Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
30 SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN

LIEB UND TEUER


W


TEXT WOLFGANG LUEF ILLUSTRATION ŁUKASZ GOLĘDZINOWSKI


Reisen online zu buchen ist einfach und schnell. Doch welche


Preise man dann zu zahlen hat, ist oft völlig undurchsichtig


äre das Internet ein Reise büro,
säße hinter dem Schalter ein
freundlicher Mensch, der stän-
dig lächelt und einem ver-
spricht, dass er die exquisitesten Hotels für
einen finden kann, und zwar in Sekunden-
bruchteilen, wenn man ihm nur sagt, was
genau man sich vorstellt. Und in jedem zwei-
ten Satz fiele das Wort »Bestpreisgarantie«.
Man würde also frohen Mutes beschrei-
ben, was man sucht, der freund-
liche Mensch würde lächeln
und so tun, als würde er gleich-
zeitig in allen Hotels der Welt
nachfragen und so das güns-
tigste Zimmer finden. In Wahr-
heit aber würde er vor allem sich
selbst Fragen stellen, und zwar zwei.
Erstens: Wie dringend braucht der
Kunde eine Unterkunft? Zweitens:
Wie viel ist er bereit zu zahlen? Kun-
den, die schick gekleidet sind oder
es offenbar eilig haben, bekom-
men ein teureres Zimmer als
Kunden, die entspannt wirken
oder so aussehen, als gäben sie
nicht besonders viel Geld fürs
Reisen aus.
Würden Sie in so einem
Reisebüro Stammkunde werden
wollen? Ich nicht. Trotzdem
nutzen sehr viele Leute immer
wieder die Buchungsportale
im Internet – klar, online zu
buchen ist einfach, man fin-
det binnen Sekunden schöne
Angebote, kann vergleichen,
hat das Gefühl, die Kontrolle
über den ganzen Prozess zu be-
halten. Doch vieles deutet darauf
hin, dass manche Portale ähnlich
vorgehen wie das beschriebene Reise-
büro.

Dass nicht jeder den gleichen Preis angezeigt
bekommt, ist leicht zu prüfen. Wir haben in
der Redaktion einen kleinen Test gemacht:
Sechs Kollegen suchten – jeweils abends, von
zu Hause aus – zur selben Zeit ein Hotel auf
Mallorca. Wir erhielten für manche Unter-
künfte drei Preise, mit bis zu zehn Prozent
Preisunterschied. Nun gibt es eine Reihe von
Studien, die den Verdacht nahelegen, dass das
Ganze einem System folgt.

Zum Beispiel bekommt ein Kunde, der per
Smartphone ein Buchungsportal aufruft, ten-
denziell teurere Preise – weil die Portale da-
von ausgehen, dass er es eilig hat. Wer ein
besonders teures oder modernes Gerät be-
nutzt, muss ebenfalls eher mehr zahlen – er
kann es sich ja leisten. Kommt man mit
demselben Browser oder derselben App spä-
ter wieder, kann es auch teurer werden – da-
mit man fürchtet, es werde noch später
noch teurer, und endlich bucht.
Was da geschieht, nennt sich
»Dynamic Pricing«. Nach jeder
Studie beteuern die Reiseportale,
solche Preisunterschiede hätten
allenfalls mit Sonderaktionen für
bestimmte Nutzer zu tun. Man
kann das glauben oder nicht.
Wie aber soll man als Kunde
damit umgehen? Die Tipps, die
Verbraucherschützer geben, rei-
chen von »Mit mehreren Ge-
räten suchen« über »Einen
Anonymisierungsserver ver-
wenden« bis zu »Cookies lö-
schen, bevor man sucht«. Auf
Nummer sicher geht man
mit einer anderen Methode:
Suchen Sie erst die besten
Angebote online und rufen Sie
dann in der Unterkunft an, die
Ihnen gefällt. Sie werden überrascht
sein, wie oft die angebliche »Best-
preisgarantie« in einem freund-
lichen Telefonat unterboten wird.

Reisen kostet immer Geld. Aber im Internet
kostet es nicht für jeden das Gleiche.

WOLFGANG LUEF

hat noch einen alten Laptop von 2002, den er
gerne für Reisebuchungen verwenden würde.
Leider stürzt der Browser andauernd ab.

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