball wird das weggelassen. Es ist einfach
dieMentalität, was wahrscheinlich so et-
was heißen soll wie Willensstärke oder
mentale Stärke. Das ist in den vergange-
nen Jahren häufiger geworden. Und ja, des-
halb ergibt es Sinn.
Warum sucht sich der Fußball solche Wor-
te und vereinnahmt sie für sich?
Da kann man aus fußballerischer und
sprachlicher Sicht argumentieren. Zu-
nächst mal, vom Fußball her argumen-
tiert: Fußball ist ein unvorhersehbares
Spiel, das ist der große Reiz. Diese Kontin-
genz ist aber auch irritierend, es muss des-
halb immer nach Erklärungen gesucht
werden. Und wenn man sonst keine Erklä-
rungen parat hat, bleibt die Mentalität üb-
rig, die nicht direkt beobachtet, aber auch
nicht widerlegt werden kann. Sie ist im-
mun gegen Falsifizierung. Der eindrück-
lichste Fall war für mich dasFinale da-
hoamin der Champions League 2012. Die
Bayern waren überlegen, aber haben das
dämliche 1:1 kassiert und dann noch verlo-
ren. Deswegen hieß es dann immer: Chel-
sea hat es mehr gewollt.
Und aus sprachlicher Sicht?
Im Fußball ist es schon immer so, dass Re-
deweisen aus anderen Domänen aufgegrif-

fen werden und dann ein Eigenleben entfal-
ten. Weil wahnsinnig viel über Fußball ge-
redet und geschrieben wird, können sich
schnell ganz eigene Formulierungsweisen
etablieren.

Spricht das nun für Relevanz? Oder für
Einfallslosigkeit?
Marco Reus hat es ja auch so dargestellt:
„Ihr mit eurer Mentalitätsscheiße.“ Da
wird so getan, als wäre das ein Journalisten-
ding. Dann hat sich auch Peter Bosz gemel-
det, der Trainer von Bayer Leverkusen,
und gesagt, das ist ein Begriff, den Leute be-
nutzen, die keine Ahnung von Fußball ha-
ben. Aber wenn man genau nachschaut,
wer diese spezifische Verwendungsweise
geprägt hat, dann sind das immer Trainer
und Spieler gewesen. Ich glaube, es ist ein
Wechselspiel von Trainern, die vor der Öf-
fentlichkeit über ihre Arbeit sprechen, und
dabei immer simplifizieren müssen für ein
großes Publikum, und es sind Journalis-
ten, die es aufgreifen. Das spiegelt dann

wieder an Spieler und Trainer zurück, weil
es ein Kommunikationsmodus ist, der
funktioniert.

MatsHummels hat ähnlich wie Reus argu-
mentiert und gesagt, Mentalität sei der
große Bruder vom Stellungsfehler.
Es wäre interessant zu erfahren, inwiefern
das WortStellungsfehlerin internen Taktik-
besprechungen überhaupt vorkommt.
Oder ob es nicht eine Chiffre ist, die einge-
setzt wird, weil sie eine gewisse fachliche
Expertise vorgibt und viel zu erklären
scheint – und deshalb nicht weiter nachge-
fragt wird.

Dann bleiben wir doch mal in der Fußball-
sprache: Steckt der BVB aufgrund fehlen-
der Mentalität in der Krise?
Ja, in einer handfesten sogar, zuerst reinge-
stolpert, dann reingeschlittert und -ge-
stürzt und droht auch immer tiefer reinzu-
rutschen. Aber es besteht Hoffnung, denn
aus Fußballkrisen kann man sich bekannt-
lich schon mit einem einzigen Sieg wieder
herausschießen.

Siehaben 180 Synonyme fürs Schießen ge-
funden. Der1. FC Köln alsbislang torunge-
fährlichster Bundesligist in dieser Saison
hat offensichtlich große Probleme damit
und in sieben Spielen erst fünf Tore ge-
schossen. Auf welche Art und Weise könn-
te es die Mannschaft am Sonntag im Kel-
lerduell gegen Paderborn versuchen?

Vielleicht hat sich der FC vor allem in den
Kopf gesetzt, zu dreschen, zu zimmern
und zu nageln. Das ließe sich übrigens wun-
derbar mit dem schönen Adjektivfulmi-
nantverbinden. Vielleicht sollte der FC et-
was weniger anspruchsvoll sein und sich
auch mal mit Stöpseln oder Stochern zu-
friedengeben.

Außer den genannten – welche Wörter für
schießen haben Sie überrascht?
Was wirklich rätselhaft ist, istschlenz-
schäkern. Und dann gibt es ein paar, die ich
ausgesprochen bildlich finde, wiebutter-
cremen. Was ich auch toll finde, ist das Mül-
lern. Das ist ein Muster, das immer wieder
genutzt wird: dass aus Eigennamen Ver-
ben gebildet werden. Zum Beispiel:vander-
vaarten.

Warum beschäftigen Sie sich eigentlich
derart intensiv mit der Fußballsprache?
Fußball, sagen Sie ja, sei eigentlich gar
nicht so Ihr Ding.
Ich habe angefangen, mich mit computer-
gestützten Methoden zu beschäftigen, und
habe Material gebraucht. Ich habe ge-
merkt, dass für das, was mich interessiert,
für Musterhaftigkeit und Wiederholung
von immer Gleichem, der Fußball einfach
ungeheuer ergiebig ist. Der andere Grund
ist der, dass Fußball ein populäres und prä-
sentes Phänomen ist. Die Linguistik sollte
die Augen davor nicht verschließen. Und:
Es macht Spaß.

Haben Sie eigentlich noch für andere im
Fußball oft gebrauchte Verben die Ent-
sprechungen herausgefiltert? Für kämp-
fen, verteidigen oder gewinnen etwa?
Das habe ich noch nicht sortiert. Was ich ge-
macht habe: Mit einem Algorithmus habe
ich aus Spielberichten die Phrasen extra-
hiert und dann neu zusammengemischt.
Den Artikel habe ich „Phrasendicksaft,
dreifach konzentriert“ genannt. (Anm. d.

Red.: In dem Artikel heißt es unter ande-
rem: „Bei strahlendem Sonnenschein war
für beide Teams zunächst taktische Diszi-
plin oberstes Gebot. Dabei erwischte
Mainz den besseren Start und bewies an-
fangs die reifere Spielanlage. Da die Haus-
herren zunächst mit angezogener Hand-
bremse spielten, konnten sich die Mainzer
ein leichtes optisches Übergewicht erspie-
len. Doch vor heimischer Kulisse hatten
die Borussen ein engmaschiges Abwehr-
netz aufgespannt und machten die Räume
eng.“)
Der „Kicker“ schrieb neulich in einem
Liveticker des Spiels zwischen Fortuna
Düsseldorf und dem SC Freiburg: „Exzes-
sives Abtasten in Düsseldorf“.
Ah, das ist toll.
Was stellen Sie sich darunter vor?
Ein Spiel, in dem nichts passiert. Oder bes-
ser noch: Mittelfeldgeplänkel.
interview: sebastian fischer

Exzessives Abtasten?
„Ah, das ist toll! Oder noch
besser: Mittelfeldgeplänkel!“

„Ein Muster sind Verben
aus Eigennamen: wie müllern


  • oder vandervaarten.“


von sebastian fischer,
thomas hürner
und christof kneer

E


rst nach acht bis zehn Spielen, so lau-
tet eine alte Branchenweisheit, sei ei-
ne Tabelle halbwegs aussagekräftig.
Nimmt man nun vor dem anstehenden ach-
ten Spieltag die Erstliga-Tabelle zur Hand,
findet man diese Weisheit auf spektakulä-
re Weise widerlegt und bestätigt. Wider-
legt, weil sie vermutlich nicht mal in Mön-
chengladbach oder Wolfsburg davon aus-
gehen, dass Mönchengladbach und Wolfs-
burg auch nach 34 Spieltagen noch die ers-
ten beiden Tabellenplätze belegen. Im vor-
deren Drittel ist die Tabelle noch in der Sor-
tierungsphase. Im hinteren Drittel aller-
dings könnte sich die alte Weisheit bestätig-
ten. Die letzten Sechs – Mainz, Augsburg,
Düsseldorf, Union Berlin, Köln, Paderborn


  • könnten auch am Ende der Saison die
    letzten Sechs bilden, in anderer Reihenfol-
    ge möglicherweise. Im Vergleich zur Kon-
    kurrenz sind die finanziellen Mittel gerin-
    ger, die Kader schwächer oder nicht gefes-
    tigt. Die SZ untersucht, wo bei den Klubs
    die größten Probleme liegen und wer oder
    was noch Hoffnung macht – die SZ-Tipps
    am Ende sind übrigens kostenlos.
    13. Platz: FSV Mainz 05
    (6 Punkte)


Sie wollten ihn unbedingt behalten, angeb-
lich haben die Mainzer dafür sogar einen
Transfergewinn von 20 Millionen Euro aus-
geschlagen. Nein, an Offerten fürJean-Phi-
lippe Mateta, 22, dürfte es im Sommer
nicht gemangelt haben, vor allem die
Klubs von der Insel sollen bereit gewesen
sein, irgendwas zwischen Mond- und Mar-
spreisen für den Franzosen zu bezahlen.
Kein Wunder: Der Angreifer hatte entschei-
denden Anteil daran, dass die Mainzer eine
recht entspannte vergangene Saison spiel-
ten, Mateta war mit 14 Treffern ihr bester
Torschütze. Mateta hat in seinem Leben
nie ein Nachwuchsleistungszentrum von
innen gesehen, er ließ sich auf der Straße
ausbilden, das sieht man seiner unkonven-
tionellen, wuchtigen Spielweise noch an.
Einer wie Mateta würde für die Mainzer ex-
trem wichtig sein, da hatte Sportdirektor
Rouven Schröder im Sommer schon recht.
Blöd nur: Vor Saisonbeginn verletzte
sich Mateta schwer am Meniskus, er be-
stritt noch kein Spiel, weshalb im Moment
Spieler mit Namen Quaison und Onisiwo
für Mainz stürmen. Die Klubs aus der Pre-
mier League stehen mit ihren Scheckbü-
chern aber angeblich immer noch bereit,
sie würden Mateta sogar im Winter kau-
fen, ohne Spielpraxis in der Hinrunde.

Tipp für die Winterpause:Mateta nicht
verkaufen! Er dürfte zur Rückrunde wie-
der fit sein, was für Mainz einen doppelten
Vorteil hätte: Mateta könnte den Klub zum
Klassenverbleib und seinen Marktwert
weiter in die Höhe schießen. Flankierend
empfiehlt sich die Investition in einen Phy-
siotherapeuten, der in der Rückrunde nur
auf Mateta aufpasst.


  1. Platz: FC Augsburg (5 Punkte)


Tomas Koubekhatte eine schwierige Auf-
gabe zu lösen, als er im August seine Arbeit
beim FC Augsburg begann. Der FCA hat
seit eineinhalb Jahren ein Problem auf der
Torhüterposition, seitdem der verlässliche
Schweizer Marwin Hitz lieber nach Dort-
mund ging, um dort auf der Bank zu sitzen.
Weder Fabian Giefer oder Andreas Luthe
konnten ihn ersetzen, noch der im vergan-
genen Winter ausgeliehene Gregor Kobel,
der es zwar respektabel versuchte, aber im
Sommer nach Stuttgart ging. Der für die
Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro von
Stade Rennes verpflichtete Tscheche Kou-
bek, 27, bekam dann in seinem ersten Bun-
desligaspiel fünf Tore in Dortmund und
sah dabei nicht gerade souverän aus. Das
kann passieren, allerdings soll er danach
zu einem tschechischen Journalisten ge-
sagt haben, er habe „Mischmasch im
Kopf“ – er konnte sich wohl nur schwer mit
den Verteidigern verständigen.
Es half ihm in den Wochen danach

nicht, dass die Viererkette erst mit Ende
der Transferperiode zusammengestellt
wurde. Es half ihm auch nicht, dass er mit
Übergewicht nach Augsburg gekommen
sein soll. Und es half erst recht nicht, dass
er beim 1:5 in Gladbach vor zwei Wochen
das 0:4 verschuldete, weil er bei einem
Rückpass über den Ball trat und ihn auch
beim Zurücklaufen nicht klärte, sondern
sich – vergeblich – in den Laufweg des Tor-
schützen Plea zu legen versuchte. „Das Ver-
trauen ist sehr groß in ihn“, sagt Trainer
Martin Schmidt. Ein Torwartwechsel wäre
das Eingeständnis falscher Kaderplanung.
Und so wird es beim FCA im Kampf gegen
den Abstieg auch auf Koubek ankommen.
„Er ist klar gefordert“, sagt Schmidt. Im-
merhin: Koubek hatte zwei Wochen Zeit,
sich aufs Spiel gegen Bayern vorzuberei-
ten. Zur tschechischen Nationalelf wurde
er erstmals seit Jahren nicht eingeladen.

Tipp für die Winterpause:Vielleicht nicht
noch mal Jens Lehmann holen, weder als
Co-Trainer noch als Torwart.


  1. Platz: Fortuna Düsseldorf
    (4 Punkte)


Nicht jeder Klub, bei demLutz Pfannen-
stielschon war, verfügt über einen Wikipe-
dia-Eintrag. Man kann Wikipedia da kei-
nen Vorwurf machen, es ist schon genug Ar-

beit, überhaupt den Eintrag von Lutz Pfan-
nenstiel zu pflegen. In seinen bisher 46 Le-
bensjahren war der ehemalige Torwart
beim 1.FC Kötzting (erste Station) und bei
Penang FA (zweite Station), außerdem
spielte er – wirklich nur unter anderem –
für Orlando Pirates, Sembawang Rangers,
Haka Valkeakoski, Vllaznia Shkodra, CA
Hermann Aichinger, auch Atletico de Ibira-
ma genannt. Bei Wacker Burghausen war
er auch mal. Seit Dezember 2018 ist er
Sportvorstand in, Moment, Düsseldorf.
Dort hat er jetzt eine der schwereren Auf-
gaben seiner Karriere vor sich: Er verant-
wortet eine Elf, die unter klassischen Bran-
chenreflexen leidet. Die Besten der Vorsai-
son, Dodi Lukebakio und Benito Raman,
sind zu Hertha BSC und Schalke 04 gewech-
selt, Pfannenstiel hat sie durch Spieler von
Absteiger Stuttgart (Erik Thommy) und
Aufsteiger Paderborn (Bernard Tekpetey)
ersetzt, und der von großen Hoffnungen
begleitete Nana Ampoah (aus Beveren)
konnte seine Begabung wegen Verletzung
noch nicht zeigen. Gemein übrigens: Luke-
bakio und Raman sind bei Hertha und
Schalke nicht mal Stammspieler.

Tipp für die Winterpause:Das ist einfach:
entweder Lukebakio und Raman auslei-
hen – oder halt den besten Spieler von den
Orlando Pirates, von CA Hermann Aichin-
ger und vom 1.FC Kötzting holen.


  1. Platz: Union Berlin (4 Punkte)


Was tun, wenn es am Geld fehlt, um den Ka-
der aufzumotzen? Dann lassen sich immer
noch die Fußballgeister beschwören. Ein
Glück, dass Union Berlin dieAlte Försterei
hat, ein Stadion, das Gegnern Unbehagen
bereiten kann. Ein Monument des ehrli-
chen Fußballs, in dem es fast nur Stehplät-
ze gibt, in dem der Spielstand über eine
handbediente Anzeigentafel übermittelt
wird und wo es nach Bratwurst riecht. Auf
die Mitglieder der globalen Unterhaltungs-
industrie Fußball kann das einschüch-
ternd wirken, vor allem, wenn in Köpenick
das Flutlicht angeht. Union qualifizierte
sich unter Flutlicht für die Bundesliga, in
zwei Relegations-Spielen gegen Stuttgart,
auch beim bislang einzigen Saisonsieg ge-
gen Dortmund war es dunkel in Köpenick.
Auf den Klassenverbleib werden sich
Fans, Spieler und Trainer auch wieder
beim traditionellen Weihnachtssingen ein-
schwören, im 28 500-fachen Kerzenschein
singen sie dann „O du Fröhliche“. Gänse-
haut gehört zu Union, genauso der Glaube
ans Unmögliche – und Gelassenheit, wenn
es mit dem Unmöglichen doch nix wird.

Tipp für die Winterpause:Einen Dring-
lichkeitsantrag an die DFL schicken, mit
der Bitte, alle noch zu terminierenden
Heimspiele am Freitagabend auszutragen,

unter Flutlicht. Dann könnte es für die –
abendliche – Relegation reichen.


  1. Platz: 1. FC Köln (4 Punkte)


Armin Veh, das muss man wissen, hat viel
Erfahrung. Viele Sätze leitet er so ein: Vor
20 Jahren in Reutlingen hab’ ich schon ...
oder: Als ich damals in Rostock ... wobei,
wenn er über seine Trainerstationen beim
HSV oder in Wolfsburg spricht, lacht er
meist nur verächtlich, und zwischendurch
kichert er ein Wort, das wie „Aufsichtsrä-
te“ klingt. Fakt ist: Der Veh, der kennt sich
aus. Seine Trainerkarriere hat er beendet,
aber natürlich gilt die Der-kennt-sich-aus-
Regel auch für den Sportchef Veh, der dem


  1. FC Köln vorige Saison einen aufstiegs-
    tauglichen Kader organisiert hat, mit Spie-
    lern, die er an irre entlegenen Orte wie Kiel
    und Österreich entdeckt hat.
    Für den Erstligakader hat sich Veh sein
    Meisterstück vorgenommen: Er will bewei-
    sen, dass es auch auf diesem global durch-
    leuchteten Transfermarkt noch Winkel
    gibt, die nur er kennt, dank seiner Erfah-
    rung vermutlich. Veh hat dem FC Spieler
    beschafft, für deren Namen der Stadion-
    sprecher ein Trainingslager absolvieren
    musste. Im Sommer kamen: Ellyes Shkiri
    (Fundort: Montpellier), Kingsley Ehizibue
    (Zwolle), Sebastiaan Bornauw (Anderlecht)
    und Birger Verstraete (Gent) – gute Spieler,


ausgesucht für den Pressingfußball des
neuen Trainers Beierlorzer, der auf Physis,
Laufstärke und Tempo Wert legt.
Dass der FC trotz der drei Mittelstürmer
Modeste, Cordoba und Terodde erst fünf
Tore in sieben Spielen erzielt hat, liegt vor
allem daran, dassdie neuen Namenmit
den alten Namen noch nicht zusammen-
passen. Es gibt noch keine schlüssige Idee,
wie der Ball zu den Stürmern nach vorne
kommen soll, der FC ist gut besetzt, aber
spielt noch nicht das, was er kann oder soll.
Zum Glück hat Trainer Achim Beierlorzer,
51, zumindest ein bisschen: Erfahrung.

Tipp für die Winterpause: Vielleicht fin-
det Veh in seinen geheimen Winkeln noch
ein paar Unaussprechliche. Wie wäre es
mit Theodoros Papoutsogiannopoulos,
Rechtsverteidiger aus Griechenland? Oder
Veh schaut noch mal auf die eigene Ersatz-
bank. Da sitzt Benno Schmitz.


  1. Platz: SC Paderborn (1 Punkt)


Außenseitern stehen traditionell zwei Alter-
nativen zur Verfügung, wie sie in der Bun-
desliga zum Erfolg kommen können: erst
mal gut verteidigen und dann kontern,
oder erst mal gut verteidigen und dann Eck-
bälle trainieren. Der SC Paderborn bricht
mit dieser Tradition, Paderborn greift ein-
fach an. „Vollgas“ nennt das Trainer Stef-
fen Baumgart, und es ist ihm egal, dass ihn
manche für verrückt erklären. In dieser Wo-
che hat er gesagt: „Alle, die glauben, dass
wir jetzt, weil wir die Punkte nicht haben,
unseren Weg verlassen: Die glauben dann
und glauben, glauben, glauben. Wir ma-
chen nicht Glauben, sondern wir arbeiten
dran und wir werden gucken, dass wir mit
unserem Fußball unsere Punkte holen.“
In Leverkusen und selbst gegen Bayern
wäre ein Remis möglich gewesen, vier bis
fünf Punkte mehr wären nach den erstaun-
lichen Leistungen vielleicht sogar gerecht.
Gut, die Mannschaft besteht zu großen Tei-
len aus Spielern, die vor ein paar Jahren
noch in der dritten, vierten oder fünften Li-
ga gekickt haben. Aber wie sagt Sven Mi-
chel, einst Regionalliga-Torschützenkö-
nig: „Der Fußball, den wir spielen, macht
Spaß.“ Daran, wenigstens, sollten sie den
Glauben nicht verlieren.

Tipp für die Winterpause:Trainer Baum-
gart mit ausreichend Zahnstochern zum
Draufkauen und Kappen zum Rumwerfen
ausstatten und niemals zweifeln.

DEFGH Nr. 241, Freitag, 18. Oktober 2019 33


Simon Meier-Vier-
acker twittert als
@fußballlinguist.
Seinen Livetickerge-
nerator, der elfmal
täglich Meldungen
generiert, findet
man dort unter
@randomlivetext.
FOTO: PRIVAT/OH

„Der FC sollte stöpseln oder stochern“


Der Linguist Simon Meier-Vieracker über Fußballsprache, das Modewort „Mentalität“ – und 180 Synonyme für „schießen“


Wenn es dunkel wird in Köpenick


Mainz, Augsburg, Düsseldorf, Union, Köln, Paderborn: Stehen die Abstiegskandidaten nach sieben Spielen fest?
Die Hoffnungen ruhen auf einem Rückkehrer, einem Torwart, zwei Sportdirektoren – und dem Flutlicht

SPORT


Bundesliga



  1. Spieltag
    Eintracht Frankfurt – Bayer Leverkusen Fr. 20.30
    RB Leipzig – VfL Wolfsburg Sa. 15.30
    Werder Bremen – Hertha BSC Sa. 15.30
    Fortuna Düsseldorf – FSV Mainz 05 Sa. 15.30
    FC Augsburg – FC Bayern München Sa. 15.30
    Union Berlin – SC Freiburg Sa. 15.30
    Borussia Dortmund – Mönchengladbach Sa. 18.30

  2. FC Köln – SC Paderborn So. 15.30
    TSG Hoffenheim – FC Schalke 04 So. 18.00


1 (5) Mönchengladbach 7 5 1 1 15:6 16
2 (7) VfL Wolfsburg 7 4 3 0 10:4 15
3 (1) FC Bayern München 7 4 2 1 20:8 14
4 (3) SC Freiburg 7 4 2 1 15:7 14
4 (2) RB Leipzig 7 4 2 1 15:7 14
6 (4) FC Schalke 04 7 4 2 1 14:7 14
7 (6) Bayer Leverkusen 7 4 2 1 12:8 14
8 (8) Borussia Dortmund 7 3 3 1 19:11 12
9 (9) Eintracht Frankfurt 7 3 2 2 11:10 11
10 (10) Hertha BSC 7 3 1 3 12:12 10
11 (11) Werder Bremen 7 2 2 3 12:16 8
12 (12) TSG Hoffenheim 7 2 2 3 6:11 8
13 (16) FSV Mainz 05 7 2 0 5 7:17 6
14 (13) FC Augsburg 7 1 2 4 8:19 5
15 (14) Fortuna Düsseldorf 7 1 1 5 9:14 4
16 (15) Union Berlin 7 1 1 5 6:13 4
17 (17) 1. FC Köln 7 1 1 5 5:16 4
18 (18) SC Paderborn 7 0 1 6 9:19 1


  1. Spieltag:Freitag, 25.10., 20.30 Uhr: Mainz – Köln,
    Samstag, 26.10., 15.30 Uhr: Hertha – Hoffenheim, Frei-
    burg – Leipzig, Schalke – Dortmund, FC Bayern – Uni-
    on Berlin, Paderborn – Düsseldorf; 18.30 Uhr: Leverku-
    sen – Bremen; Sonntag, 27.10., 15.30 Uhr: Wolfsburg –
    Augsburg, 18 Uhr: Mönchengladbach – Frankfurt.


Gesichter aus dem Untergeschoss der Bundesliga: Augsburgs Torwart Tomas Koubek agierte zuletzt glücklos, der Kölner
Geißbock Hennes sah bisher ebenso erst einen Saisonsieg wie das Union-Maskottchen Ritterkeule – und Trainer Steffen Baumgart
hat mit Paderborn noch gar nicht gewonnen (von li. oben nach re. unten). FOTOS: KOLBERT /IMAGO, BECKER/ DPA, OSNAPIX/IMAGO, WITTERS

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