Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1

Kunstmarkt
WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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den Blick. Eine Photogravüre von Damien Hirsts
Diamantenschädel (25 000 Euro) hängt zwischen
einem Handskelett aus Gold mit saphirbesetztem
Mittelfinger von Georg Hornemann („War I“
110 000 Euro) und einem Knochenberg aus Kera-
mik von Bertozzi und Casoni (58 000 Euro).
„Perfect Matches“ nennt die Galerie Beck & Egge-
ling ihre motivischen oder epochenüberspannenden
Konfrontationen. Perfect Matches sind auch die 14 zu-
sätzlichen Highlights-Aussteller, die in der „Orange-
rie“ eine feine Gruppenausstellung bestreiten. Im
zehnten Jahr der neuen Highlights kehren die Grün-
der der 2005 als „Straßenfest“ gestarteten Boutique-
messe „Munich Highlights“ mit Gästen zurück. Kon-
rad Bernheimers musikalisches Stillleben von Cristo-
foro Munari stößt dabei auf ein „Rhinozeros“ von
Albrecht Dürer (Kunsthandlung Rumbler). Rainer
Jungbauers außergewöhnlicher, anonymer Hausaltar
aus Oberösterreich verkraftet die Jugendstileleganz
aus dem Rauchzimmer des Luxusliners „Norman-
die“ bestens. Sascha Mehringer steuert das vier Meter
lange Lackrelief von Jean Dunand über die Jagdbeute
bei: Da ziehen abermals Tiere die Blicke der Messefla-
neure auf sich, Hund und Hase, Gazelle und Reiher.
Beute machen kann der Kunstfreund indes auch
in der ehemaligen Reithalle in der Hessstraße. Dort
findet die zur „Positions“-Messe erweiterte „Paper
Positions“ statt (bis 20.10.). Attraktive Positionen jen-
seits des durch die Auktionen gehypten Mainstreams
finden sich zuhauf. In allen Gattungen und zu über-
schaubaren Preisen. „Wir sind eine Messe für den
Nachwuchs“, sagt Heinrich Carstens, der das Format
„Positions“ seit 2014 mit dem Galeristen Kristian Jar-
muschek betreibt. Schnell fügt der Messedirektor
hinzu: „Für Galeristinnen und Galeristen, für die
Kunstschaffenden und die Sammlergemeinde.“


Herrlich lichtvolle Abstraktionen tuscht Mojé As-
sefjah mit Eitempera auf Papier. Bei Nanna Preuß-
ners kosten die schwungvollen Arbeiten der
Deutsch-Iranerin 1 400 bis 2 800 Euro. Peter Lang
betreibt als Maler subtile Erkundungen des Polar-
lichts in Island. Seine atmosphärisch reichen, tech-
nisch interessanten Landschaften liegen bei Fenna
Wehlau bei 8 000 Euro. Auf Toyin Loye trifft der Be-
sucher bei Chiefs & Spirits aus Den Haag. Der Nige-
rianer reißt die Oberflächen der Drucke so auf, dass
sie wie Narben wirken. Die Porträts Verletzter erin-
nern an die Hautritzungen afrikanischer Stämme
(3 500 Euro). Wer ein Bild zum Brand in Notre
Dame in Paris sucht, findet eine originelle Collage
von Laurent Chéhère bei Persiehl & Heine (9 800
Euro aus einer Fünferauflage).
Gözde Ilkin näht aus bunten Stoffen Bilder. Eines
vermittelt anschaulich, wie leger einige Kulturen
mit Autoritäten umzugehen pflegen. Die Werke der
gefragten Türkin kosten bei Françoise Heitsch
4 000 Euro. Entdeckungen und Wiederentdeckun-
gen hat sich die Positions auf die Fahne geschrie-
ben. Dem folgt exemplarisch die Galeria Szydlowski
aus Warschau. Sie präsentiert drei Genartionen von
Künstlern. Wojciech Fangor mit einem Farbring für
8 000 Euro, die feinen Ton-Schichtungen der Alek-
sandra Jachtoma und die absichtsvoll schrillen Farb-
verkehrungen von Antoni Starowieyski.


Maria Lassnig „Le jeu du destin“:
Auf den Highlights.

Kovacek & Zetter/H.Zierhofer/VG BILD-KUNST

Kunstherbst München

Showtime


an der Isar


M


ünchen gibt den Besu-
chern von insgesamt drei
Kunstmessen allen Grund,
noch etwas zu verweilen. Schon lan-
ge nicht mehr hat im deutschen
Kunsthandel eine so bestechende
Altmeister-Ausstellung stattgefun-
den wie „Sir Anthony Van Dyck and
his Comtemporaries“ bei Daxer &
Marschall (bis 27.10.). Anstoß dazu
gab die große, nächste Woche begin-
nende Van-Dyck-Schau in der Alten
Pinakothek. Der Rubensschüler van
Dyck, geniales Talent und Malerstar
des Frühbarock, ist mit einer her-
ben Kopfstudie eines Schergen ver-
treten. Das teuerste Kunstwerk ist
die flüssig gemalte Ölskizze für das
verschollene Gemälde „Christus mit
Dornenkrone“ mit 375 000 Euro je-
doch nicht. Partnerin für die fulmi-
nante Ausstellung ist die Agnew‘s
Gallery aus London. Von ihr stammt
die grandiose, im Stile Caravaggios
komponierte Szene „Martyrium des
heiligen Bartholomäus“ von Matthi-
as Stromer (1,4 Mio. Euro).
Den roten Faden der Ausstellung
bilden die Zeichen des gegenseitigen
künstlerischen Austausches zwi-
schen Flandern und den nördlichen
Niederlanden. Zu finden sind sie in
einem frühen Damenporträt von
Rubens (385 000 Euro), Jan Steens
theatralischer Genreszene „Der Al-
chimist“ (600 000 Euro) und in der
kraftvollen, mystisch ausgeleuchte-
ten „Studie zweier nackter Männer“
von Jacob Jordaens (1,5 Millionen
Euro). Viele der 24 Exponate hat Ku-
rator Diek Groenewald in europäi-
schen Privatsammlungen akquiriert.
Dass sich Museumsschau und Gale-
rie-Event nur vier Tage überschnei-
den, ist dem drohenden Brexit-Ter-
min am 31. Oktober geschuldet.
Um die Beziehungen zwischen
Künstlern geht es auch in der Galerie
Arnoldi-Livie. Gemeinsam mit Beck
& Eggeling, Livie Fine Art Zürich und
der Berliner Galerie Michael Haas
suchten sie nach Künstlerfreund-
schaften (bis 20. Oktober), die nicht
durch das Kreuzen von Lebenslinien
bestimmt wurden. Hier hängen Gün-
ther Förgs Streifen-Gouachen von
1996 ( je 20 000 Euro plus MwSt.)
neben der streng in Felder aufgeteil-
ten Rötelzeichnung „Ganymed“
(35 000 Euro) des Neoklassizisten
Hans von Marées von 1886. Was sie
verbindet? „Im Herzen bin ich Klas-
sizist“, hat Förg einmal gesagt, und
das heißt, in geordneten Strukturen
zu denken. Mehr als geistige Freund-
schaft verband den österreichischen
Maler Franz Grabmayr und den
Franzosen Eugène Leroy. Für beide
war Farbe kein Mittel, Abbildungen
auf die Leinwand zu streifen. Sie ist
Material des Ausdrucks. Schimmert
in Leroys Farbschichtgebilden noch
etwas Figürliches durch, sind Grab-
mayrs Bilder gespachtelte Urgewal-
ten. Die Werke aus den 1980er- und
1990er-Jahren kosten zwischen
32 000 und 48 000 Euro.
Stiller sind die architekturbezo-
genen Bilder des Malers Heribert C.
Ottersbach und des Fotografen Joa-
chim Brohm. Das Reizvolle der Ge-
genüberstellung liegt im Diametra-
len. Denn während Brohm einen
malerischen Blick in seiner Fotogra-
fie (7 000 Euro) entwickelt, nutzt
Ottersbach fotografische Anleihen
in seiner Malerei (14 000 bis
34 000 Euro).

Berührungsängste zwischen Pri-
mär- und Sekundärmarkt kennen
Robert Ketterer und Johann König
nicht. Das Auktionshaus Ketterer
bringt den Spirit Berlins an die Isar
und ist Gastgeber der Ausstellung
„Szene Berlin Okt. 19“, die von der
König Galerie kuratiert wurde. Hip,
frisch und frei von Schwerblütigkeit
zeigt der Galerist einen Querschnitt

seines Programms. Schon von au-
ßen ist durch die breite Glasfront
des Hauses eine große Leinwand
von Norbert Bisky zu sehen. Und es
geht weiter mit den derzeit vielver-
sprechendsten Künstlern Deutsch-
lands wie Michael Sailstorfer, Jorin-
de Voigt, Annette Kelm oder Julian
Rosefeldt (bis 25. Oktober). Sabine
Spindler

Julian
Rosefeldt
„Deep Gold
(Nr. 3)“:
Schwarz-weiß-
Foto aus dem
KÖNIG GALERIE/VG Bild-Kunst Video.

   



       


  

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