Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
16 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN

in der Wildnis immer ein gewisses Risiko.
Einmal überraschte uns ein Elefant. Er
wollte nur schnuppern. Ein anderes Mal,
ich war zu der Zeit allein unterwegs, schlief
ich am Sambesifluss in Simbabwe in einer
Hängematte ein. Zuvor hatte ich Nilpferde
und Büffel am Fluss beobachtet. Ich
schreckte hoch von einem Geräusch, zog
den Stoff nach unten und blickte in die
Augen einer Hyäne. Ein Meter Abstand. Ich
handelte instinktiv und imitierte einen
Hund: »Wuff!« Die Hyäne sprang weg. Spä-
ter stellte ich fest, dass sie eine Plastikbox

mit einer Seife darin zerbissen hatte. Von
diesem knackenden Geräusch bin ich aufge-
wacht. Sonst säßen wir heute nicht hier.
Wurden Ihnen auch Menschen
gefährlich?
Im Wüsten-Grenzgebiet zwischen Dschibuti,
Äthiopien und Somalia hatte ich mal die

Chance, von vorn in eine Kalaschnikow zu
blicken. Nomaden hatten uns aufgespürt.
Zwei Stunden lang habe ich mich mit denen
unterhalten, dann konnte ich mich mit
325 Birr freikaufen, das waren damals zirka
30 Dollar. Was mich da gerettet hat, war mein
Alter. Die hatten Respekt vor mir, besonders
in Afrika.
Ging Ihnen das öfter so?
Wäre ich ein junger Hippie gewesen, wäre
ich wohl nicht so weit gekommen. Aber es
gibt noch ein paar andere Tricks, um nicht
unter die Räder zu kommen. Fragte ein
Fremder, habe ich immer eine falsche Reise-
route genannt. Könnte ja sein, die rufen ihre
Bekannten im nächsten Dorf an und sagen,
da kommt so ein blauer Geländewagen,
da ist was zu holen. Wir haben auch nie in
einem Restaurant gegessen, um Otto nicht
aus den Augen lassen zu müssen.
Und wenn Sie ausgestiegen sind, um
an den Strand zu gehen oder auf einen
Berg zu steigen?
Haben wir nur gemacht, wenn Otto in
Sichtweite war. Wir waren eigentlich immer
zusammen, wie siamesische Drillinge. Otto
war unser Zuhause, ausgestattet mit allem,
was man im Haushalt und in einer Werk-
statt benötigt. »Ottilein« nannte Christine
ihn. Ich war weniger emotional, aber schwer
beeindruckt von diesem Auto. Ich hatte es
für 50 000 Mark gekauft, eine Mercedes G-
Klasse, 88 PS, fünf Zylinder. Mit einem heu-
tigen Auto wäre so eine Reise wie unsere
nicht mehr möglich. Zu viel Elektronik,
kann man nicht reparieren in der Wüste. Ich
hatte über 400 verschiedene Ersatzteile im-
mer parat, manche doppelt, wir verstauten
sie auf dem Dach und unter unserer Schlaf-
stätte. Die Rückbank hatten wir aus- und
stattdessen eine Holzplatte eingebaut, da
drauf lagen die Matratzen. Darunter: Klei-
dung, Töpfe, Werkzeug, Besteck, Nähnadeln,
Büroklammern.
Wie kamen Sie auf den Namen Otto?
Ich habe ein furchtbares Namensgedächtnis.
Bis heute frage ich Eltern, wenn ich mir den
Namen ihres Kindes nicht merken kann: Wie
geht’s eurem Otto? Als Platzhalter. So kam ich
auf den Namen, dabei blieb es.
Sie haben mit Otto mehr als 400
Ländergrenzen überquert. Wie viele
Grenzer haben Sie bestochen?
Keinen. Das war meine eiserne Regel: kein
Schmiergeld. Wichtig war die Weltkarte mit
der Reiseroute. Zeigten wir sie, wussten die:
Das sind keine gewöhnlichen Touristen.
Noch wichtiger war es, Geduld zu demons-
trieren, immer zu lächeln. In Venezuela ha-

Oben: 1998 landete Otto am Amazonas in
einer Herde weißer Zebus. Unten: 2005 stießen
Holtorf und seine Partnerin in Saudi-Arabien
auf Grabstätten der Nabatäer, Nomaden
aus dem 1. Jahrhundert vor Christus.

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