Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1
Hu Huazhi

Ringen um


die Lufthoheit


A


m Ende muss sich die Zu-
kunft noch ein bisschen ge-
dulden. Es gab keine Starter-
laubnis der Behörden, um das Flug-
taxi aus China im Stadion in Düssel-
dorf zu testen. Nun kann der Grün-
der der Flugtaxi-Firma EHang, Hu
Huazhi, seinen Prototypen zwar prä-
sentieren, aber nicht abheben lassen.
„Macht nichts“, sagt er und lehnt
sich gegen das Fluggerät.
Das Flugtaxi besteht aus einer Ka-
bine mit zwei Sitzen. Daran sind acht
Arme mit jeweils zwei Propellern be-
festigt. Die ermöglichen es dem Ge-
rät, wie ein Helikopter senkrecht in
die Luft zu starten. Steuerinstrumen-
te gibt es in der Minikabine kaum.
„Bei uns wird alles autonom gesteu-
ert“, sagt Hu. Ob bemannte Flüge
oder Lieferungen von Gegenständen


  • ein C omputersystem übernimmt
    Start, Flug und Landung.
    Damit das funktioniert, brauchen
    die Drohnen jedoch eine gute Netz-
    anbindung. Um diese in Europa zu si-
    chern, ist Hu nach Düsseldorf gereist.
    In einem Konferenzraum in der
    Deutschlandzentrale von Vodafone
    hat Hu das Flugtaxi aufstellen lassen.
    Die Geste besiegelt eine Partner-
    schaft, die beide Firmen schließen.
    Vodafone will alle EHang-Drohnen in
    Europa mit SIM-Karten ausstatten,
    wie das Handelsblatt vorab erfuhr.
    „Dank des 5G-Mobilfunks können die
    Drohnen zentimetergenau gesteuert
    werden“, sagt Vodafone-Deutsch-
    landchef Hannes Ametsreiter.
    Flugtaxis sind zu einem Symbol für
    eine ambitionierte Wette auf die Zu-
    kunft geworden. Weltweit tüfteln
    mehr als 150 Firmen an Konzepten
    für die besten Fluggeräte. Dabei ist
    noch völlig unklar, ob sie wirklich


den Verkehr verbessern werden. So-
wohl der hohe Energieverbrauch als
auch die große Lautstärke sind ein
Problem. Zudem ist unklar, ob sie
sich wirtschaftlich betreiben lassen.
Hu sieht sein Unternehmen bes-
tens aufgestellt und ist überzeugt,
dass sich Flugtaxis durchsetzen wer-
den. „Es geht nicht um das Ob, es
geht nur um das Wann“, meint er.
Der Mittvierziger hat an der renom-
mierten Tsinghua-Universität in Pe-
king Informatik studiert. Über Jahre
entwickelte er Lösungen für Cloud-
Dienste, Videosteuerung und intelli-
gente Stadtplanung. Das Fliegen war
lange Zeit sein Hobby. Doch dann
wollte er seine private Begeisterung
mit technologischem Fachwissen ver-
knüpfen. 2014 gründete er zusam-
men mit Freunden EHang. Heute ist
er CEO und Präsident des Unterneh-
mens.
In Österreich hat sich Hu mit Ro-
bert Machtlinger zusammengetan.
Der CEO des Flugzeugzulieferers
FACC will die Geräte von EHang mas-
sentauglich machen. Er kündigte an,
bis zum Jahresende in die Serienpro-
duktion zu gehen. Derzeit laufen laut
FACC-Angaben die Flugtests. Sollten
sie erfolgreich abgeschlossen wer-
den, beginne die Produktion bis En-
de des Jahres. Anderenfalls werde sie
für Anfang 2020 angepeilt.
Der Markt für Flugtaxis ist um-
kämpft. Der prominenteste Rivale
aus Deutschland ist Volocopter. Die
Firma will ähnlich wie EHang einen
Multicopter produzieren. Dem gegen-
über steht das Start-up Lilium, das
auf einen Kippantrieb setzt. Hu hält
sein Produkt jedoch für überlegen.
„Wir haben schon viel Erfahrung ge-
sammelt. Unsere Flugtaxis haben
schon viele Flugstunden absolviert“,
sagt der Gründer. „Die anderen ha-
ben noch einen langen Weg vor
sich“, sagt Hu.
EHang könnte schon bald an die
Börse streben. Die US-Finanzagentur
Bloomberg berichtete, EHang habe

bereits Unterlagen für ein Aktiende-
büt beim Nasdaq eingereicht. Dem-
nach würde die Firma mit rund 200
Millionen US-
Dollar bewer-
tet und strebe
an, Anteile im
Wert von zehn
bis 15 Prozent
an die Börse
zu bringen.
„Dazu möchte
ich nichts sa-
gen“, sagte
Hu.
Noch ist in
Fachkreisen
umstritten, ob
Flugtaxis wie
von EHang überhaupt ein großer
Durchbruch bevorsteht. „Ein Flug
mit uns wird un gefähr so viel pro Ki-
lometer kosten wie eine Taxifahrt“,
sagt Hu. Zudem werde die Technik
Staus in Städten lösen können. Ähnli-
che Versprechen geben auch andere
Flugtaxi-Start-ups ab.

Aber in Fachkreisen ist umstritten,
ob diese Aussagen stimmen können.
Die Stadt München beschäftigte sich
in einer Analyse mit dem Potenzial
von Flugtaxis und kam zu dem
Schluss, dass Flugtaxis nicht als Mas-
sentransportmittel taugen und bes-
tenfalls in geringem Ausmaß das Ver-
kehrssystem entlasten könnten. Und
das auch nur, wenn Städte bereit
sind, ihre Infrastruktur aufwendig
umzubauen, um Start- und Lande-
plätze für die Fluggeräte zu schaffen.
Die Investmentbank Morgan Stanley
schätzt Flugtaxis auch allenfalls als
sehr teures Spielzug für sehr wohlha-
bende Menschen ein.
Die Europäische Agentur für Flugsi-
cherheit (Easa) stellte im Juli Regula-
rien für Flugtaxis vor. Bis zu einer
Freigabe der neuartigen Fluggeräte
könnten aber noch Jahre vergehen.
„Am Ende wird es schnell gehen. Bei
E-Scootern waren anfangs auch alle
skeptisch“, sagt Vodafone-Deutsch-
landchef Ametsreiter. „Dann waren sie
Thomas Berger für Handelsblatt (2) plötzlich überall.“ Stephan Scheuer


Der Gründer der
Flugtaxi-Firma EHang forciert
seine Pläne für Europa. Der
Weg zu Alltagsflügen dürfte
aber noch weit sein.

Hu Huazhi: Der
Gründer aus China
stellt in Düsseldorf
sein Flugtaxi vor.

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WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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