Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
10 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN

ch verstehe Ihren Impuls, aber es
käme schon ziemlich passiv-aggressiv
rüber, also schon ungefähr in einem
Verhältnis von 20 (passiv) zu 80 (aggressiv).
Das ist nie gut. Damit erreichen Sie bei
Ihrer Schwägerin eher Gegenwehr. Nie-
mand will sich zum Gutsein zwingen las-
sen. Ein überzeugter Raucher, dem man
statt der gewünschten Stange Zigaretten
eine Kostenbeteiligung an einer eventuell
einmal nötigen Lungentransplantation
schenkt, wird einem auch nicht um den
Hals fallen vor Dankbarkeit, dass man
ihm die Augen geöffnet hat, in hohem
Bogen seine halbvolle Schachtel weg-
schmeißen und sich um einen Flohmarkt-
stand kümmern, um seine ja nun nutz-
losen Aschenbecher loszuwerden. Eher
steckt er sich direkt eine an und raucht die
trotzig extra tief in die Lunge. Man will
sich nämlich in Wahrheit zu gar nichts
zwingen lassen.
Ich finde, Sie sollten sich auf keinen Fall
an dem Geldgeschenk beteiligen. Es sollte
nämlich auch niemand zum Schlechtsein
gezwungen werden, und das wären Sie
ja dann, aus eigener Sicht. Schenken Sie

Ihrer Schwägerin doch einfach etwas ganz
anderes, ein gutes Buch, mehrere gute
Bücher, Schmuck, keine Ahnung, Ihnen
fällt schon was ein. Erklären Sie, warum
Sie ihrem Geschenkwunsch nicht nachge-
kommen sind, sonst wirkt es so, als hätten
Sie sich einfach keine Gedanken gemacht.
Ohne Vorwurf, bleiben Sie bei sich, so wie
Psychologen es immer raten. Vermutlich
freut sie sich sogar, wenn neben all den
schnöden Geldumschlägen, die ihr nicht
nur herzliche Gefühle verschaffen werden
(»Wie, nur 50 Euro von Tante O.?«), wenigs-
tens ein persönliches Geschenk liegt, das
sie auspacken kann. Sie können ihr ja
trotzdem eine schöne Reise wünschen
und sich mit aller gebotenen Wehmut für
sie freuen, dass sie diesen wunderschönen
gefährdeten Planeten mit all seinen Wun-
dern noch erleben kann.

GUTE FRAGE

Fotos: imago/ZUMA/Keystone, mauritius images/Chromorange; lllustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu

»Meine Schwägerin verreist nach Möglichkeit zweimal im


Jahr per Kreuzfahrt oder Fernreise. In der Einladung zum


runden Geburtstag wünscht sie sich Geld für die nächste


Tour. Da ich mich der Fridays-for-Future-Bewegung ver-


bunden fühle, ist es mir zuwider, dieses Verhalten zu un-


terstützen. Wäre es unverschämt, ihr Geld in Form eines


Kompensationsgutscheins zu schenken?«


MAJA K., HASSLOCH


I


GEFÜHLTE WAHRHEIT

WO MAN SICH EINE GRIPPE HOLT

GEMISCHTES DOPPEL
von
UTA MAIWALD

Weitere Gemischte Doppel finden Sie
auf sz-magazin.de; um eigene Vorschläge
einzureichen, schreiben Sie an
[email protected]

Leise beim
Mümmeln

Meise beim
Lümmeln

DIE DREI GROSSEN LÜGEN

ZUM WINTERREIFEN


  1. »Ich mach jetzt mal einen Termin aus.«
    2. »Spätestens Ende Oktober.«

  2. »Es schneit ja so bald nicht.«


Welches Problem treibt Sie um? Schreiben Sie an
[email protected]

JOHANNA ADORJÁN

2 % In der ersten richtig kalten Herbstnacht
5 % In der vollen S-Bahn
93 % Beim Arzt im Wartezimmer

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Magazin Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung mbH, München
Eine Dienstleistung des SZ-Archivs

Free download pdf