Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
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von benjamin haerdle

G


roßbritanniens Hochschulen sind
in internationalen Hochschul-
rankings oft bestens platziert,
traditionsreiche Namen wie Oxford, Cam-
bridge oder das University College London
versprechen Glanz. Wenig erstaunlich,
dass deutsche Bildungseinrichtungen ger-
ne mit den Hochschulen auf der Insel Ko-
operationen suchen. Deutlich wird das am
Beispiel des Doctor of Business Administra-
tion, kurz DBA. Diesen im Vergleich zur
Promotion deutlich praxisorientierteren
Doktorgrad bieten insbesondere britische
Hochschulen an. Interessant für Deutsche:
Auch von hier aus kann man an dem Pro-
gramm teilnehmen. Das funktioniert so:
Die Teilnehmer schreiben sich an der briti-
schen Hochschule ein, nehmen an einem
DBA-Programm für drei oder vier Jahre be-
rufsbegleitend im Fernstudium teil und
studieren, je nach Konzept des deutsch-bri-
tischen Anbieterpaares, für einige Präsenz-
module auf der Insel.
Eine der Einrichtungen, die den briti-
schen DBA im Angebot haben, ist die
Munich Business School. Sie kooperiert
für den von der Foundation for Internatio-
nal Business Administration Accreditation
(FIBAA) akkreditierten DBA mit der Shef-
field Hallam University. Zehn Studierende
nimmt die Business School jedes Jahr auf,
jeder zahlt 36 000 Euro Studiengebühren.

Sie müssen, so wie bei den meisten ande-
ren DBA-Anbietern, einen Masterab-
schluss sowie fünf Jahre Berufserfahrung
vorweisen, davon drei in einer Manage-
mentposition. „Die Hochschulen haben ei-
ne sehr gute akademische Qualität, und bri-
tische Partner sind schneller zu erreichen
als die in den USA oder Australien“, nennt
Stefan Baldi, Dekan der Business School,
einige Vorzüge des deutsch-britischen Ge-
schäftsmodells. Die DBA-Teilnehmer an
der Münchner Business School sind in der
Regel Manager, die in verantwortungsvol-
ler Funktion tätig sind. Deren Anspruch:
„Die einen wollen langfristig eine akademi-
sche Karriere machen und brauchen dafür
den Promotionsgrad“, sagt Baldi. Ihr Ziel
sei die Professur an einer Fachhochschule.
Die anderen hätten nach längerer Abwe-
senheit von der Hochschule mal wieder
Freude daran, sich in der Doktorarbeit
intensiv mit Fragestellungen auseinander-
zusetzen, für die man im beruflichen All-
tag keine Zeit habe. Zum Beispiel: Wie
kann es einem Unternehmen gelingen,
sich von einem Produkt- zu einem System-
hersteller zu wandeln? Oder: Wie kann ein
Unternehmen aus dem Bereich 3-D-Prin-
ting/ Virtual Reality Ansätze entwickeln,
um am Markt zu bestehen?

Das Strascheg Center for Entrepreneur-
ship (SCE), das zur Hochschule für Ange-
wandte Wissenschaften (HAW) München
gehört, suchte sich für sein DBA-Pro-
gramm die Edinburgh Napier University
als Partnereinrichtung aus. 20 Studieren-
de hat das SCE derzeit, jeder hat zwei Fach-
betreuer, einen in Edinburgh und einen in

München. Sechs Module belegen die Stu-
dierenden in den drei Jahren, jeweils in
fünftägigen Workshops, in denen sie unter
anderem ihr Forschungsthema präsentie-
ren, ihre Forschungsphilosophie darlegen,
Ergebnisse einer Literaturrecherche oder
eine Pilotstudie zur Doktorarbeit vorlegen
müssen. „Bei der Promotion in Deutsch-

land zählen oft mehr die Forschungsergeb-
nisse, beim DBA steht dagegen eher die
Frage nach der richtigen Methode im Vor-
dergrund“, sagt Klaus Sailer, SCE-Ge-
schäftsführer und Professor für Entrepre-
neurship an der Hochschule München. Zu-
dem sei der britische DBA deutlich näher
dran an der Praxis als die Promotion in
Deutschland. Das mache sich bei der Dok-
torarbeit bemerkbar. „Für die Teilnehmer
ist es sehr motivierend, wenn sie ein kon-
kretes und selbstgewähltes Forschungs-
thema aus dem eigenen Unternehmen be-
arbeiten können“, erläutert Sailer.
In der Öffentlichkeit ist der britische
DBA indes nur wenig bekannt. Das liegt
auch daran, dass DBA-Absolventen in
Deutschland den „Dr.“ und selten den „Bri-
ten-Doktor“ im Namen tragen. Rechtlich
ist das erlaubt, das legt die Kultusminister-
konferenz (KMK) fest, der Zusammen-
schluss der 16 Bildungsminister der Bun-
desländer. Diese Regelung für den DBA
fällt aber weg, sollte Großbritannien tat-
sächlich die EU verlassen. Deswegen wa-
ren Bildungsanbieter, die den britischen
Doktortitel anbieten, in Sorge, was im Fal-
le des Brexit passieren könnte. Für Jürgen
Polke, Direktor am privaten Institut für
Hochschulkooperation und internationale
Promotionsprogramme (IHP), das den
DBA der University of Gloucestershire an-
bietet, ist das Tragen des „Dr.“-Titels eher
nachrangig. Manch einer sieht das anders.
So erzählt von Polke von einem Interessen-

ten, der von ihm eine schriftliche Garantie
dafür verlangte, dass er nach Abschluss
der DBA-Ausbildung den deutschen Dok-
tor führen dürfe. „Natürlich kann ich das
nicht“, sagt er. Doch komme es weniger auf
den Wortlaut des Titels denn auf die Leis-
tung an, die Dissertation vollendet zu ha-
ben: „Wenn man nicht für sich selber den
Wert des Abschlusses so kommunizieren
kann, dass man stolz darauf ist, dann ist
das bedauerlich“, sagt der IHP-Direktor.

Tatsächlich hat die KMK für den Fall
des Brexit längst vorgesorgt: Bereits im
Mai beschlossen die Minister, dass auch
für Großbritannien die Ausnahmeregel
gelten wird, die bereits für andere Nicht-
EU-Staaten wie Japan, Australien oder
USA angewendet wird. Demnach wird der
britische DBA, sofern dieser aus einem wis-
senschaftlichen Promotionsverfahren an
einer anerkannten britischen Hochschule
stammt, auch bei einem Brexit in Form des
„Dr.“ anerkannt. Der KMK-Beschluss kann
allerdings erst in Kraft treten, wenn Groß-
britannien wirklich aus der EU austritt –
und auch erst dann kann ihn die Kultusmi-
nisterkonferenz veröffentlichen. „Die Inha-
ber eines britischen DBA werden auch
nach dem Brexit ihren DBA in Form eines

Doktors weiterführen können“, erklärt
KMK-Referent Matthias Enders. Einen Vor-
behalt gibt es aber: „Sollte Großbritannien
nach dem Brexit Änderungen bei der Legiti-
mation ausländischer Hochschulabschlüs-
se vornehmen, müsste die Gegenseitigkeit
der Anerkennung wissenschaftlicher Dok-
torgrade neu justiert werden“, sagt Enders.
Doch bislang ist davon keine Rede.
Angesichts des KMK-Beschlusses, der
es DBA-Absolventen auch nach einem EU-
Austritt Großbritanniens erlauben wird,
den deutschen Doktortitel zu führen, dürf-
te sich die School of International Business
and Entrepreneurship (SIBE) an der Stein-
beis-Hochschule in Herrenberg (Baden-
Württemberg) in ihrer unternehmeri-
schen Entscheidung bestätigt fühlen:
Denn erst seit Anfang des Jahres führt die
SIBE den DBA der Edinburgh Business
School der Heriot-Watt University in ih-
rem Bildungsprogramm. „Wir bieten seit
25 Jahren Masterprogramme an – mit
dem Fokus auf Anwendung in der Praxis.
Deshalb ist das anwendungsorientierte
Promotionsprogramm die logische Weiter-
entwicklung unseres Bildungsangebots“,
sagt Katharina Helm, Leiterin des DBA-
Programms. Sie ist davon überzeugt, dass
der DBA zunehmend bekannter wird. „Es
drängen immer mehr Schulabsolventen
an die Hochschulen“, sagt sie. Wer dann
nach dem Master an der Schnittstelle zur
Praxis eine Doktorarbeit machen wolle,
für den sei der DBA eine gute Möglichkeit.

44 SZ SPEZIAL – LERNEN Freitag, 18. Oktober 2019, Nr. 241 DEFGH


Ursprünglich war der MBA als generalisti-
sche Ausbildung konzipiert, doch inzwi-
schen gibt es immer mehr Möglichkeiten,
sich an der Business School auf ein be-
stimmtes Fachgebiet zu fokussieren. Wer
sich heutzutage für den Master of Busi-
ness Administration mit Schwerpunkt Per-
sonalwesen entscheidet, wird es höchst-
wahrscheinlich während der Ausbildung
und danach mit dem Thema künstliche In-
telligenz (KI) zu tun haben.
Im Bereich Recruiting gibt es bereits
automatisierte Prozesse: 15 Minuten lang
frei reden und daraus eine Beurteilung von
Persönlichkeit, Belastbarkeit und berufli-
cher Eignung des Bewerbers ableiten? Das
erscheint kühn, doch die Sprachanalyse-
software Precire verspricht genau das. Sie
analysiert dafür Wortschatz und Satzbau,
Lautstärke und Stimmlage, Sprachge-
schwindigkeit sowie Wort- und Satzlänge


  • und erstellt daraus ein Persönlichkeits-
    profil des Bewerbers.
    Doch trifft diese Einschätzung wirklich
    zu? „Precire ist das am heftigsten diskutier-
    te Instrument, das als Robot-Recruiter der-
    zeit auf dem Gebiet des Personalrecrui-
    tings im Bereich der künstlichen Intelli-
    genz (KI) zum Einsatz kommt“, sagt Thors-
    ten Petry. Der Professor hat den Lehrstuhl
    für Unternehmensführung an der Hoch-
    schule Rhein-Main in Wiesbaden inne und
    forscht unter anderem zum Thema Perso-
    nalrecruiting.
    Die Software ruft viele Fragen hervor,
    die auch für angehende Manager im Be-
    reich Personalwesen von Bedeutung sind:
    Wie valide ist das Analysetool? Kann man
    wirklich von der Sprache auf die Persön-


lichkeit schließen? Werden bestimmte Per-
sonengruppen diskriminiert? Braucht es
nicht doch einen realen Menschen, der ei-
nen Bewerber einschätzt?
Die umstrittene Sprachsoftware ist nur
eines von vielen Beispielen, wie sich KI im
Personalwesen einsetzen lässt. Algorith-
men können etwa Anzeigen nach Geogra-
fie oder nach beruflichem Einstiegslevel
klassifizieren; sie können auf Webseiten
wie Xing oder Linkedin interessante Kandi-
daten identifizieren, die sich nicht auf
Stellenanzeigen beworben haben, die die
Unternehmen aber aktiv ansprechen könn-
ten. Chatbots, also technische Dialogsyste-
me, können im Chat auf Fragen von Be-
werbern antworten. Und über CV-Parsing

lassen sich beispielsweise Adresse, schuli-
scher und beruflicher Werdegang aus ei-
nem Lebenslauf in eine Bewerberdaten-
bank überführen. „Solche Sachen werden
schnell zum Einsatz kommen, da die Vortei-
le ersichtlich und diese Instrumente für Be-
werber relativ unkritisch sind“, sagt Petry.
In der Kritik stünden dagegen eher an-
dere KI-Instrumente wie die automatisier-
te Persönlichkeitsanalyse oder das Pre-
screening-Interview, das ein sprachgesteu-
erter digitaler Assistent führt. „Diese An-
wendungen sind für viele Unternehmen
reizvoll, werden aber von vielen Bewer-
bern sehr kritisch gesehen“, fasst Recrui-
ting-Experte Petry zusammen. Sie fürchte-

ten, dass bei der Personalauswahl die Tech-
nik und nicht ein Personaler entscheide.
Noch zögern in Deutschland viele Fir-
men angesichts von Robot Recruiting. Bei-
spiel Bosch: „Robuste, sichere und nach-
vollziehbare KI hat für uns oberste Priori-
tät. Wir sehen zwar Chancen beim Thema
KI im Recruiting, jedoch passen viele KI-
Lösungen momentan nicht zu den Aufla-
gen des europäischen Datenschutzgeset-
zes“, erklärt Heidi Stock, Vice President
Talent Acquisition bei Bosch. Man sei aber
dabei, wertvolle Erfahrungen zu diesem
Thema etwa in den USA und China zu sam-
meln. Auch das Unternehmen Otto ist zu-
rückhaltend: „Wir nutzen bei der Stellenbe-
setzung noch keine KI, weil es keine Sicher-
heit gibt, dass der Algorithmus möglicher-
weise nicht doch zur Diskriminierung
führt“, sagt Otto-Recruiter Malte Balmer.
Solange man nicht wisse, wie der Algorith-
mus programmiert sei, sei man vorsichtig.
Ohne Zweifel könnten Unternehmen KI
sehr effektiv im Personalrecruiting ein-
setzen, meint Hochschulprofessor Petry.
Doch bis sie wirklich großräumig angewen-
det werde, könne es noch eine Weile dau-
ern. „Die meisten Unternehmen warten
ab, testen und schauen, was die anderen so
machen.“ benjamin haerdle

Viele erwerben den britischen
Titel, weil sie eine Professur an
einer Fachhochschule anstreben

Interview mit einem Roboter


Für Personalmanager ist künstliche Intelligenz ein wichtiges, aber heikles Thema


Entscheidet die Technik oder der
Mensch? Das ist bei der digitalen
Persönlichkeitsanalyse die Frage

Auf den Master den praxisnahen
DBA draufsatteln – dieses Modell
hat laut Experten Zukunft

Der Doktor bleibt auch nach dem Brexit


Wer das britische Programm DBA absolviert, darf auch nach einem EU-Austritt Großbritanniens den deutschen Titel führen.


Dafür sorgt ein Beschluss der Kultusministerkonferenz. Eine gewisse Unsicherheit bleibt jedoch


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Redaktion: Stephanie Schmidt
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