Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
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von johannes schnitzler

A


ls Martin Baumann im August auf
dem Münchner Marienplatz sagte:
„Ich bin wirklich sehr gespannt auf
die Augsburger, die Erwartungshaltung in
Europa ist sehr, sehr hoch, was sie betrifft“,
da war das im Grunde nicht mehr als eine
Höflichkeitsadresse. Baumann ist Ge-
schäftsführer der Champions Hockey
League (CHL), des größten kontinentalen
Wettbewerbs für Klubmannschaften, und
die Augsburger Panther, die gerade mit
Platz drei in der Deutschen Eishockey Liga
(DEL) das beste Vorrunden-Ergebnis ihrer
Geschichte gefeiert hatten, stellten sich als
neues Mitglied in diesem Zirkel vor. Dass
die Erwartungshaltung an sie besonders
hoch sein könnte, daran dachte damals nie-
mand. Am ersten Spieltag der DEL, als der
EHC Red Bull München – in der vergange-
nen Saison als erstes deutsches Team in
einem CHL-Finale – in Augsburg gastierte,
da sangen die Fans des EHC: „In Europa
kennt euch keine Sau.“ Das war soweit
ganz richtig und nichts weiter als das übli-
che Geplänkel; die AEV-Anhänger hatten
zuvor in die andere Richtung gehöhnt:
„Selbst in München kennt euch keine Sau.“
Champions-League-Impresario Baumann
aber predigt seit der Neuorganisation des
Wettbewerbs im Jahr 2014, dass es einmal
eine „deutsche Cinderella-Story“ bräuch-
te. Weil Deutschland einer der wichtigsten
Eishockey-Märkte in Europa ist.

Die Münchner Finalteilnahme im Febru-
ar war für Baumann ein verheißungsvolles
Flittern. Aber als Aschenputtel lässt sich
der mit viel Geld von Red Bull veredelte Lu-
xuskader beim besten Willen nicht verkau-
fen. Insofern war es wohl auch der Ge-
schäftssinn des tüchtigen Schweizers, der
Baumann hoffen ließ, darauf, dass die eu-
phorisierten Augsburger mit ihrem stimm-
gewaltbereiten Anhang der CHL einen kräf-
tigen Farbtupfer verpassen könnten. Und
die Panther taten ihm den Gefallen. Als letz-
te von 32 gestarteten Mannschaften quali-
fizierten sich die Debütanten am Mittwoch-
abend für das Achtelfinale. Vor mehr als
1000 Fans des AEV, die zum größten Teil
mit einem Sonderzug angereist waren,
setzte sich die Mannschaft mit viel Leiden-
schaft (und noch mehr Glück) 3:2 bei den
Bili Tygri im tschechischen Liberec durch
und zog als Tabellenzweiter der Gruppe C
hinter dem schwedischen Klub Lulea HF in
die Runde der letzten 16 ein. Zuvor waren
bereits der deutsche Meister Adler Mann-
heim und München ins Achtelfinale vorge-
rückt, jeweils als Gruppenerste. Damit ste-
hen erstmals in der Geschichte der CHL al-
le deutschen Klubs in der K.-o.-Runde.
War die Versetzung von München und
Mannheim zu erwarten – beide waren
schon vor dem letzten Spieltag qualifiziert,
die Münchner konnten es sich sogar leis-
ten, Manager Christian Winkler als Ersatz-
torwart auf die Bank zu setzen –, war Augs-
burgs Aufstieg ein kleines Wunder. „Un-
glaublich! Sensationell! Wahnsinn! Es ist
vollbracht!“, stand auf der Panther-Home-
page. In die Liga ist das Team von Trainer
Tray Tuomie einigermaßen schwerfällig
gestartet, die ersten fünf Heimspiele gin-
gen alle verloren. In der CHL aber waren
die „kleinen Pantherlein“, wie Hauptgesell-
schafter Lothar Sigl sie gerne nennt, sofort
voll da, gewannen die ersten Spiele in Lu-
lea und Belfast jeweils 3:2 und ließen sich
auch nicht irritieren, als sie vergangene
Woche den ersten Matchball gegen Liberec

vergaben. „Die CHL ist für uns eine riesige
Ehre. Das ist unsere Belohnung für die letz-
te Saison“, sagte Panther-Kapitän Steffen
Tölzer denEishockey News. Am Mittwoch
brauchten sie noch einen Punkt und gin-

gen durch Patrick McNeill (3.) früh in Füh-
rung. Doch dann wurden die Beine schwer.
„Wir haben nicht diese Tiefe im Kader wie
Mannheim oder München“, sagt Tuomie.
Das Spiel in Liberec war das siebte Pflicht-
spiel für die Schwaben im Oktober, und es
sollte „eines der härtesten“ werden.
Weiße Tiger (Bili Tygri) gegen schwarze
Panther: Die Paarung klang ein bisschen
nach Siegfried und Roy, den beiden ehema-
ligen Las-Vegas-Zauberern. Und tatsäch-
lich sollte es eine magische Nacht werden
für die Augsburger und ihren Anhang.
Nachdem Liberec drei Sekunden vor der
ersten Pause 2:1 in Führung gegangen war,
schwammen die Gäste im zweiten Drittel
bedenklich. Aber Torhüter Olivier Roy
hielt sie mit 34 Paraden über Wasser. Ver-
teidiger Simon Sezemsky nutzte eine der
sehr seltenen Chancen zum Ausgleich
(35.). Und als die eigentlich überlegenen
Tschechen ihren Torhüter Marek Schwarz
für einen weiteren Feldspieler vom Eis nah-
men, löffelte Matt Fraser, mit sieben Tref-
fern der erfolgreichste CHL-Torschütze ei-
nes deutschen Teams, den Puck über die
gesamte Eisfläche zum 3:2 für Augsburg
ins Tor (59.). „Es war sicher nicht unser bes-
tes Spiel“, gab Tuomie zu. „Aber wir woll-
ten nicht, dass die Reise in Liberec endet.“

Augsburg, die einzige deutsche Mann-
schaft, die in allen sechs Gruppenspielen
gepunktet hat, ist nun also zumindest ein-
mal im Achtelfinale der CHL angekom-
men. Aber auch die in den ersten Jahren be-

lächelte CHL in Deutschland. „Wir haben
viele Glückwünsche erhalten“, berichtete
Tuomie. „Sogar München hat uns gratu-
liert.“ Zu den Heimspielen der Panther ka-
men im Schnitt fast fünfeinhalbtausend
Zuschauer, mehr als in der DEL, in Mann-
heim waren es 8200. Nur München (3066)
hinkt etwas hinterher. Dennoch: Die CHL
interessiert die deutschen Eishockey-
Fans. „Das ist eine gute Show und eine gu-
te Sache, dass so viele Leute unsere Spiele
verfolgen“, sagte Tuomie. „Gut für uns, gut
für den Klub, für die Stadt und für das deut-
sche Eishockey.“ Und gut für Martin Bau-
mann, der weiter auf eine Augsburger
Aschenputtel-Geschichte hoffen darf.
Im Achtelfinale könnten die Panther ne-
ben Rekordchampion Frölunda auf Mann-
heim oder München treffen. „Schweden
oder die Schweiz wäre schön“, sagt Tuo-
mie, aber sie nähmen es, „wie es kommt“.
Die Auslosung der Begegnungen an die-
sem Freitag, 12 Uhr, in Helsinki nimmt Sa-
mi Hyypiä vor. Vielleicht beweist der ehe-
malige finnische Fußball-Nationalspieler
als Losfee auch ein magisches Händchen.
Augsburg gastiert am Abend in Mann-
heim, der Tabellenachte beim Tabellen-
fünften. Ein europäisches Spitzenspiel am


  1. Spieltag der Deutschen Eishockey Liga.


von thomas hahn

E


s gibt jetzt tatsächlich Leute, die
sich darüber beschweren, dass die
Organisatoren von Olympia 2020
in Tokio die Wettkämpfe im Marathon
und Gehen aus der Schwüle der Haupt-
stadt in Japans kühleren Norden nach Sap-
poro verlegen. So werde das olympische
Erlebnis gemindert, sagen sie. Im Sinne
der Athletinnen und Athleten könne das
doch nicht sein, die Rennen in eine 900
Kilometer entfernte Außenstelle zu verle-
gen. Antwort: Doch, das ist im Sinne der
Athletinnen und Athleten, weil Hokkai-
dos Sommer viel bessere Bedingungen
bietet für Ausdauerleister, die nicht nur ir-
gendwie dabei sein, sondern ihre Prüfung
auch durchstehen wollen. Was das ver-
minderte Olympia-Erlebnis angeht, so
sollte man den Beschluss im größeren Zu-
sammenhang sehen und das Internationa-
le Olympische Komitee (IOC) fragen, ob es
mit mehr Umsicht solchen Verlegungen
nicht hätte vorbeugen können.
Die Entscheidung ist richtig, kein Zwei-
fel. Sie ist allerdings auch hinreißend in-
konsequent, denn Radfahrer, Triathle-
ten, Beachvolleyballer und andere, die
Schwierigkeiten haben könnten mit der
ungewöhnlich hohen Luftfeuchtigkeit
des japanischen Sommers, bleiben ja in
Tokio. Und auch für die meisten Zuschau-
er bleibt das Problem das gleiche, solange
die japanischen Olympia-Macher nicht
noch eine bessere Idee haben als die kürz-
lich bei einem Kanurennen erprobte,
Tribünen mit geschreddertem Eis zu
beschießen.
Außerdem entlarvt die Verlegung den
modernen olympischen Geist. Nicht klu-
ger Rat oder frühe Einsicht haben die
Olympiaplaner schließlich zum Einlen-
ken bewogen. Auch nicht das Beispiel frü-
herer Sportfeste wie Olympia in Tokio
1964, das von vornherein im Herbst statt-
fand. Sie mussten erst sehen, wie das im
Fernsehen rüberkommt, wenn die Hitze
zu groß wird. Insofern muss man dem
Leichtathletik-Weltverband IAAF nach-
träglich dankbar sein, dass er seine jüngs-
te WM nach Doha in den dafür ungeeigne-
ten Wüstenstaat Katar vergeben hatte.
Sonst hätte es keine Marathons mit nächt-
lichen Startzeiten gegeben, bei denen die
Hälfte des Feldes aufgab. Sonst wäre den
Spiele-Schaffenden vielleicht nie aufge-
fallen, dass schlecht gewählte Wett-
kampforte Probleme schaffen.

Es klingt nach einer alten Leier, wenn
man beklagt, dass die Funktionäre die
Werte des Kulturguts Sport verhökern.
Aber es ändert sich eben auch verdammt
wenig. Die Welt wird immer komplizier-
ter. Nationalisten bringen den globalen
Gemeinsinn durcheinander. Der Klima-
wandel erfordert radikale gesellschaftli-
che Veränderungen. Aber eine Organisati-
on wie das IOC verfolgt immer noch seine
schale Wachstumspolitik, die das mitden-
kende Publikum zu Tode langweilt.
Selbst in Tokio sehen viele Bürgerin-
nen und Bürger die Spiele als lästiges
Massenentertainment, das auf Kosten
des Wiederaufbaus von nationalen Natur-
katastrophengebieten wie Fukushima ge-
he. Das IOC braucht endlich eine morali-
sche Wende, damit es mal wieder als
glaubwürdige Größe in einer aufgeklär-
ten Gesellschaft ernst genommen wird.
Aber von alleine bekommt es so eine Wen-
de wohl nicht hin. Jetzt hat der Verein Ath-
leten Deutschland das IOC nach einer in-
ternationalen Sportler-Initiative dazu
aufgefordert, sich ausdrücklich zur Ach-
tung der Menschenrechte zu verpflich-
ten. So eine Aufforderung ist offensicht-
lich noch nötig. Bitter.

Mit einer spektakulären Gala haben
sich Deutschlands bester Eishockey-
profi Leon Draisaitl und Sturmpartner
Connor McDavid den Frust über die
erste Saisonpleite der Edmonton Oi-
lers bei den Chicago Blackhawks (1:3)
von der Seele geschossen. Zum 6:3-Tri-
umph der Kanadier gegen die Philadel-
phia Flyers steuerte Draisaitl am Mitt-
woch zwei Tore und eine Vorlage bei.
McDavid (ein Tor, vier Vorlagen) kam
sogar auf fünf Scorerpunkte. McDavid
und Draisaitl führen mit 17 und 15
Punkten auch die Scorerliste in der
nordamerikanischen Profiliga NHL an.
Für die Oilers war es der sechste Sieg
im siebten Spiel. sid

Chicago– Der US-Profiboxer Patrick Day
ist vier Tage nach seiner K.-o.-Niederlage
beim Kampfabend in Chicago gegen Lands-
mann Charles Conwell seinen schweren
Kopfverletzungen erlegen. Dies erklärte
sein Promoter Lou DiBella in einem State-
ment. „Im Namen seiner Familie, seines
Teams und seiner engen Freunde bedan-
ken wir uns für die Unterstützung und die
Liebe, die er nach seiner Verletzung erhal-
ten hat“, heißt es in der Mitteilung. Auf
Twitter schrieb DiBella, Pat habe „jeden
mit einem breiten Lächeln begrüßt. Das Le-
ben ist manchmal nicht fair.“ Der Superwel-
tergewichtler Day starb im Northwestern-
Memorial-Krankenhaus in Chicago, er
wurde 27 Jahre alt.
Day war nach mehreren schweren Kopf-
treffern seines Gegners Conwell zu Boden
gegangen. Er wurde bewusstlos im Ret-
tungswagen ins Krankenhaus gefahren
und noch in der Nacht am Gehirn operiert.
Der Sender DAZN hatte berichtete, dass
Day auf der Fahrt in die Klinik einen
Schlaganfall erlitten habe und künstlich
beatmet werden musste. Day hatte einen
Kampfrekord von 17 Siegen, einem Unent-
schieden und vier Niederlagen.
Wieder wird in der Boxszene über Kon-
sequenzen aus den häufigen Todesfällen
diskutiert. „Es ist jedes Mal aufs Neue eine
Katastrophe“, sagte Präsident Thomas
Pütz vom Bund Deutscher Berufsboxer
(BDB). Sein Appell an die Ringrichter: „Ein
Kampf muss rechtzeitig abgebrochen wer-
den, auch wenn das Publikum buht.“ Inwie-
weit es beim Fight von Day ein Versäumnis
der Verantwortlichen gab, ist noch nicht ab-
schließend geklärt.
Ende September war der Bulgare Boris
Welischkow bei einer Boxnacht in Albani-
en gestorben. Der Federgewichtler war un-
ter dem Namen und mit der Lizenz seines
Cousins angetreten und brach nach mehre-
ren Kopftreffern zusammen. Ende Juli er-
lag Profiboxer Maxim Dadaschew nach ei-
nem Kampf gegen Subriel Matias (Puerto
Rico) seinen Verletzungen. dpa, sid

Washington/Los Angeles– Dock! Es ist
dieses dumpfe, hölzerne Knacken, das die
Leute an der Sportart Baseball so faszi-
niert. Sie wissen, ohne hinzusehen, dass
der Ball dann mehr als 100 Meter weit flie-
gen wird, über den Zaun auf die Tribüne.
Wer es einmal im Stadion gehört hat, die-
ses Geräusch, der vergisst es nie, und wenn
er es dann wieder hört, gerne daheim auf
der Couch vor dem Fernseher, dann glaubt
er, frisch gemähtes Gras, billiges Bier und
fettige Bratwurst zu riechen.
Die Anhänger der Washington Natio-
nals haben dieses „Dock“ zuletzt ein paar
Mal gehört, in dramaturgisch bedeut-
samen Momenten der Playoffs in der
nordamerikanischen Profiliga MLB. Am
Ende des entscheidenden Viertelfinal-
spiels gegen die Los Angeles Dodgers etwa,
als Howie Kendrick den Ball über die Ab-
sperrung knüppelte. Homerun! Oder wäh-
rend der Halbfinalserie gegen die St. Louis
Cardinals, als Michael Taylor seine Mann-
schaft in der dritten Partie mit so einem
Schlag samt Homerun in Führung brachte.
Baseball ist ein Sport für hoffnungslose
Romantiker, es geht niemals nur ums reine
Ergebnis oder um Titel, es geht stets auch
um Folklore, um das Erdulden mehr als
100 Jahre währender Durststrecken, um
das Anflehen der Sportgötter und das ge-
meinsame Singen des Liedes „Take Me Out
to the Ballgame“ im siebten Spielab-
schnitt. Es gibt Gedichte und Lieder über
unvergessliche Momente, und es kann
sein, dass der Kanon in diesem Jahr erwei-
tert wird: Zum ersten Mal seit 1933 steht
mal wieder ein Verein aus Washington im
Baseball-Finale. Die Nationals, vor 50 Jah-
ren als Montreal Expos gegründet und vor
15 Jahren nach Washington gekommen,
stehen zum ersten Mal in der Vereinsge-
schichte in der World Series – so lange, 50
Jahre, hat noch kein Baseballklub warten
müssen. Die Seattle Mariners, das einzige
Team ohne Finalteilnahme, sind erst vor
43 Jahren gegründet worden.
Das passende Gedicht müsste jetzt die-
sen Titel haben: „Fupp, fupp, fupp, fupp –

dock!“ Das liegt einerseits daran, dass die
Nationals in den letzten acht Jahren fünf
Mal die Ausscheidungsrunde erreicht ha-
ben, nun aber zum ersten Mal über die
erste Runde hinausgekommen sind. „Wir
haben in den vergangenen acht Jahren ins-
gesamt die zweitmeisten Partien gewon-
nen“, sagt Manager Mike Rizzo, der freilich
weiß, dass die Anzahl der Siege in dieser
Sportart irrelevant ist, wenn man das letz-
te Spiel der Saison verliert: „Wir haben
nicht aufgehört, ein Team zu bauen, das
den Titel holen kann – und nun ist es end-
lich so weit.“
Dass es so weit ist, liegt vor allem an die-
sem anderen Geräusch, das die Baseball-
fans fasziniert: Fupp! Das ist zu hören,
wenn ein mit viel Drall (etwa 45 Umdrehun-
gen pro Sekunde) geworfener Ball in den
Handschuh des Fängers klatscht, weil der
Schlagmann nicht getroffen hat. Die vier

Stammwerfer der Nationals agieren in die-
sen Playoffs beachtlich, in Anlehnung an
die Superhelden-Gruppe werden sie „Fan-
tastic Four“ genannt. Anibal Sanchez, Max
Scherzer und Stephen Strasburg erlaubten
im Halbfinale zusammengerechnet zwei-
einhalb Spiele lang gar keinen Punkt, Pa-
trick Corbin schaffte im letzten Spiel zwölf
Strikeouts – die gegnerischen Schlagmän-
ner schwangen also, und es machte:
„Fupp!“
Wer wissen möchte, wie knifflig die Wür-
fe der Nationals-Pitcher zu treffen sind,
der sollte bei der Finalserie, die am kom-
menden Dienstag beginnt (der Gegner
wird gerade zwischen den New York Yan-
kees und den Houston Astros ermittelt),
den sogenannten Slider von Scherzer be-
trachten: Der Wurf sieht so aus, als wäre er
möglichst hart und ohne Drall geschleu-
dert, doch während der Reise zum Schlag-

mal bricht er seitlich nach unten weg. Es ist
ein schneller Flatterball, und wer das recht-
zeitig erkennt und den Ball kontrolliert
trifft, der kann auch Fliegen mit Essstäb-
chen fangen. Vereinfacht ausgedrückt sor-
gen die Werfer der Nationals derart oft für
das „Fupp“, dass sich die Offensivspieler in
aller Ruhe darauf konzentrieren können,
Leute auf die Laufmale zu bringen und
dann ihrerseits einen Schlag zu versuchen,
bei dem es „dock“ macht.
Die oftmals angeflehten Sportgötter,
auch diese Erkenntnis steckt in der Ge-
schichte der Nationals, verfügen offenbar
über einen bitterbösen Humor. Schlag-
mann Bryce Harper ist in den vergangenen
acht Jahren das Gesicht der Nationals gewe-
sen, der Megastar, der All American Hero,
der letztes Jahr das Homerun-Derby mit
Amerika-Flagge-Stirnband und Amerika-
Flagge-Schläger gewonnen hat. Vor dieser
Saison unterschrieb er einen 330-Millio-
nen-Dollar-Vertrag bei den Philadelphia
Phillies, weil er glaubte, dort größere Chan-
cen auf den Titel zu haben. Die Nationals
hatten weniger geboten, weil sie in Werfer
investieren wollten – um es kurz zu ma-
chen: Am 27. Geburtstag von Harper er-
reichten die Nationals die Finalserie.

Sie wollen nicht über Harper reden, sie
feiern lieber sich selbst – nach der letzten
Partie gegen die Cardinals bis tief in die
Nacht im Restaurant ihres Spielers Ryan
Zimmerman, gegenüber vom Stadion in
Washington. Sie konnten es sich leisten, im
Gegensatz zum Finalgegner haben sie eine
Woche lang Zeit zur Regeneration, was vor
allem für die geschundenen Arme der Wer-
fer bedeutsam ist. „Es ist noch nicht ge-
schafft“, sagt Zimmerman, er weiß: All die
Siege sind bedeutungslos, wenn die Natio-
nals nicht auch das letzte Spiel dieser Sai-
son gewinnen. jürgen schmieder

Laupheim– Der Weltcup-Start von Tho-
mas Dreßen beim Saisonauftakt der Abfah-
rer Ende November in Lake Louise/Kana-
da ist ungewiss. Er sei nach seinem Kreuz-
bandriss im Moment „vielleicht bei 70 Pro-
zent“, sagte der Mittenwalder am Rande
der Einkleidung des Deutschen Skiverban-
des: „Die Trainings werde ich definitiv fah-
ren. Aber wenn ich dann merke, es gibt
noch viel zu tun, werde ich mir das Rennen
noch aufsparen.“ In Lake Louise steht am


  1. November eine Abfahrt auf dem Pro-
    gramm, tags darauf ein Super-G. Dreßen
    berichtete, dass sein rechtes Knie nun
    zwar in Ordnung sei, allerdings blieben
    noch leichte Meniskusprobleme, „das wird
    auch noch eine Zeit lang so sein.“
    Cheftrainer Christian Schwaiger sieht
    Dreßen nicht im Zeitplan: „Er trainiert und
    bringt gute Leistungen, aber er ist derzeit
    nicht bereit, eine Weltcup-Abfahrt voll zu
    fahren.“ Das sei aufgrund der komplexen
    Verletzung „normal“. Seitens des Verban-
    des gebe es aber keinen Druck auf Dreßen,
    „weil Thomas ein extrem wichtiger Athlet
    für die Zukunft ist“. Laut Alpinchef Wolf-
    gang Maier soll er die Comeback-Saison
    „so nutzen, dass er in den nächsten drei
    großen Saisons um die Medaillen fahren
    kann.“ Kitzbühelsieger Dreßen, 25, war im
    vergangenen Herbst in Beaver Creek (US-
    Bundesstaat Colorado) schwer gestürzt. Da-
    bei erlitt er neben der Knieverletzung eine
    Schulterluxation. Beaver Creek ist in die-
    sem Winter nach Lake Louise die zweite
    Station für die Abfahrer. sid


Deutschland auf Platz drei
Achtelfinalisten der Champions Hockey League

Erst bei 70 Prozent
Abfahrer Dreßen noch nicht im Zeitplan

Doppelpack von


Draisaitl


Aschenputtel im Achtelfinale


Augsburg schafft als letzter Klub den Sprung in die K.-o.-Runde der Champions Hockey League.
Erstmals überstehen alle deutschen Teams die Gruppenphase des Wettbewerbs

Tod nach K.o.
US-Boxer Patrick Day, 27, erliegt nach
Kampf schweren Kopfverletzungen

Fupp, fupp, fupp, fupp – dock!


Die Washington Nationals stehen zum ersten Mal in der Baseball World Series – vor allem dank ihrer überragenden Werfer


OLYMPIA 2020

Überraschung:


In Tokio ist es heiß


„Unglaublich! Sensationell! Wahnsinn! Es ist vollbracht!“ – Siegtorschütze Matt Fraser und Brady Lamb (v.r.) feiern den 3:2-Sieg in Liberec. FOTO: VIT CERNY / CTK PHOTO / IMAGO

Weiße Tiger gegen Panther:
Wie bei Siegfried und Roy erlebt
Augsburg eine magische Nacht

Das IOC braucht eine moralische
Wende – aber ohne Druck der
Athleten kriegt es das nicht hin

Der Finalgegner wird noch
ermittelt – die Nationals können
derweil ihre Arme schonen

DEFGH Nr. 241, Freitag, 18. Oktober 2019 (^) SPORT 35
Durch die Qualifikation aller drei DEL-
Teams für die Runde der letzten Sechzehn
(12./13. und 19./20. November) zieht
Deutschland in der Vier-Jahres-Wertung an
Tschechien vorbei auf Rang drei im CHL-
Ranking. Die Achtelfinalisten:
Schweden:Frölunda Indians, Färjestad BK
Karlstad, Lulea Hockey, Skelleftea AIK, Djur-
garden Stockholm
Schweiz:SC Bern, EHC Biel-Bienne, HC Lau-
sanne, EV Zug
Deutschland: Augsburger Panther, Adler
Mannheim, EHC Red Bull München
Tschechische Republik: HC Pilsen, Mount-
fieldHK
Finnland:Tappara Tampere
Weißrussland:Yunost Minsk
Wer seine Würfe kontrolliert mit dem Schläger trifft, der kann auch Fliegen mit Ess-
stäbchen fangen: Nationals-Pitcher Anibal Sanchez. FOTO: JOE PUETZ / USA TODAY / REUTERS
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