Süddeutsche Zeitung - 18.10.2019

(Jacob Rumans) #1
Wo ziehen Sie die?
RABER Ist der Gast seriös? Darf er überhaupt
ein Rennpferd besitzen?
LINDNER Bei Scheichs, die Schäferhunde
nach Saudi-Arabien mitnehmen wollen, geht
es auch um Tierschutz. Den Hunden ist es
dort zu heiß.
Das Credo der Les Clefs d’Or, des Welt-
verbands der Concierges, lautet, jeden
Wunsch zu erfüllen, solange er »legal,
moralisch und menschenmöglich ist«.
Haben Sie jemals gegen diese
Regeln verstoßen?
BUCHMANN Nein.
LINDNER Nein.
RABER Nein. Klar wird man in Berlin
gefragt, wo man Drogen kaufen kann.
Ich würde so weit gehen, dem zu sagen:
»In dem Park, sagt man, steht man
rum.«
BUCHMANN Genau, ich würde dem
aber nie was besorgen.
RABER Man hat nichts unter der Schub-
lade.
LINDNER Kurz vor meiner Pensionie-
rung gab mir ein Gast mal 50 Euro und
meinte, sein Freund möchte eine ge-
wisse Begleitung für den Abend haben.
So was lehnt man höflich, aber be-
stimmt ab.
BUCHMANN Das kenne ich. Ich hatte
mal einen Gast, der mir erklärte, dass
ich ihm ein Mädchen zuzuführen habe,
weil ich als Concierge jeden Wunsch
erfüllen müsse. Als ich verneinte,
drohte er, sich zu beschweren. Sehr ger-
ne, sagte ich, das ist die beste Auszeich-
nung, die ich bei meinem Management
bekommen kann.
LINDNER Ich sage in so einem Fall immer,
dass ich nur das empfehlen könne, was ich
selber ausprobiert habe, und da hätte ich
nun mal keine Erfahrungen. Dabei ist mir
genau das auch schon angeboten worden.
Eine Bordellbesitzerin kam auf mich zu: Ich
dürfe einmal die Woche kostenlos ihr Eta-
blissement nutzen, wenn ich ihr Kunden
vermittle. Habe ich strikt abgelehnt.
Concierges führen Buch über die Vor-
lieben, Abneigungen und Marotten
ihrer Gäste. Wissen Ihre Gäste davon?
RABER Natürlich. Durch das aktuelle Daten-
schutzgesetz muss man den Gästen über alles
Auskunft geben, auf Anfrage.
BUCHMANN Die Gäste erwarten, dass wir
ihre Vorlieben kennen. Ich weiß die viel-
leicht auswendig. Wir haben aber immer
wieder neues Personal, die müssen auch Be-
scheid wissen.

Was steht da so drin?
RABER Beschwerden des Gastes zum Beispiel.
Auch Dinge wie: Gibt viel Trinkgeld, ist
aber eine Schreckschraube?
BUCHMANN Nein. Das heißt, so steht das
nicht drin.
Wie denn?
RABER Da könnte stehen: »demanding«.
BUCHMANN Oder »anspruchsvoll« vielleicht.
RABER Aber »demanding« hat noch einen
Unterton ...

BUCHMANN Es gibt einen wienerischen Aus-
druck für »demanding«, des is hoid a lästige
Wanzen. Wird aber nicht verwendet.
RABER Heute steht das alles in Computer-
dateien. Früher hatten wir ein kleines
schwarzes Buch.
LINDNER Oder ein großes. Wir nannten es
»unsere Bibel«, wo drinstand, wer was wann
gebucht hatte. Wir waren früher zu viert,
einer war die ganze Zeit damit beschäftigt,

die Formulare aufzufüllen, die im ganzen
Haus verteilt werden mussten. Wenn ein
Gast vor der Abreise einen Orangensaft
trank, haben wir diese Info per Rohrpost
bekommen und auf unserer Buchungsma-
schine NCR 24 eingebucht, die einen Mords-
krach gemacht hat.
BUCHMANN Die kenne ich auch noch. Und
die Rohrpost. Die Buchungsmaschine hieß
intern bei uns »Sputnik«.
LINDNER Irgendwie hat auch ohne Compu-
ter alles funktioniert.
RABER Heute hat man eine WhatsApp-
Gruppe.
LINDNER Ich bin froh, dass ich das als
Pensionist nicht mehr mitmachen muss.
RABER Hat Vor- und Nachteile. Ein
Nachteil ist, dass man sich ein Stück
weit versklavt.
Wie behält man die Contenance,
wenn der Gast sehr »demanding«
ist?
RABER Wir arbeiten mit mehreren Kol-
legen, da ist immer einer dabei, der mit
dem Gast kann. Dann sagt man: Oh, da
kommt dein Gast.
BUCHMANN Genau, da kann ein rich-
tiger Wettbewerb im Team entstehen:
Wer klopft den weich? Vor vielen Jah-
ren hatten wir einen Stammgast, eine
Dame, die sehr resolut in ihrem Auftre-
ten war. Ein älterer Kollege hatte rich-
tig Angst vor ihr. Die hat das gemerkt.
Das Schlimmste, was du einem Gast
zeigen kannst, ist, dass du Angst vor
ihm hast. Sie hat über ihn geschimpft.
Jedes Mal, wenn sie gekommen ist, hat
er sich frei oder Urlaub genommen,
weil er so eine Panik hatte. Ich hinge-
gen konnte mit der sehr gut. Sie war halt
speziell. Aber das bin ich auch.
RABER Nach außen lächelt man, aber unter
Kollegen macht man dann schon seine Witze.
Und wenn einem doch mal der Gedulds-
faden reißt?
RABER Ich habe einmal zu einem amerika-
nischen Gast am Telefon gesagt, er sei unhöf-
lich, weil er, nun ja, unhöflich war. Danach
habe ich schlecht geschlafen.
Deshalb schlafen Sie schlecht? Wie
dick muss das Fell eines Concierges
sein, bevor er seine Würde verliert?
LINDNER Dick. Bei uns schimpfte einmal ein
Gast die Crew am Desk zusammen, das ma-
chen Gäste gerne, wenn sie wütend sind. Er
kenne den Besitzer, zeterte er, das werde
Konsequenzen haben! Was er nicht wusste,
war, dass der Hotelbesitzer Herr Volkhardt
zufälligerweise drei Meter hinter ihm stand.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG MAGAZIN 35

FRITZ LINDNER


wurde 1952 im Sarntal in Südtirol
geboren und war 40 Jahre lang Concierge
im »Bayerischen Hof« in München.
Seit 2017 ist er im Ruhestand. Sein
Geheimtipp für München: der
»Kriechbaumhof«, ein Holzhaus aus dem


  1. Jahrhundert in Haidhausen.


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