Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 27

Körper: »Der Intellekt sagt einem, es ist okay,
Durian zu essen, der Körper sagt Nein. Weil
der Geschmack viel besser ist als der Geruch
von Durian, hat man beim Essen das Gefühl,
belohnt zu werden.« Nach meinem ersten
Versuch bin ich nicht zuversichtlich, dieses
Gefühl noch erleben zu dürfen.
Die allermeisten Touristen aus dem Wes ten
ertragen weder Geschmack noch Duft der
Stinkfrucht. Sir Stamford Raffles, vor 200 Jah-
ren der sogenannte Gründervater von Singa-
pur, gab den Rat, sich sofort die Nase zuzuhal-
ten und wegzurennen, sobald man eine Durian
riecht. Ist gar nicht so einfach, dabei die rich-
tige Richtung zu erwischen, denn man riecht
sie in der Natur bis zu 150 Meter weit. Und
wer immer mit Durian in der Küche arbeitet,
besitzt einen eigenen Kühlschrank für sie.
Die Stinkfrucht in öffentlichen Verkehrs-
mitteln zu transportieren ist in Asien verbo-
ten, sogar auf den offenen Chao-Phraya-Fäh-
ren in Bangkok, sogar, wenn die Stinkfrucht
noch nicht geöffnet und in mehreren
Schichten Plastik verpackt wurde. Verbots-
schilder findet man auch an Gebäuden und
vor Restaurants. Im Passagierflugzeug darf
man frische Durians nicht einmal im Ge-
päckraum transportieren. Nur tiefgekühlt
oder in Form von Chips, Schokolade, auf-
gelöst in Kaffeepulver darf die Durian in den
Westen exportiert werden. Die wenigsten
Fluggesellschaften erlauben den Transport
von frischen Durian in vakuumierter Ver-
packung. Auch deswegen bleibt die Durian

eine der wenigen Früchte, die sich der Glo-
balisierung widersetzen.
Singapur ist offener geworden. Kein
Mensch wird mehr verfolgt, weil er nackt
durch die eigene Wohnung rennt, obwohl
es das Gesetz dagegen immer noch gibt,
und wer mit Durian im Bus erwischt wird,
kommt manchmal um die fällige Geldstrafe
herum. In der U-Bahn ist das anders: Da wird
das gesetzlich festgeschriebene Stinkfrucht-
Verbot noch weitgehend eingehalten. Es hilft
ohnehin nicht viel. Wer viel Durian isst, muss
noch Stunden später aufstoßen. Man riecht
die Frucht in der ganzen Stadt.
Malaysia, Thailand und Indonesien sind
die Hauptanbaugebiete, auch in Australien
und Indien gibt es Plantagen, in Sri Lanka
wachsen Durians wild im Wald – jedes Jahr
sollen dort 150 Menschen von herabfallen-
den Kokosnüssen und Durians erschlagen
werden. Singapur ist der größte Abnehmer,
wegen der starken Währung, die Importe aus
allen Nachbarländern anzieht, und wegen
der vielen chinesischen Touristen, die die
Durian in den vergangenen zehn Jahren in
großem Stil für sich entdeckt haben. In Sin-
gapur bekommt man die besten Früchte in
ganz Asien. Restaurants bieten »All you can
eat«-Durian-Buffets für 56 Singapur-Dollar,
rund 40 Euro, und Gourmetrestaurants ser-
vieren französische Käsekuchen und cognac-
getränkte Cup Cakes mit Stinkfrucht.
»Sweet Musings« heißt ein Laden in China-
town. MJ Heng, der Inhaber, verkauft obskure

Produkte gegen Diabetes und Durian-Kap-
seln für die Steigerung der Potenz. Sein Ver-
kaufsschlager sind Durian-Streusel, die rund
14 Euro pro Packung kosten. Er produziert
sie selbst. Sechzig Jahre ist er alt, vor vier Jah-
ren erst hat er umgesattelt von Immobilien-
makler auf Durian-Spezialitätenverkäufer.
Die Grundstückspreise in Singapur verhar-
ren auf hohem Niveau, die Durian-Preise
steigen immer weiter. »China ist verrückt
nach Durian«, sagt er. Laut UN-Handels-
statistik importierte China im Jahr 2016
Orangen im Wert von 200 Millionen US-
Dollar, Durian bereits für 600 Millionen.
MJ Heng hofft, dass seine Durian-Streusel
bald in China für den Import zugelassen
werden. Er glaubt, dass die Durian-Nachfra-
ge durch die Decke geht, sobald alle 1,4 Mil-
liarden Chinesen reisen dürfen, »bisher ha-

Sogar in Plastik verpackt kann man die Durian meterweit riechen –
so kauft man sie üblicherweise.

MJ Heng (oben) meint, seine Duriankapseln
steigerten die Manneskraft. Unten: Im »Four
Seasons Durians« bekommt man das ganze Jahr
über Durian.

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