Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1

Kunstmarkt
WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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Alle Macht den Affen

München glänzt mit zwei Kunstmessen. Die „Highlights“ überrascht mit


Tierischem, die „Positions“ mit Werken von jüngeren Künstlern.


Susanne Schreiber München

S


ie tragen Kleider wie wir, wenn sie zur
Kirmes gehen. Dort tanzen sie, zechen
oder machen Quatsch. Die Affen, die
Ferdinand van Kessel im 17. Jahrhundert
mit leuchtenden Farben auf Kupfer ge-
pinselt hat, sind seit alters her eine Satire auf mo-
ralischen Verfall und Dummheit der Menschen.
Wer vor Kurzem Banksys Affenparlament für
den originellen Einfall der Travestie bewunderte,
stößt auf der 10. „Highlights Internationale Kunst-
messe München“ (bis 20.10.) auf dessen Vorgänger
in der Kunstgeschichte. Kessels amüsantes Barock-
bild hat die Galerie De Jonckheere mitgebracht.
Die Genfer Altmeistergalerie verlangt dafür bei ih-
rem „Highlights“-Debüt 70 000 Euro.
Bei Alexander Kunkel geht ein Meisterwerk des
Symbolismus in der Kritik am äffisch nachah -
menden Verhalten der Menschen noch weiter. Ga-
briel von Max lässt in der ätzenden Persiflage „Sa-
lome“ ein orientalisch gekleidetes Äffchen vor ei-
nem Fischkopf tanzen. Das mit 195 000 Euro
bezifferte Gemälde kritisiert einerseits die Kirche
und andererseits den Salome-Kult der Jahre um
1905.
Schon diese beiden Beispiele zeigen, im Jubilä-
umsjahr haben die Highlights wieder das Niveau
erreicht, das der Name verspricht. In etlichen Aus-
gaben nach dem Abgang der Gründer und führen-
der Top-Händler, die im Herbst lieber in New York
ausstellen, war das Profil von zu viel marktgängi-
ger Ware verwässert worden. Doch das hat sich ge-

ändert. Unter den 39 Ausstellern finden sich auf at-
traktiven Ständen etliche Blickfänger. Peter Mühl-
bauer hatte bereits kurz vor der Eröffnung einen
Interessenten für die außergewöhnlich mitreißende
Skulptur von Matthias Steinl „Neptun raubt Am-
phitrite“ gefunden. Die Flosse des den Meeresgott
begleitenden Delfins ist dabei papierdünn aus Elfen-
bein geschnitzt – und vollständig erhalten.
Tierisch kommt auch ein Paradestück bei Christi-
an E. Franke-Landwers daher. Abraham Roentgen
stellte 1750 einen zierlichen Sekretär mit reicher Ein-
legearbeit auf vier plastisch ausgreifende Bocksfüße.
Der Bamberger Kunsthändler gibt das Spitzenmö-
bel mit Sinn für das Dionysische für 285 000
Euro ab. Bei Senger lockt ein Berliner Zy-
linderbureau von 1800 in den schönen
Stand. Das hoch aufragende Schreibmöbel
hebt sich durch einen Porzellanaufsatz, Ma-
lerei auf den Türen und umlaufende Bron-
zen von Standard-Sekretären ab (125 000
Euro). Langeloh Porcelain punktet mit ei-
ner raren Commedia dell‘Arte-Figur von
Franz A. Bustelli. Die „Isabella“ soll
110 000 Euro kosten.
Martin Moeller wartet mit einer gan-
zen Wand voll mit Menzel-Zeich -
nungen auf. Eine eilige Skizze liegt bei
12 000 Euro, Zeichnungen, die ge-
nauso ausgearbeitet sind wie Gemäl-
de, kommen auf bis zu 58 000 Euro.
Breit sortiert ist das 20. Jahrhundert

vor allem bei der Malerei. Wer bei der Galerie
Schwarzer Gabriele Münters „Interieur mit Weih-
nachtsbaum“ für 680 000 Euro erwirbt, bekommt
nicht nur typische Motive wie den Baum mit rhyth-
misierendem Kunstschnee, Volkskunst oder ein Ap-
felstillleben. Münter hat sich darüber hinaus noch
als Ganzfigur hineingemalt. Thomas von Salis zeigt
eine große Collage aus Großbritannien von Kurt
Schwitters. Das nuancenreiche „Merzbild“ aus dem
Jahr 1944 soll 475 000 Euro kosten. Gleich drei „Ei-
dos“-Gemälde von Willi Baumeister kann die Gale-
rie Schlichtenmaier auf einer Wand präsentieren.
Mit 300 000 Euro am höchsten bewertet ist „Ster-
bender Schwan“ von 1940.
Stephen Hoffman hat ein weltberühmtes Foto
prominent platziert, Alfred Eisenstaedts ikonisches
Bild vom 14. August 1945. Am VJ Day (Victory over
Japan) packt ein Matrose eine Passantin am Times
Square und küsst sie mit so viel Schwung wie Lei-
denschaft. Das weltberühmte Motiv von Lebens-
lust versus Krieg existiert in einer Auflage von 250
Exemplaren. Von den zusätzlich abgezogenen 14
„Artist Proofs“ verlangt Hoffmann für den signier-
ten AP7 52 000 Euro.
Aus einer der besten Dresdener Sammlungen
stammt eine Freundschaftstafel von Hermann
Glöckner bei Florian Sundheimer. Der Nestor der
Abstraktion in der DDR hatte sie 1969 durch Fal-
tung, so der Titel, flächig strukturiert und dann
leuchtend lila getönt (58 000 Euro). Beck & Egge-
ling nehmen die gern verdrängte Vergänglichkeit in

Ferdinand
van Kessel
„Singerie“:
Affen als
Menschen. De Jonckheere, Genf

Franz A.
Bustelli:
„Isabella“
mit feiner
Gestik.

Langeloh Porcelain
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