Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
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von christine demmer

K


linikärzte und Krankenhaus-Con-
troller sind an sich natürliche Fein-
de. Denn der Arzt will heilen, koste
es, was es wolle – überspitzt gesagt –, und
der Controller will sparen, da darf mög-
lichst gar nichts etwas kosten. Schwierig
wird es, weil von Medizinern in leitender
Funktion heutzutage erwartet wird, beides
gleichzeitig zu tun, also kostenbewusst zu
heilen. Vom Steuerberater und der Kran-
kenkasse werden niedergelassene Ärzte
nichts anderes hören. Und was ist mit dem
hippokratischen Eid, den sie bei der Auf-
nahme in den Berufsstand schwören? Die
innere Zerrissenheit vieler Mediziner kann
der Diplom-Betriebswirt und Neurologe
Marco Halber nachvollziehen. „Skandalös
gering“ sei jedoch das im Medizinstudium
dargebotene Wirtschaftswissen. „Die meis-
ten Ärzte werden zum ersten Mal mit Wirt-
schaft konfrontiert, wenn sie sich mit einer
eigenen Praxis niederlassen wollen“, kriti-
siert Halber.
Der Wunsch nach Nachhilfe äußert sich
in dem wachsenden Interesse an entspre-
chenden Fortbildungen. Berufsbegleiten-
de MBA-Programme für Ärztinnen und
Ärzte schießen in jüngster Zeit wie Pilze
aus dem Boden. Wobei man sich darunter
kein komplettes Wirtschaftsstudium mit
Ausflügen ins Management vorstellen
darf. Das wäre in den meist über 24 bis
30 Monate laufenden Programmen gar
nicht zu leisten. Zumal die tatsächlichen
Unterrichtstage bei den in Blöcken durch-
geführten Kursen insgesamt oft nur weni-
ge Monate betragen. Beim Executive MBA
Health Care Management an der European
Business School der EBS Universität in Oes-
trich-Winkel sitzen die Studierenden ge-
nau an 63 Tagen im Hörsaal.

Noch weniger gemeinsame Lernerleb-
nisse haben die Teilnehmer des MBA-Pro-
gramms Führung und Management im Ge-
sundheitswesen an der Hochschule Neu-
Ulm: Je Semester kommen sie lediglich für
zwölf Tage zusammen. In der restlichen
Zeit lesen, lernen und schreiben die ange-
henden Wirtschaftsmediziner zu Hause.
Was sie auch ganz gern täten, berichtet
Marco Halber, der an der SRH-Fernhoch-
schule den Studiengang Executive MBA
(EMBA) für Ärztinnen und Ärzte leitet:
„Die meisten Mediziner sind froh, wenn
sie nicht zu festen Studienzeiten irgendwo
erscheinen müssen.“
Weshalb die SRH-Fernhochschule, die
den Beinamen „The Mobile University“
trägt, seit gut einem Jahr ein reines Online-
Studium für Mediziner anbietet. Mit nur
zwölf Monaten Dauer gehört es zu den kür-
zesten MBA-Programmen überhaupt. Da-
für müssen sich Frau und Herr Doktor der
Medizin in ihrer Freizeit ins Zeug legen.
Zwei Hausarbeiten, fünf Klausuren, eine
80-seitige Masterthesis und ein 45-minüti-
ges Kolloquium müssen zügig erarbeitet
werden. Fehlt dabei nicht der Austausch
mit den Mitstudenten? „Nein“, sagt Marco
Halber. „Den Ärzten geht es überwiegend
um Faktenwissen und um die Manage-
mentqualifikation.“ Online-Foren und Ex-
kursionen würden gefördert, keine Frage.
„Aber das nimmt nur ein Bruchteil der Teil-
nehmer wahr“, berichtet Halber – und in
seiner Stimme klingt Bedauern mit. „Die
Ärzte sind froh, wenn sie mit anderen Stu-
dierenden möglichst wenig zu tun haben.“
Zahlreiche Hochschulen haben einen
MBA Gesundheitsmanagement im Ange-
bot. Anwärter für die Health-Care-Pro-
gramme sollten auf die Zulassungsbedin-
gungen der jeweiligen Hochschule achten,
die sehr unterschiedlich sind. Sie reichen

von der mittleren Reife und Berufsausbil-
dung in einem medizinischen Fach plus
zwei, drei Jahre Berufserfahrung bis zum
Bachelorabschluss plus einige Berufsjah-
ren in einem Gesundheitsberuf.
Drei Semester dauert es bis zum MBA-
Abschluss im Studiengang Gesundheits-
management an der Hochschule Wismar,
die ihr Fernstudienangebot unter dem Na-
men „Wings“ vermarktet. Auch hier studie-
ren die Teilnehmer nur auf Distanz. Das be-
deutet: Der Lehrstoff wird in interaktiven
Vorlesungen über eine App bereitgestellt.
Voraussetzung ist – wie bei den anderen
Programmen auch – ein erster Hochschul-
abschluss, hier zusätzlich aber zwei bis
drei Jahre Berufspraxis. Bei der Berufser-
fahrung gelten unterschiedliche Anforde-
rungen: Während die SRH gänzlich auf den
Nachweis von Berufserfahrung verzichtet,
erwartet die Hochschule Neu-Ulm eben-
falls zwei Jahre. Und die EBS Business
School verlangt für die Zulassung zu ihrem
14-monatigen Programm sogar fünf Jahre
Praxiserfahrung und sehr gute Englisch-
kenntnisse. Dieser MBA ist mit 32 800 Eu-
ro der Champion in puncto Preis. Die meis-

ten anderen Ärzte-MBAs werden für weit
weniger als die Hälfte angeboten.
Den MBA Health Care Management gibt
es an der EBS Business School schon seit
dem Jahr 2002. Der Anteil der Ärztinnen
und Ärzte unter den Teilnehmern ist hoch,
„gut 70 bis 75 Prozent“, sagt Studiengangs-
leiter Ralph Tunder. Und die Nachfrage der
Mediziner nach Wirtschafts- und Manage-
mentwissen nehme weiter zu. „Sowohl Kli-
nikärzte als auch Mediziner mit eigener
Praxis müssen das Gebot der Wirtschaft-
lichkeit beachten“, erklärt der Studiendi-
rektor. „In jeder Rolle haben sie es mit wirt-
schaftsrelevanten Fragestellungen und
mit den Herausforderungen des Klinik-
oder Praxismanagements zu tun.“ Mit sol-
chen Themen hätten sie sich aber an der
Universität nicht auseinandergesetzt.
„Ökonomie und Management werden im
Curriculum des Medizinstudiums nicht ab-
gebildet“, resümiert Tunder. Auch wenn
sich Ärzte meist in erster Linie ihrem hel-
fenden und heilenden Beruf verpflichtet
fühlen, stünden sie unter hohem Druck,
sich in betriebswirtschaftlichen Themen
weiterzuqualifizieren.

Die Entscheidung für ein berufsbeglei-
tendes Studium mit hoher Belastung in
der Freizeit fällt häufig im fortgeschritte-
nen Alter. Im Durchschnitt sind die Ärztin-
nen und Ärzte, dies sich an der EBS fortbil-
den, 40 Jahre alt. „Wir haben auch deutlich
jüngere Teilnehmer“, sagt Tunder, „aber
auch deutlich ältere“. Der bislang älteste
Absolvent sei 60 Jahre alt gewesen.

Im Vergleich zu Mitgliedern anderer Be-
rufsgruppen, die ein MBA-Studium begin-
nen, sind Mediziner deutlich älter. Das
liegt laut Andreas Botzlar, Vorstandsmit-
glied des Marburger Bundes, der Interes-
senvertretung angestellter und verbeamte-
ter Ärzte und Ärztinnen, auch daran, dass
das Medizinstudium deutlich länger dau-
ert als andere Studienrichtungen. Für die
anschließende Weiterbildung zum Fach-
arzt muss man Botzlar zufolge, der Ober-
arzt an der Berufsgenossenschaftlichen

Unfallklinik im oberbayerischen Murnau
ist, mindestens vier bis sechs Jahre dazu-
rechnen. Wer danach in eine klinische Lei-
tungsposition aufgestiegen sei oder eine
solche anstrebe, sei häufig jenseits der 40.
Womöglich ist Medizinern, die sich in
der Lebensmitte zum Gesundheitsmana-
ger weiterqualifizieren, der persönliche
Austausch mit den Mitstudenten ja doch
wichtig. Das glaubt jedenfalls Professor Pa-
trick Da-Cruz, Studiengangsleiter des Neu-
Ulmer MBA-Programms Führung und Ma-
nagement im Gesundheitswesen, vormals
MBA für Mediziner. Denn er hat folgende
Veränderung beobachtet: „Unsere frühere
Zielgruppe waren ausschließlich Medizi-
ner. Heute wollen die Ärzte den interprofes-
sionellen Austausch mit Juristen, Pharma-
zeuten und Gesundheitswissenschaft-
lern.“ Früher habe man vor allem für die kli-
nische Karriere ausgebildet. Heute kämen
mehr niedergelassene Ärzte, die sich vor al-
lem für Führungsthemen interessierten.
Letztere könne man nur in einem sozialen,
interaktiven Prozess vermitteln. „Wer ei-
nen reinen Fernkurs machen möchte, ist
bei uns falsch.“

42 SZ SPEZIAL – LERNEN Freitag, 18. Oktober 2019, Nr. 241 DEFGH


Andreas Botzlar, 51, ist Chirurg und zwei-
ter Vorsitzender des Marburger Bundes,
der Interessenvertretung angestellter
und verbeamteter Ärztinnen und Ärzte.
Er rät Medizinern angesichts einer Mana-
gerausbildung zu gesunder Skepsis.

SZ:Wenn man mit Anbieternfür MBA-
Programmefür Ärztespricht,gewinnt
man den Eindruck, dass Betriebswirt-
schaft zwingend ins Medizinstudium
gehört. Ist das so?
Andreas Botzlar: Natürlich wird es so dar-
gestellt. Das nennt man Werbung, und
man sieht ja, dass weiterbildende Studi-
engänge in Gesundheitsökonomie und
Health Care Management nur so aus
dem Boden sprießen. Sicher ist es nicht
schlecht, wenn wir Ärzte auch ein paar
ökonomische Grundkenntnisse haben.
Wir sind aber aus guten Gründen Ärzte
geworden und eben nicht Betriebswirte.
Wenn ich das hätte werden wollen, hätte
ich Wirtschaftswissenschaften studiert.

Was motiviert Mediziner, in der Frei-
zeit den MBA zu absolvieren?
Viele haben eine ärztliche Leitungspositi-
on oder streben sie an. Da möchte man
sich für die Verantwortung rüsten. Ande-
re haben spät entdeckt, dass sie sich in
der Verwaltung wohler fühlen als in der
Medizin. Und es gibt Mediziner, die sich
von den Klinikleitungen nichts vorma-
chen lassen möchten und daher ihr eige-
nes Verständnis für die wirtschaftlichen
Zusammenhänge verbessern wollen.

Gewinnt die Ökonomie schleichend
das Primat über die Medizin?
Das darf sie nicht, die Gefahr ist aber re-
al. Deshalb ist es gut, wenn wir Ärzte be-
triebswirtschaftliche Überlegungen bes-
ser verstehen. Wir müssen in der Lage
sein, falsche Annahmen der Kaufleute
fachkundig zurückzuweisen.

KooperiertderMarburgerBundmitei-
nem oder mehreren MBA-Anbietern?
Nein. Und das werden wir auch nicht.
Wir haben eigene Seminare, in denen es
auch um die wirtschaftlichen Rahmenbe-
dingungen der Krankenhäuser geht, wie
zum Beispiel die Finanzierung durch
Fallpauschalen. Solche Angebote wer-
den rege in Anspruch genommen.

Weist das Medizinstudium in Hinblick
auf Führungsthemen ein Defizit auf?
Wer Medizin studiert, will heilen, nicht
herrschen. Ich wüsste auch nicht, wo das

in unserem dicht gedrängten Studium
Platz finden könnte. Tatsache ist aber
auch, dass Ärzte, die erst spät in eine Füh-
rungsposition kommen, das erst lernen
müssen. Für sie ist eine Weiterbildung
nicht schlecht. Es gibt Beispiele von Leu-
ten, die am Führen gescheitert sind.

interview: christine demmer

Heilen und wirtschaften


Das Angebot und die Nachfrage nach MBA-Programmen für Ärzte steigen. Sie sollen ihnen Fachkenntnisse


in Ökonomie und Management vermitteln. Ob das per Online-Studium gut funktioniert, ist umstritten


Früher ging es um die klinische
Karriere, jetzt kommen mehr
niedergelassene Ärzte ins Seminar

„Das nennt man


Werbung“


Ob der MBA für Ärzte sinnvoll
ist, hängt vom Einzelfall ab

Die Ökonomie darf nicht
die Oberhand über die
Medizin gewinnen,
betontAndreas Botzlar.
Er hält es aber durchaus
für sinnvoll, wenn Ärzte
wirtschaftliches Know-
how erwerben.
FOTO: D.MAYR / BAYERISCHE
LANDESÄRZTEKAMMER

Die Zulassungsbedingungen
der Hochschulen sind
äußerst unterschiedlich

MBA
&

Executive
MBA

Wenn der MBA der nächste logische Schritt ist


Manchmal darf es etwas mehr sein. Etwas mehr Bildung, etwas
mehr Netzwerk, etwas mehr Karriere.

Für manchen, auch bereits beruflich erfolgreichen Akade-
miker, drängt sich ein Executive MBA als nächster Schritt
auf. Bei der Steinbeis School of Management and Innovation, die
Business School für Digitalisierung und Innovation an der Stein-
beis-Hochschule, ist man da in besten Händen.

Das sagte sich auch Christoph Delke (33), der bei Plan.Net
in München arbeitet: „Ein MBA hat mich schon seit Langem
interessiert.“
Im November begann er sein berufsbegleitendes Studium.
Denn der Dipl.-Betriebswirt hat nach einigen Jahren im Job
Teamverantwortung übernommen. „Man stellt Lücken fest, ist
auch schon betriebsblind geworden“, erzählt er. Doch weil sein
Bereich direkt unter der Geschäftsleitung angesiedelt sei, wolle er
auch einen aktiven Beitrag leisten, Prozesse mitgestalten. Dafür
holt er sich nun das Rüstzeug mit klarem Fokus auf Strategie,
Innovation und Leadership.

„Ich habe mich grundlegend über die MBA-Angebote infor-
miert“, berichtet Christoph, „bei der Steinbeis SMI treffen die The-
men genau die Bedürfnisse, die man heute hat – und ich möchte
Arbeitsmethoden erlernen, um mich auch innerhalb der Agentur
weiterzuqualifizieren.“

Den Executive MBA mit Fokus auf General Management
hatte auch Fabian Nusser (31) gewählt. Der Verantwortliche
für die Villa Stéphanie von Brenners Park Hotel in Baden-Baden
möchte seinen „Horizont erweitern und neue Impulse erhalten“.
Die 54 Präsenztage bei einem Fulltime-Job unterzubringen, sei
eine Aufgabe. „Aber es war die einzige Uni, die so perfekt in un-
sere Saisonalität passt.“ Die Studenten*innen sind alle 8 bis 10
Wochen an einem der zwei Studienorte, um ihre Seminare und
Vorlesungen zu besuchen. So konnte er den Studienplan von
Anfang an regulär wahrnehmen. Projekte, an denen er arbeiten
möchte, hat er schon formuliert: „Unsere traditionelle Branche,
die Hotellerie, hat Nachwuchsprobleme. Ich möchte wissen, wie
man sich als Arbeitgeber attraktiv präsentieren kann.“ Wie alle
will er von anderen Branchen lernen und profitiert davon, dass
die Kommilitonen – Profis allesamt - aus unterschiedlichen Be-
reichen kommen.

Besonderes Highlight des Steinbeis MBA: die Studienreisen zu
den in internationalen Hochschulrankings hoch gelisteten Busi-
ness Schools wie der SDA Bocconi in Mailand und der Stern
School of Business (NYU). Neben den Vorlesungen werden auch
innovative Unternehmen besucht.

Und eine weitere Frage beschäftigt die meisten: Wie kann die
Digitalisierung mein Unternehmen weiterbringen? Tools und Me-
thoden dafür gibt es im MBA.

Steinbeis School of
Management and Innovation
der Steinbeis-Hochschule
Ziegelstraße 16
10117 Berlin
+ 49 30 398 8505-20
[email protected]
http://www.steinbeis-smi.de

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