Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1
Ken Fisher

Teurer Fauxpas


Astrid Dörner New York

K


en Fisher wähnte sich in Sicherheit,
als er vergangene Woche die Bühne
der exklusiven Konferenz in San
Francisco betrat. Die Teilnehmer mussten
schließlich eine Geheimhaltungserklärung
unterschreiben. Das ist Standard bei dem
Gipfeltreffen der Vermögensverwalter, das
jedes Jahr von der kalifornischen Firma Ti-
buron organisiert wird. Fisher und die ande-
ren Vortragenden sollten frei sprechen kön-
nen, ohne sich Sorgen zu machen, dass die
Gäste im Publikum ihre Aussagen an Journa-
listen weitergeben oder über Twitter ver-
breiten.
Doch der Star-Investor, dessen Firma Fis-
her Investments 112 Milliarden Dollar ver-
waltet, empörte die Anwesenden so sehr,
dass sich gleich mehrere von ihnen ent-
schieden, ihre Geheimhaltungserklärung zu
brechen. „Geld und Sex, das sind für viele
Leute zwei der privatesten Dinge“, so Fis-
her. „Das ist, als würde man in einer Bar ei-
ne Frau ansprechen und sagen: ‚Hey, ich
will darüber reden, was in deiner Hose ist.“
Das geht aus einem Mitschnitt von Fishers

Auftritt hervor, der unter anderem an den
US-Börsensender CNBC geschickt wurde.
Das Publikum soll sofort empört darauf rea-
giert haben, berichten Teilnehmer.
Einer von ihnen veröffentlichte danach
ein Video-Statement auf Twitter, um seiner
Entrüstung Luft zu machen. „Es war ein ab-
solutes Debakel“, stellte Alex Chalekian klar,
der den deutlich kleineren Vermögensver-
walter Lake Avenue Financial leitet. Neben
seinen sexistischen Ausfällen habe Fisher
auch davon gesprochen, dass „gemeinnützi-
ge Organisationen unmoralisch sind“, so
Chalekian. Auch soll Fisher von seinen Er-
fahrungen mit der Droge LSD berichtet ha-
ben. Ein solches Verhalten sei inakzeptabel.
„Wir müssen das ändern, und zwar sofort.“
Es hat eine Weile gedauert, bis Fisher zur
Einsicht kam. „Ich habe in vielen meiner Re-
den solche Dinge gesagt, aber nie habe ich
solche Reaktionen bekommen“, rechtfertig-
te sich der 68-Jährige vergangene Woche ge-
genüber dem Finanzdienstleister Bloom-
berg. Später jedoch veröffentlichte er eine
offizielle Entschuldigung. „Einige Worte und
Sätze, die ich während einer Konferenz ge-
sagt habe, um bestimmte Argumente deut-
lich zu machen, waren eindeutig falsch. Ich
hätte sie nie sagen sollen“, ließ Fisher zer-
knirscht mitteilen. Diese Art von Sprache
„hat in unserem Unternehmen und in unse-
rer Branche keinen Platz“. Fisher, dessen
Vermögen auf 3,8 Milliarden Dollar ge-
schätzt wird, hat den Posten des Vorstands-
vorsitzenden abgegeben, bleibt jedoch In-
vestmentchef seiner Firma.
Doch mit einer Entschuldigung ist es so
einfach nicht getan. Seit dem Vorfall haben
bereits drei Kunden angekündigt, ihr Geld
von der New Yorker Firma abzuziehen, die
Fisher vor 40 Jahren gegründet und zu ei-
nem der wichtigsten unabhängigen Vermö-
gensverwalter ausgebaut hat.
So erklärte der Pensionsfonds des US-
Bundesstaates Michigan, er werde 600 Mil-
lionen Dollar von Fishers Firma abziehen.
Auch der Pensionsfonds aus Philadelphia
will für sein Vermögen von 54 Millionen Dol-
lar einen anderen Manager finden. Die Stadt
Boston schloss sich am Mittwoch an. „Bos-
ton wird nicht in Unternehmen investieren,
die von Menschen geführt werden, die Frau-
en als Objekte behandeln“, sagte Bürger-
meister Martin Walsh. Die Berichte über
Ken Fishers Äußerungen seien „unglaublich
verstörend“. Boston lässt derzeit 248 Millio-
nen Dollar von Fisher Investments verwal-
ten. Auch Fidelity, einer der größten Vermö-
gensverwalter des Landes, kündete an, die
Zusammenarbeit mit ihm zu überprüfen.
Fishers Ruf ist schwer beschädigt. Dabei
hat er sich über die Jahre eine Reputation
als weitsichtiger Investor aufgebaut und eine
wichtige Kennzahl für die Aktienanalyse er-
schaffen: das Kurs-Umsatz-Verhältnis. Damit
identifiziert er, welche Firmen ihren Aktien-
kurs künftig deutlich steigern können.
Fisher ist Autor von elf Büchern und di-
versen Kolumnen, die er für Zeitungen auf
der ganzen Welt schreibt, auch für das Han-
delsblatt. Das Branchenmagazin „Invest-
ment Advisor“ kürte ihn 2010 zu einem der
30 einflussreichsten Investoren der vergan-
genen 30 Jahre. Schon sein Vater, Philip Fis-
her, war einer der renommiertesten Anlage-
experten seiner Zeit.
Bei Fisher Investments ist nun Umdenken
angesagt. Medienberichten zufolge will CEO
Damian Ornani innerhalb des Unterneh-
mens ein Programm für Diversität und In-
klusion starten, damit so etwas nicht wieder
vorkommt. Auf der Tiburon-Konferenz aller-
dings, das machte der Veranstalter klar,
wird Fisher nicht mehr sprechen dürfen.

Ken Fisher:
Mit einer
Entschuldigdigungung
isttesesninichtcht
ge getantan.

Brad Trent/Redux/laif


Einige Worte


und Sätze,


die ich


während


einer


Konferenz


gesagt habe,


waren


eindeutig


falsch.


Ken Fisher
Investor

BusinessLoungeLounge


Heldinnen gesucht:Die kroatisch-deutsche
Schriftstellerin Jagoda Marinić spricht auf der
Frankfurter Buchmesse über ihr neues Werk
„Sheroes“ – es geht darin um neue Rollenbilder
und Heldinnen. Marinić zählt dazu auch Greta
Thunberg und Carola Rackete.

Schmiergeld-Report:
Raffaele Cantone, der
Chef der italienischen
Anti-Korruptions-Be-
hörde, stellt in Rom
den aktuellen Korrup-
tionsbericht seines
Landes vor. Dieser ar-
beitet die vergange-
nen drei Jahre auf.

S R C A h d t L b n

Schau mir in die Augen: Daniel Zhang (l.), Chef
des chinesischen Konzerns Alibaba, und Brian
Roberts, CEO des US-Internetdiensteanbieters
Comcast, geben in Peking eine neue Kooperati-
on bekannt. Mit dem „Universal Beijing Resort“
wollen sie Disney angreifen.

Schau mir in die Augen:Daniel Zhang (l )Chef

Lösungen gefunden:Håkan Samuelsson, Chef
der schwedischen Automarke Volvo, präsentiert
in Los Angeles den ersten Elektrowagen des
Konzerns – den „XC40 Recharge“.

Lösungengefunden:Håkan SamuelssonChef

imago images/STAR-MEDIA, AFP, imago images/LaPresse, REUTERS

Nach anzüglichen Äußerungen auf
einer Konferenz verliert der
amerikanische Star-Investor
wichtige Kunden.

Namen des Tages
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WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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